Erleben und Staunen – Spielemesse Stuttgart – Der Modellbahn-Teil
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Messe Stuttgart
Eine knappe halbe Stunde später steigen wir aus und fahren mit der Rolltreppe nach oben. Als ich mich umschaue, wundere ich mich, dass wir uns mitten im Stuttgarter Flughafen befinden. „Manfred-Rommel-Flughafen“ steht da. Ich war zwar 2010 schon einmal auf der N-Bahn-Convention, damals mit dem Auto, aber von einem Flughafen hatte ich nichts mitbekommen. Insofern bin ich sehr überrascht, dass Flughafen und Messebereich auf einem Gelände beherbergt sind. Das war mir nicht bewusst.
Aber auf der Ausstellung sind wir noch lange nicht. Bis zu den Messehallen sind es noch mal rund 500 Meter. Wo man momentan ist, bekommt man wegen der hohen Bauzäune gar nicht mit. Wir folgen einfach nur den Menschenmassen und den Wegweisern.
Nach acht Minuten sind wir dann endlich durch das Labyrinth der Bauzäune hindurch und vorm Messeeingang. Vor uns leiert ein Drehorgelspieler – eine Hand am Handy – viel zu schnell „Samba de Janeiro“ runter!
Wir gehen rein, kaufen uns an einem Automaten unsere Karten und verabreden, uns – falls wir uns drinnen irgendwo verlieren sollten – um 18:00 Uhr hier beim LEGO®-Mann wieder zu treffen. Dass wir uns verlieren, ist wahrscheinlich, denn Susanne interessiert sich für andere Dinge als ich mit meinen Modelleisenbahnen.
Halle 1
Trotzdem gehen wir zunächst mal zusammen rechts in Halle 1, wo im Rahmen der Spielemesse u. a. die ENSC, die European N Scale Convention stattfindet, ein vom N-Club International veranstaltetes europaweites Meeting.
Viele der Aussteller und Modellbahner hier sind im International N-Gauge Association Network vernetzt, das sich der Förderung des Modelleisenbahnbaus im N-Maßstab widmet – was auch immer das heißen mag. Die Mitglieder kommen aus Belgien, Deutschland, Finnland, Italien, der Schweiz und aus Spanien.
Es sind aber auch Freunde und Gäste aus Frankreich da, aus Großbritannien, von den Niederlanden, aus Österreich und aus Portugal. Die weiteste Anreise hatten Modellbahner aus Kanada und Japan.
Das Schöne an der N Scale Convention ist, dass sich hier auf der ganzen Welt agierende Modellbahner auch mal persönlich treffen können. Oft geht der Austausch dann weit über das Hobby hinaus. Gegenseitige Verständnis und die Wertschätzung der unterschiedlicher Kulturen untereinander kann man in der heutigen Zeit nicht hoch genug achten.
Technik für Kinder
Wir sind jetzt zwar in Halle 1, doch von Eisenbahnen ist erst Mal nicht viel zu sehen.
Vielmehr sieht man Stände, die insbesondere Kindergarten- und Grundschulkinder, aber auch ältere Technik-Begeisterte anlocken sollen.
Hier können Kinder unter Anleitung Schlüsselanhänger oder Dosenlichter basteln, unter dem Mikroskop Pflanzen und Einzeller bestimmen oder beim Becher-Stapeln ihr Gehirn trainieren. Für die größeren gibt es Infos zu 3D-Druckern, Lasercuttern oder -gravierern, 3D-Scannern, Tiefziehmaschinen, virtual Reality und alles, was momentan technisch eben so in ist.
Damit man auch was mit nach Hause nehmen kann, kann man sägen, hämmern, bauen und designen und aus Holz, Metall oder Papier kleine Werkstücke basteln. Highlight ist aus meiner Sicht ein Stand, wo man irgendwas mit LED zusammenlöten kann, das – an eine Batterie angeschlossen – hernach auch blinkt.
Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels setzt man offenbar alles daran, junge Menschen für Technik-Berufe zu begeistern. Es gab jede Menge Betätigungsmöglichkeiten und die wurden, so wie wir es gesehen haben, auch sehr gut genutzt.
Nicht umsonst ist heute und morgen sogenannter „Schul-Tag“, bei dem Kindergartengruppen, Schulklassen und deren Betreuer und Betreuerinnen kostenfrei auf die Messe können und für sämtliche Lern-Workshops und auch alle anderen Mitmachaktionen nichts bezahlen müssen. Trotzdem war es nicht allzu voll. Der Haupt-Ansturm kommt wahrscheinlich am Wochenende.
An sich ist das ja alles okay, ich bin aber eher wegen der Eisenbahnen da.
Ein paar Meter weiter kommen sie dann auch, allerdings noch nicht in N. Der Modelleisenbahnclub Esslingen hat eine einfache Spur-I-Spielebahn aufgebaut, wo Kinder an den Reglern drehen dürfen
Am riesigen Bereich E-Sport vorbei geht’s dann nach links. E-Sport hat aber nichts mit körperlichen Aktivitäten oder Wettkämpfen zu tun, sondern bezeichnet den organisierten Wettbewerb mit Videospielen. Nichts für mich.
