Löwenzahn und Zebrastreifen
Besuch in einem Massai-Dorf
Abbas hat noch was vor, das spürt man. Er grinst ständig, sagt aber nichts. Durch den dicksten Moder und Matsch bringt er uns schließlich in die Nähe eines Massai-Dorfes. Dort kann man aber nicht einfach so rein und gucken, fotografieren schon gar nicht. Das geht nur gegen Cash und dafür muss Abbas mit einem Abgesandten erst den Preis aushandeln: für die Besichtigung des Dorfes und für die Erlaubnis zu fotografieren. Die Massai „langen ganz schön hin“, aber – wann hat man noch mal die Gelegenheit, hierher zu kommen und in einem Massaidorf zu fotografieren. und im Ernst, im Vergleich zu den Gesamtkosten der Reise ist’s ein „Nasenwasser“. Trotz der enormen Preises stimmen wir zu. Dann ist alles klar…
„Ich hoffe, es geht euren Rindern gut“, begrüßt uns der Massai. „Wie? Was? Wir haben doch gar keine Rinder.“ Im ersten Moment sind wir etwas überrascht. Aber so, wie wir in Bayern vielleicht „Grüß Gott“ sagen, obgleich niemand ernsthaft glaubt, in nächster Zeit Gott persönlich zu treffen, so grüßt der Massai eben mit „Ich hoffe, es geht deinen Rindern gut“. Die ganz alltägliche Begrüßung also. Doch wenn wir in Bayern „Gott“ in unserer Grußformel haben und die Massai „Rinder“, dann müssen diese für sie sicher eine ganz besondere Bedeutung haben. Und dem ist auch so.
Die Massai sind felsenfest davon überzeugt, dass ihnen Enkay, das ist deren Gott, vor Urzeiten die Oberaufsicht über alle Rinder gegeben habe. Dementsprechend ist es nur logisch, dass die Massai auch heute noch der Überzeugung sind, alle andern, auch die Besitzer der riesigen Rinderherden in den USA beispielsweise, seien Diebe, Diebe, die ihnen das Gottesgeschenk „Rinder“ weggenommen haben. Aus dieser Einstellung heraus kann auch kein Massai verstehen, warum es Gesetze gibt, die ihnen das „Zurückholen“ ihrer Rinder verbietet.
Klar, dass Rinder für Massai das Wichtigste sind, was es überhaupt gibt. Mit ihren Rindern sind Massai ein Leben lang verbunden. Sie sind ihre wichtigste Lebensgrundlage – Tag für Tag.
Aber essen würde ein Massai sein Rind nie. Der Massai isst auch sonst kein Fleisch, weder Gnu noch Antilope noch sonst was. Sein tierisches Eiweiß erhält der Massai aus einem Getränk namens „Saroy“. Ein „Shake“ aus Kuhmilch vermischt mit Rinderblut. Um an das Blut zu gelangen wird den Rindern der Hals aufgeschlitzt. Das Blut rinnt in eine Schale, wo es mit Milch zu „Saroy“ verrührt wird. Hat man genug Blut „getankt“, wird die Blutung mittels Kräutern und sonstiger Zutaten, die ich nicht kenne, gestillt. Das ganze kommt mir schon etwas archaisch und tierquälerisch vor, aber zumindest werden die Rinder bei dieser Methode nicht getötet. Ob die Tiere dieses Prozedere so mögen, ich weiß es nicht. (Später erfahre ich von Abbas aber, dass Massai sehr wohl Ziegen essen.)
Wenn er kein Fleisch isst, so wie behauptet wird, dann isst er eben Gemüse, Kartoffeln, Früchte usw. Aber weit gefehlt! Auch Ackerbau mag der Massai nicht. Ackerbau ist „dreckig“. Aber nicht im Sinne von „sich dreckig machen“, sondern im Sinne von „sich schuldig fühlen“. Deshalb „verletzt“ der Massai auch niemals die Erde. Selbst dann nicht, wenn es mal darum geht, Verstorbene zu bestatten.
In diesem Fall wird der Todgeweihte, sollte „Vater Hein“ tatsächlich mal bei ihm anklopfen, einfach „in die Wüste“ geschickt, d.h. Wüste gibt’s im Lebensraum der Massai natürlich nicht, dann eben Savanne! Dort besiegeln wilde Tiere das irdische Leben des ehemals stolzen Kriegers. Wenn ich das mit der Erde so überlege, wäre das eine gute Ausrede, wenn meine Frau mich mal zur Gartenarbeit auffordert. „Ich fühl mich schuldig“. Wenn ich mir die Massai-Männer aber so richtig betrachte, habe ich eher das Gefühl, dass sie rechte Machos sind, die die Arbeit sicher nicht erfunden haben. Meine Vermutung wird erhärtet, als wir auf dem Weg zum Dorf ein paar junge Massai treffen, die im Schatten eines Baumes sitzen und eifrig mit einer Art Brettspiel beschäftigt sind, derweil die Frauen Esel hüten.
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Dann wird uns das Dorf gezeigt. Eigentlich gibt es ja zwei Arten von Massai-Dörfern, das „enkang“ und das „manyatta“. Wir gehen jetzt aber erst mal ins enkang, quasi ins Familiendorf.
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