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Drei Tage in den Alpen


Donnerstag, 15.9.2022


Obwohl es Frühstück bereits ab 6.00 Uhr gibt, können wir den Tag ruhig angehen lassen. Zum einen regnet es immer noch „wie Sau“, zum andern macht der Alpenzoo – wenn er bei diesem Wetter überhaupt aufmacht – erst um 9:00 Uhr auf. Da ist keinerlei Eile angesagt. Vielleicht fahren wir ja auch direkt nach Hause. Bis dorthin sind es noch maximal vier Stunden.

Jetzt gehen wir aber erst mal frühstücken. Das Frühstücksbuffet ist reichlich und es gibt alles, was man von einem Hotelfrühstück erwartet: Brot und Brötchen, Wurst und Käse, aber auch Obst, Joghurt, Milch, Haferflocken, Nüsse, Honig und Säfte sowie Gebäck, das ich aber so nicht bräuchte.

Der Regen hat inzwischen nachgelassen und wegen der gelb getönten Scheiben am Eingang könnte man fast den Eindruck haben, als wolle sich draußen die Sonne durchsetzen. Können wir´s also doch mit dem Zoo probieren? Um kurz nach neun checken wir aus.

Über die Bundesstraße 171 fahren wir Richtung Innsbruck und dann an der Anton-Rauch-Straße rechts hoch zum Richardsweg. Plötzlich stehen wir vor einem „Verbot-der-Einfahrt-Schild“, so wie sie am „falschen Ende“ von Einbahnstraße stehen. Drunter ist aber auch ein Schild „Samstag, Sonntag und Feiertag“. Was soll das jetzt?

Eine nette Frau, die im Richardsweg joggt, meint, dass wir ruhig durchfahren könnten. Bis zum Zooparkplatz sind es nur noch 300 m. Vorsichtig – ich möchte in Österreich keinen Strafzettel bekommen – taste ich mich vorwärts und zwei Minuten später bin ich dann auch da. Außer einer weißen Vespa ist kein anderes Fahrzeug zu sehen. Vielleicht ist der Zoo ja wegen des heftigen Regenwetters zu. Das haben wir beim Zoo Karlsruhe auch schon erlebt.

Bis zum Zooeingang sind´s nur 100 m, aber steil den Berg hoch. Ganz nebenbei bemerkt: Der Alpenzoo Innsbruck soll der höchstgelegene Zoo Europas sein und innerhalb des Zoos sollen auch erhebliche Höhenunterschiede zu bewältigen sein. Ob wir das packen?

Die Wege sind noch immer überall nass, aber von oben kommt momentan nichts mehr.

Alpenzoo Innsbruck


Der Zoo hat tatsächlich auf. „Wir haben immer auf!“ „Auch bei Sauwetter?“ „Immer!“ Susanne lädt mich ein (für Senioren kostet es 10 anstatt 13 €) und wir traben los. Auf den Asphalt aufgemalte Bärentatzen markieren den Rundweg.

Wer Löwen, Tiger und Elefanten sucht, wird vom Alpenzoo Innsbruck enttäuscht sein. Der Alpenzoo setzt – wie der Name bereits sagt – auf einheimische Tiere, eben solche, wie sie hier in den Alpen vorkommen können.

Biber


Als Erstes sollten wir zu den Bibern kommen, die sich heute aber wohl nicht sehen lassen wollen.

Bachstelzen


Nach dem Biber-Teich kommen wir an eine Voliere, in der sich Vögel befinden, die ich wegen ihres ständig auf und ab wippenden Schwanzes und wegen ihres „Dschiwid“-Rufes für Bachstelzen halten würde. Allerdings sehen sie ganz anders aus als die Bachstelzen, die ich so kenne. Das liegt daran, dass viele Vögel außerhalb der Brutzeit, in der vor allem die Männchen auffallen wollen (und müssen) ein viel schlichteres Ruhe- oder Wintergefieder tragen. Man kennt so was auch von Stockenten. In der Brutzeit haben die Erpel metallisch grüne Köpfe, im Winter sehen sie fast genauso aus wie die Weibchen und man kann beide nur noch an der Schnabelfarbe unterscheiden.

