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Drei Tage in den Alpen


Mittwoch, 14.9.2022


Das Frühstück ist – man muss immer dran denken, dass das Hotel für zwei Personen mit Frühstück lediglich 72 € kostet – lecker und mehr als ausreichend. Wir jedenfalls finden das Hotel, so wie es ist, klasse.

Gegen viertel neun machen wir uns auf den Weg. Im Morgenlicht sieht die Landschaft aus wie auf einem alten Ölgemälde.

Obwohl wir in Teola bei schönstem Wetter gestartet sind, sieht es 10 km später so aus. Zwischen Monte Fascagno im Süden und Monte Rocca in Norden, die beide 600 m höher sind als wir hier auf der SS 301, hat sich dichter Nebel festgesetzt.

Zoll


3 km hinter Teola, immer noch auf der SS 301, werden wir auf einer Anhöhe plötzlich von einer Zollstation überrascht. Bin ich denn deppert? Wir sind doch noch in Italien und die Schweiz ist mindestens 10 bis 15 km weit entfernt – Luftlinie! Da wir hier mit Zoll gar nicht gerechnet haben, müssen wir erst mal unsere Geldbörsen und die Ausweise suchen.

„Avete nulla da dichiarare? Sigarette, alcol, profumo?“ „Hä?“ „Do you speak English?“ „Yeah“ „Do you have anything to declare? Cigarettes, alcohol, perfume?“ „No, nothing!“

Der Grenzbeamte guckt durch die Scheiben auf unseren Rücksitz und verheißt uns dann weiterzufahren.

Ich fass mir ein Herz und frage: „Sorry, but we are still in Italy, aren’t we?“ Und dann erklärt er mir: „That’s correct, but Livigno is a duty-free area within Italy and therefore you can only export limited quantities of goods.“

Jetzt wird mir einiges klar, auch warum der Sprit in Livigno so billig war. Da fallen 21% Mehrwertsteuer weg. Wenn wir das vorher gewusst hätten, hätten wir sicher nicht in Dornbirn, sondern gestern Abend in Teola getankt.

Aber warum ist Livingno zollfrei?


Das liegt an Napoleon (dem französischen Kaiser) und an Livignos besonderer geografischer Lage. Für Napoleon war es von strategischer Wichtigkeit, in der Gegend um Livigno einen Handels- und Truppenweg mit entsprechender Infrastruktur vorzuhalten. Um das zu gewährleisten, mussten aber dauerhaft Leute dort angesiedelt sein. Leider wollte aber niemand „am Arsch der Welt“ wohnen, und so hat Napoleon die Menschen eben mit der Steuerbefreiung hierher gelockt, indem er das Gebiet zur zollfreien Zone erklärte.

Das blieb bis heute so. Ohne die Steuerbefreiung wäre sicher kein Schwein dorthin gefahren, zumal es (zumindest bis in die 1950er) sein konnte, dass Livigno nach starken Schneefällen im Winter auch schon mal ein paar Tage von der Außenwelt abgeschnitten war. Heute ist der Livigno-Pass aber fast immer offen.

Wir fahren also weiter Richtung Stilfser Joch. Unterwegs aber wollen wir noch zum Torri die Fraele.

Nach der Zollstation geht es an der Nordost-Flanke einer Bergkette, deren Namen ich nicht weiß, nur noch runter. Die Straße ist angenehm breit und durch etliche nach links zum Valle di Foscagno offene Galerien geschützt. Hin und wieder gibt es ein paar vereinzelte Häuser, ansonsten fahren wir durch eine tolle waldreiche Landschaft.

In Arnoga, 7 km nach der Zollstation, sind wir schon 350 m tiefer. Ein Schild quer oberhalb der Straße begrüßt uns mit „Benvenute Comune di Valdidentro – 1345 m“.

Noch ein paar Links-Rechts-Kehren (mit mehreren hundert Meter langen Bereichen dazwischen) und wir sind in San Carlo. Rechts von uns liegt nun ein weites, offenes Tal, bis wir schließlich gegen neun in Isolaccia die SS301 verlassen und nach Norden abbiegen. Es ist zwar immer noch regnerisch trüb, aber der Nebel hat sich schon lange verzogen. Der war nur oben kurz vorm Zoll so eklig.