Die eigentliche N-Bahn-Convention
Module
Dann geht’s rechts rein durchs „Tor zur Spur N-Welt“. Das „Tor“ besteht aus zwei 2,50 m hohen doppelgleisigen Wendeln mit rund 1,5 m Durchmesser. In ihnen schrauben sich die Züge hoch und gelangen dann auf einer Brücke über den Köpfen der Besucher hinwegfahrend auf die andere Seite, wo sie in der zweiten Wendel wieder herunterfahren.
Rechts, ein paar Meter hinter dem Tor entdeckt Susanne die in der Schweiz spielende Anlage von Jörg Löffler. Wir gehen schnurstracks drauf zu, denn genau diese Anlage haben wir vor zwei Wochen bei einem lokalen Modellbahntreffen in der kleinen bayerischen Gemeinde Eresing schon mal gesehen. Das war ein Hallo!
Löfflers Anlage sticht aus allen anderen heraus. Bei ihm steht deutlich erkennbar die Szenengestaltung und die stimmige Komposition der Landschaft mit naturnahen Farben im Vordergrund.
Bei mir ist das genauso. Eine Anlage muss Gefühle wecken – sei es der Nostalgie wegen oder wegen der Faszination für die technischen Meisterwerke vergangener Zeiten.
Diese Gefühle habe ich nicht, wenn ich die hier ausgestellten Modulanlagen betrachte. Diese beschränken sich meiner Meinung nach im Wesentlichen auf das Zusammensetzen von Gleisen und das Fahrenlassen von Zügen. Dazu kommt sicher auch noch, dass ich kein Teamplayer bin. Ich möchte – so wie Frey, mit dem ich mich weiß Gott nicht vergleichen will – der alleinige Schöpfer meiner Anlage sein und irgendwie die Realität nachbilden. Wenn man das im Hinterkopf hat, wirken Szenen wie „Jurassic Park“ auf Modellbahnen nur lächerlich.
Vielleicht ist das alles auch der Grund dafür, dass ich bis jetzt noch kaum etwas fotografiert habe und dass Susanne sich jetzt auch „abseilt“, weil sie wohl etwas anderes sehen will.
Einige wenige Szenen der N-Bahn-Convention sprechen aber auch mich an, wie beispielsweise der „Stierkampf“ oder die Nachbildung von „Stonehenge“.
Die Anlage der KüsteNbahner kann auch überzeugen.
Was mir – bei aller Kritik – auch sehr gut gefallen hat, war die Patchwork-Anlage aus handtellergroßen Modulen. Vereine aus aller Herren Länder haben sie gebastelt und zusammengesteckt. Da die Einzelteile auf standardisierten Maßen basieren, können die Züge nahtlos darüberfahren und so zwischen den Teilnehmern symbolisch – nur wegen der gemeinsamen Liebe zur Modellbahn – eine Verbindung herstellen.
Wenn ich bei Modellbahnausstellungen dann aber lese: „Beide Hände sind bis zum Anschlag in den Hosentaschen zu versenken Und gegen unbeabsichtigtes Herausrutschen zu sichern“, dann ist das für mich nicht witzig, sondern arrogant, weil den Besuchern unterschwellig unterstellt wird, sie könnten sich respektlos verhalten oder etwas beschädigen. Selbst wenn der Hinweis humorvoll gemeint ist, wirkt er auf mich eher belehrend oder sogar abwertend.
Ein Schild „Bitte schauen Sie genau hin und genießen Sie die Details – aber vermeiden Sie Berührungen.“ könnte sicher die gleiche Botschaft vermitteln, ohne dabei aber abweisend zu wirken.
Ich fühle mich auf der N-Bahn-Convention nicht so richtig wohl, weil da offenbar nur darum geht, welche (käuflichen!) Modelle sind die besten und wer hat den größten Geldbeutel.
Händler
Nachdem ich nun alle Module gesehen habe, möchte ich auch noch einkaufen gehen.
Zum Weiterarbeiten an meiner Anlage zu Hause brauche ich nämlich noch unbedingt Ersatzklingen für meine JLC Resin-Säge und Woodland Scenics Streumaterial in den Variationen Fine Turf und Coarse Turf. Beides habe ich mir 2018 auf der Messe in Friedrichshafen gekauft.
Auch hier in Stuttgart sind, wie damals in Friedrichshafen, genügend Händler da, aber praktisches Zubehör wie Streumaterial oder Werkzeug suche ich vergeblich.
Ich hab’s mir vorher schon bei den Modulen gedacht: Hier bewegt sich ein ganz anderes Klientel als in Friedrichshafen. Hier liegt der Fokus wohl eher auf internationalem Austausch und Fahrbetrieb mit detailgetreuen, käuflichen Fahrzeugen, die mit korrekter Beschriftungen, Beleuchtung, digitaler DCC-Steuerung und Sound glänzen. Landschaftsgestaltung oder Figuren spielen hier eine untergeordnete Rolle. Das zeigt sich auch beim Händler-Angebot. In den Vitrinen findet man überwiegend Fahrzeuge aus Italien, Frankreich und Spanien sowie kostspielige Modelle und luxuriöse Sammlerstücke, wie sie etwa von Jägerndörfer oder Schwinghammer Finescale München angeboten werden.
Ein Gebrauchtwarenhändler ist auch da, aber auch da finde ich nichts.
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