In der Voliere haben wir also tatsächlich Bachstelzen, die den Stress mit Balzen, Brüten und Jungen-Großziehen für heuer aber ganz offensichtlich hinter sich haben. Prachtkleid, Schlichtkleid, Ruhe- und Wintergefieder. Hättet ihr das gewusst? Ich nicht! Man braucht also nicht unbedingt Tiere aus fernen Ländern, um seinen Horizont zu erweitern.

Zwergmäuse


Zwergmäuse sind so ganz anders als andere Mäuse, sie leben nämlich in Gebieten, die auch schon mal überflutet werden können. Aus diesem Grund bauen Zwergmäuse ihre Nester, die ähnlich aussehen wie die von Webervögeln und in Grashalme eingeflochten werden, zehn, zwanzig Zentimeter oberhalb des höchsten zu erwartenden Hochwassers. Falls sie aber doch mal ins Wasser fallen, ist das auch nicht weiter schlimm, denn Zwergmäuse sind recht gute Schwimmer.

Die kleinen Nager sind aber auch gute Kletterer. Dabei unterstützt sie ihr Schwanz, den sie beim Klettern wie eine fünfte Hand einsetzen können. Damit sie auf glatten Untergründen nicht ausrutschen, haben sie zusätzlich dicke Schwielen an den Fußsohlen.

Zwergmäuse sind so winzig, dass sie Vader Abrahams Frage: „Geht ihr auch durch ´nen Wasserhahn?“ locker mit „Wir gehen auch durch ´nen Wasserhahn“ beantworten könnten, selbst dann, wenn es sich beim Wasserhahn nur um einen Halb-Zoll-Wasserhahn handelt. Heißwasser-Hahn allerdings wäre dumm.

Aqua-Terrarium


Wenn wir schon beim Wasser sind, dann können wir auch gleich in den Teich – nein, nicht springen, sondern gucken. Gegenüber von den Zwergmäusen gibt es nämlich Seefrösche. Diese nutzen nach dem Starkregen von heute Nacht – obwohl sie Wasser eigentlich mögen müssten – die wärmenden Sonnenstrahlen.

Erst dachten wir ja, das sind Keramik-Frösche, so unbeweglich saßen sie da, aber dann hat doch einer nach einer Fliege geschnappt.

Die nächsten vier Gehege versetzen mich fast 60 Jahre zurück in meine Kindheit. Feuersalamander, Bergmolche, Ringelnattern und Perleidechsen gab es seinerzeit bei uns im Wald, da brauchten wir keinen Zoo.

Ich kann mich noch daran erinnern wie heute, als ich beim Pilze-Suchen entlang der Bahnlinie in Welzheim zwischen den am Boden liegenden Buchenblättern ein gelb-schwarzes Tier entdeckte, das sich dort versteckte. „Lurchi“ kannte ich bis dahin nur von den Schuhen, die wir damals trugen, und so habe ich den Feuersalamander selbstredend gefangen. Ich musste das ungewöhnliche Tier – das ich zuvor noch nie in echt gesehen hatte und dessen Geschichten mich begeisterten – ja „begreifen“. Das hätte ich besser nicht tun sollen, denn der Schleim, den das Tier in meiner Hand hinterließ, hat mächtig gebrannt. Diese Erfahrung blieb mir bis heute. Im Salamander-Heft stand davon nichts.

An 60 Jahre zurückliegende Erfahrungen denke ich auch beim nächsten Tier. Habt ihr schon jemals einen Bergmolch gesehen? Wahrscheinlich nicht! Wäre ich nicht – wie bereits erwähnt – auf dem Land in Süddeutschland aufgewachsen und täglich – bis in die Puppen – im Wald und am Wald-Tümpel unterwegs gewesen, würde ich Bergmolche wahrscheinlich auch nicht kennen.

Als Kinder aber – das war Ende der 1950er-Jahre – haben wir diese rund 10 cm langen „Dinosaurier“ mit Keschern aus dem Teich gefischt und dann in einem großen Einmachglas (natürlich ohne Deckel!) beobachtet. Wobei wir immer darauf achteten, dass wir sie nicht anfassten, denn die Tiere waren – wie der Feuersalamander – unangenehm ätzend und klebrig.