In Isolaccia fahren wir auf die Via 25. April und dort auf einer Strecke von etwa 1½ km 100 Höhenmeter den Berg hoch. Die Via 25. April ist der Anfang des Aufstiegs zum Torri die Fraele.

Diese Straße, die ausnahmsweise mal nicht aus militärischen Erwägungen, sondern wegen des Baus der Staumauer für die beiden Adda-Stauseen Lago di Cacano und Lago die San Giacomo angelegt wurde, hat mich bereits bei der Planung der Fahrt fasziniert: 17 dicht übereinanderliegende Kehren. Allein schon wegen dieser Kehren wollte ich die Passstraße hochfahren. Doch bis dahin kommen wir gar nicht. Als wir in Pendenosso in einer Linkskurve um die Kirche Chiesa dei Santi Martino e Urbano herum sind, wird die Straße so eng, dass ich nicht mal mit meinem Panda zwischen den Häusern durchkomme. Zum Glück kann ich auf der Piazza al San Martino, einem gepflasterten Mini-Platz hinter der Kirche, mittels mehrmaligem Rangieren umdrehen. Besser haben es da die Radfahrer und Biker, die uns fortwährend überholt haben. Aber tauschen möchte ich dennoch nicht, dazu sitz man im Panda zu bequem. Wir fahren wieder zurück.

Von Isolaccia zum Stilfser Joch


Zurück in Isolaccia (wir sind jetzt wieder auf 1340 m) haben wir die schmalen Straßen endlich hinter uns. Wir sind wieder auf der SS 301 Richtung Bormio. Gegenüber der auffallenden Gondelbahn im Skigebiet Cima Piazzi/San Colomban sehen wir auf der anderen Talseite die Kirche Chiesa dei Santi Martino e Urbano in Pendenosso, bei der es vorhin für uns nicht mehr weiterging.

Ein paar Kilometer weiter kommen wir durch die engen Gassen von Fior dÁlpe Torripiano, dann an der Kirche Chiesa della Santissima Trinità vorbei und dann geht´s hoch, 1457 m auf den nächsten 23 Kilometern. Dabei helfen uns insgesamt 38 Kehren.

5 km nach Torripiano, bei dem kurzen Felstunnel, haben wir schon 180 der 1457 m und bei dem ehemaligen Maut-Häuschen I Casa Cantoniera dello Stelvio, weitere 3½ km weiter, sind wir schon 380 m „geklettert“. Aber immer noch liegen ober 1100 Höhenmeter vor uns.

Der weitere Anstieg wird bestimmt durch scharfe Kehren, Galerien und abenteuerliche, nur aus dem Fels herausgebrochene Tunnels, manche so eng, dass die wechselseitige Durchfahrt mit Ampeln geregelt ist.

Aber es kommt noch heftiger. Auf etwa der Hälfte der Strecke, beim „Anstieg von Spondalunga“ sorgen 14 in den Berg geschlagene Kehren (vier unterhalb einer flacheren Strecke, zehn im steilen Teil) dafür, dass man 263 Höhenmeter, die bei einer Distanz von 920 m Luftlinie 24,2% Steigung bedeuten würden, über eine verlängerte Trassenführung von 3,5 km Straße überhaupt befahren kann. Dass hier auch Fahrradfahrer unterwegs sind (nach oben!) will mir nicht in den Kopf.

Nahe der dritten der zehn steilen Kehren kann man bei einem Haus, das sich bescheiden „Bar Kiosk Nazionalpark“ nennt, auf einem kleinen Parkplatz anhalten. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die zurückliegenden Kehren und ins Valle del Braulio.

Welch gigantisches Tal der heute nur wenig Wasser führende Braulio (hinter mir der „Cascada del Braulio“) im Laufe der Jahrtausende geschaffen hat, machen „Rudi“ und mich sprachlos.

Ach ja, „Rudi“: Den kleinen roten „Woll-Panda“ hat uns seinerzeit, als wir uns unseren kleinen roten Reise-Panda „Katzabärle“ gekauft haben, unsere Schwiegertochter Alena gehäkelt. Er soll uns stets Glück bringen und uns immer an sie erinnern.

Jetzt sind es nur noch 10 km bis zur Passhöhe. Nach dem „Anstieg von Spondalunga“, beim „Casa Cantoniera della Stelvio“ wird´s flacher, sodass die Fahrradfahrer uns – wenn wir anhalten und fotografieren – immer wieder überholen. Diese Dreiergruppe haben wir jetzt mindestens schon dreimal überholt und dann wieder vorbeigelassen.

Etwa 1 km vorm Abzweig zum Umbrail-Pass ist plötzlich wieder Nebel, sodass man kaum die Hand vor Augen sieht. An einer Bucht seitlich der Straße machen wir Halt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Nebel so schnell er kommt, auch wieder vergeht.

Zehn Minuten später – der Nebel ist ein bisschen besser geworden – geht´s weiter. Bald haben wir´s geschafft, denn oben am Gipfel kann man schon vage die Umrisse des Hotels Folgore erkennen. Noch ein, zwei Minuten, dann müssten wir dort sein. Hoffentlich bekommen wir irgendwo einen Parkplatz, schließlich liest man im Netz, dass man zu Stoßzeiten auf der Passhöhe noch nicht mal einen Platz für die obligatorischen Pass-Bilder vor einem der Pass-Schilder findet.

Am Stilfser Joch


Wir haben Glück. Am großen Parkplatz unterhalb des Sporthotels Cristallo (knapp 100 Plätze) stehen gerade mal eine Handvoll Autos. Nein, nicht ganz korrekt, jetzt stehen dort „eine Handvoll plus eins“ – und das Schönste: Der Parkplatz ist gebührenfrei!

Vom Parkplatz bis zur Passhöhe sind´s keine 100 m. Der Platz auf der Passhöhe ist bis auf einige Radler, die sich hier hoch gequält haben, und ein paar Auto-Freaks, die zeigen müssen, was sie haben, menschenleer.

Derweil Susanne noch ein Mitbringsel sucht – ein Kühlschrankmagnet von jedem Fährtle muss unbedingt sein! – betrachte ich mir den Morgan 4/4, der so, wie er aussieht, aber sicher ein Nachbau ist. Danach sehen wir uns um, ob wir irgendwo was essen können. Nach Würsteln und Draußen-Essen ist´s uns aber nicht. Dazu ist es dann doch zu kühl, zu windig und wegen des sich verziehenden Nebels dann doch auch ein bisschen feucht.

So beschließen wir, Ernstls Wurstbude im wahrsten Sinne des Wort links liegen zu lassen, und gehen gleich rechts daneben ins Hotel Stilfserjoch.

Mittagessen


Das Restaurant ist sehr gemütlich, aber außer uns und einer Frau ist niemand da. Etwas verunsichert, eben weil niemand da und es auch erst 11:00 Uhr ist, fragen wir, ob es was zu essen gibt. Es gibt!

Wir setzen uns ans Fenster und sehen auf die Serpentinen, die auf der Ostflanke des Stilfser Jochs von Prad her hochkommen. Weiter rechts suchen wir den Ortler. Sowohl von Prad als auch vom Ortler, der immerhin 3900 m hoch ist, sieht man aber nichts, dazu ist es leider zu neblig. Dennoch sind wir sehr zufrieden, denn schließlich könnte es viel schlimmer sein. Es könnte ja auch noch Glatteis haben und schneien.

Während wir aufs Essen warten, machen wir Tagebucheinträge und allerlei Schnickschnack mit Finn, der uns natürlich auch auf jedem Fährtle begleitet.

Inzwischen, wir sitzen noch keine zehn Minuten da, ist das Wetter schon deutlich besser geworden. Man sieht, wenn man den Blick senkt, unten die Straße bis runter zur Franzenshöhe und, wenn man den Kopf hebt, bis rüber zur Ortler-Gruppe. Das Wetter wird von Minute zu Minute besser.

Das immer besser werdende Wetter und dazu noch das leckere Essen – Susanne hat Spaghetti Pomodoro, ich Spaghetti Carbonara – machen nun so richtig Laune.

Dass wir für zwei Essen, dazu noch einem gemischten Salat sowie einem Latte Macchiato und einem Caffe Americano (Insider-Anmerkung: mit Milch!!) hier auf der Passhöhe von 2757 m nur 31 € zahlen müssen, lässt unser Herz noch mindestens 250 Höhenmeter höher schlagen.

 

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