Was uns aber fasziniert hat, war der orangerote Bauch der Tiere und die blauen Seiten. Das war schon was! Vor dem Nach-Hause-Gehen haben wir die Tiere natürlich wieder in den Tümpel gekippt.

Manchmal hatten wir auch Molche erwischt, die seitlich so eine Art „Wurzeln“ hatten – wie keimende Kartoffeln. Dass das die Kiemen der ausschließlich im Wasser lebenden Jungen waren, die erst nach einer „Umwandlung“ zu Landtieren werden, wussten wir damals natürlich noch nicht.

Heute – nach rund 60 Jahren! – sehe ich die „Studienobjekte unserer Kindheit“ nun zum allerersten Mal in einem Zoo wieder. Da werden schon Erinnerungen wach.

Die schlimmste Erinnerung aber habe ich an eine Ringelnatter. Ende der 1950er war es ganz normal, dass Opa und Papa in echt und Huckleberry Finn im Buch rauchten und wir Kinder haben die „Großen“ mit Schokolade-Zigaretten kopiert. Doch das war einfach nur Kinderkram. Zum richtig Cool-Sein – wie die Kinder heute sagen würden – gehörten richtige Zigaretten. Doch wie kam man an diese?

Um mir ein „Zehnerle“ Taschengeld dazu zu verdienen, habe ich mit einer „Zigaretten-Dreh-Maschine“ für Opa massenhaft Zigaretten gedreht. Ein Päckchen Tabak ergab immer 40 Stück. Da fällt es dem Opa sicher nicht auf, wenn da eine oder zwei fehlen.

So habe ich Zigaretten „gesammelt“, die wir dann heimlich im „Lägerle“ (schwäbisch für Lager/ Hütte / Höhle) im Wald gepafft haben. Bis zu dem Tag, an dem uns „Gott erwischte“ und zur Strafe eine ein Meter lange Schlange in unser „Lägerle“ schickte. Das war meine erste Begegnung dieser „unheimlichen“ Art. Ich hab danach übrigens nie mehr Zigaretten „stibitzt“.

Mit Perleidechsen habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht. Dafür waren die einfach immer viel zu schnell.

Alles in allem ist es aber ein Wahnsinns-Gefühl, all diese Tiere, die mich in der Jugend stark geprägt haben, hier – und ich glaube auch erstmalig – in einem Zoo zu sehen.

Fischotter


Wenn man Fischotter mit ihren schlanken Körpern durchs Wasser flitzen sieht, glaubt man gar nicht, dass sie – nach dem Dachs – die zweitschwersten heimischen Marder sind.

Da sie sich fast ausschließlich im Wasser bewegen (an Land ruhen sie eher), haben sie zum Antrieb zwischen ihren jeweils fünf Zehen Schwimmhäute und um nicht auszukühlen (ganz im Gegensatz zu beispielsweise Robben, die auch im Wasser leben) keine Fettschicht, sondern einen unwahrscheinlich dichten Pelz. So haben sie pro cm² zweihundert Mal mehr Haare als ein Mensch mit bestem Haarwuchs in den besten Jahren. Dazu kommt, dass die Oberflächen der Haare wie bei einem Reißverschluss ineinandergreifen, sodass da überhaupt nichts mehr durchgeht. So bleibt der Körper des Otters immer schön trocken und warm. Damit ihnen beim Tauchen das Wasser nicht in Ohren und Nase läuft, können sie diese verschließen, zusätzlich haben sie Tasthaare nicht nur im Gesicht, sondern auch an den „Ellenbogen“. Damit finden sie sich auch zurecht, wenn die Sichtverhältnisse mal nicht so gut sind. Solche „Ellenbogen-Tasthaare“ hätten ich bzw. der Panda am Jaufenpass gestern auch gebraucht.

Das eventuelle Frieren ist aber nicht das Problem, sondern der Mensch mit seinen angeblichen „Kulturlandschaften“. Der Fischotter braucht saubere und fischreiche Gewässer mit zugewachsenen Ufern. Die gibt es heute kaum mehr und somit werden auch die Fischotter immer weniger. Wegen ihres Pelzes wurden sie zusätzlich gejagt, sodass sie fast überall ausgerottet waren – auch in Tirol. Umso mehr freut sich der Alpenzoo, dass ihm, als erstem europäischem Zoo überhaupt, bereits 1978 die Nachzucht gelungen ist.

Baummarder


Fischotter haben wir ja bereits kennengelernt. Nun kommen wir zu den Mardern. Weil beide, Otter und Marder, ganz anders heißen, könnte man meinen, sie kämen aus zwei ganz verschiedenen Familien, dabei sind beide, sowohl Otter als auch Marder, Marder, ebenso wie Dachse, Iltisse, Nerze und Wiesel.

Wenn wir aber landläufig von Mardern reden, denken wir meist an die „echten“ Marder, Steinmarder und Baummarder.

Steinmarder sind Kultur-Folger und dafür bekannt, dass sie Autokabel zerbeißen oder auf Dachböden angsteinflößende Geräusche verursachen. Ganz anders die Baummarder, die wir hier im Zoo sehen. Sie meiden den Menschen, leben im Wald und verbringen die meiste Zeit als Einzelgänger hoch oben im Geäst.

Woran erkennt man nun, dass die Tiere hier im Gehege Baummarder und nicht etwa Steinmarder sind? Ich würde sagen: In erster Linie an den gelbumrandeten Ohren und an der dunklen Nase. Würde uns der Kerl mal die Freude machen und hochgucken, dann hätte man ein weiteres eindeutiges Unterscheidungsmerkmal: Baummarder haben einen einzigen gelblich-orangefarbenen Fleck am Hals, Steinmarder meist einen weißen, der gegabelt ist und deren einzelnen Streifen oft bis zu den Vorderbeine hinunter verlaufen.

Baummarder sind Allesfresser: Auf ihrer Speisekarte stehen Frösche, Schnecken, Insekten und Regenwürmer – aber auch Waldvögel und Eichhörnchen, selbst Vegetarisches verschmähen sie nicht. Da sind sie nicht anders als wir.

Waldrapp


Fast könnte man meinen, dass Dieter Hallervorden 1977 bei einem Spaziergang einen Waldrapp sah und erst dadurch zu seinem Lied Mit dem Gesicht kann man sich nur verstecken. Mit dem Gesicht schafft man es nicht! animiert wurde.

Dem ist aber nicht so. 1977 war der Waldrapp in Europa schon lange ausgestorben und in freier Wildbahn eigentlich nirgendwo mehr zu sehen. Das lag aber nicht daran, weil ihm beim Blick in den Spiegel der Atem stockte und er tot umfiel, sondern an den Menschen, die ihn bis ins 17. Jahrhundert hinein sehr gerne verspeisten, weil sein Fleisch angeblich so lecker schmeckte.

Aus diesem Grund gibt es die Vögel mit dem runzeligen, rötlich gefärbten kahlen Kopf, den einzelnen, abstehenden Schopffedern und dem langen, krummen Schnabel – außer in Marokko, der Türkei und Syrien – heute nur noch in Zoos.

In aufwendigen Aktionen will man sie wieder auswildern, doch das ist gar nicht so einfach. Der Vogel ist nämlich ein Zugvogel, der aber den Weg ins Winterquartier (Toskana) und zurück (hier bei uns) nicht kennt. Es fehlen einfach die Elterntiere, die ihm den Weg hätten zeigen können.

Biologen haben sich da etwas Außergewöhnliches einfallen lassen: Ausgewählte, im Zoo geborene Jungtiere werden aus dem Nest entnommen, von Hand aufgezogen und auf Menschen geprägt. Diese Menschen fliegen dann – wenn es Zeit ist, die Winterquartiere aufzusuchen – mit Leichtflugzeugen in Richtung Toskana voraus und die Jungvögel folgen ihnen, weil die Natur es so eingerichtet hat, dass sie eben ihren „Eltern“ folgen.

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