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Samstag, 5.9.2015

Im Lande Winnetous


Bis zur Maslenica-Brücke und auch später fahre ich wieder den gleichen Weg, den ich gekommen bin, also D 54 Richtung Gračac und Obrovac. Hab gar nicht gewusst, dass ich heute früh bereits am Pueblo Plateau oder an irgend etwas Ähnlichem vorbeigekommen sein soll und dass das „Winnetou-Land“ so nahe ist. Aber jetzt weiß ich´s ja und jetzt pass ich ein bisschen besser auf. Also, wenn man von Maslenica aus die D 54 entlang fährt, sieht man irgendwann mal rechts Telegrafenmasten stehen. Die Masten sind numeriert und zählen von 99 runter. 99, 98, 97, … Bei 91 bin ich jetzt, der 90er ist ein A-förmiger Mast. Zwischen Mast 87 und Mast 86 soll dann rechts ein Weg abgehen. Ich reduziere meine Geschwindigkeit und seh etwa 2 km hinter Jasenice auch tatsächlich so etwas wie einen Weg. Obwohl, „Weg“ kann man das wohl nicht ne-nen. Außerdem ist am Straßenrand der D 54 eine durchgezogene weiße Linie, wo man eigentlich gar nicht drüber dürfte. Ich ignorier das einfach und fahr drüber. Ein Schild „Parizevacka glavica“ sagt mir, dass ich wohl richtig bin auf dem Weg zum „Pueblo Vinetu Pariževač puebloka“.

Da vorne, zwischen Mast 87 und 86

Parizevacka glavica

Doch den Weg dorthin Weg zum Pueblo Plateau hat Manitu mir einer nicht gerade einfachen Prüfung versehen. Der Wolkenbruch von heute früh (Maslenica ist gerade mal 8 km entfernt) hat nämlich auch hier seine Spuren hinterlassen. Ein Amphibienfahrzeug oder zumindest ein Allrad wären jetzt nicht schlecht. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Das Auto irgendwo abstellen und dann zu Fuß gehen kann man hier auch schlecht.

Der Weg zum Pueblo Plateau

Vorsichtig taste ich mich mit dem Auto also durch die braune Brühe. Bisher sieht alles ganz gut aus. Blöd nur, wenn irgendwo da unten ein Loch ist, das man von oben nicht sieht.

Durch´s Wasser

Durch´s Wasser

Pueblo Plateau


Nach etwa 800 m muss ich das Auto dann aber doch abstellen. Hier kann man‘s dann auch. Zum Pueblo Plateau bei 44.222802, 15.614004 sind´s dann noch etwa 200 m zu Fuß. Das ist für mich okay, denn ein Auto an diesem „heiligen“ Ort würde wohl die ganze Stimmung zunichte machen.

Ich weiß nicht was Filmarchitekt Vladimir Tadej 1962 veranlasste, ausgerechnet die Hochebene zwischen Maslenica und Obrovac als Kulisse für die Winnetou-Filme auszuwählen. Ein paar Plastik-Kakteen reichten und schon war man in Arizona.

Ein Jahr später (1963) entstand unter der Regie von Harald Reinl genau hier der Film „Winnetou I“. Der sich in der Schlucht windende Fluss Zrmanja hieß im Film Rio Pecos. Auf dem Plateau Parizevacka glavica plazierte Vladimir Tadej seinerzeit das Apatschen-Pueblo. Das Untergestell des Pueblos war aus Holz. Die Fassade hat man mittels Ton, Schlamm und Steinen aber derart bearbeitet, dass das Pueblo (zumindest im Film) wie echt aussah. Die der Kamera zugewandte Seite war zusätzlich reich mit Reliefs versehen.

Anschlagtafel am Parizevacka glavica

Parizevacka glavica

Genau hier, wo ich heute den Bedröppelten mache, standen seinerzeit Sam Hawkens (Ralf Wolter), Dick Stone (Demeter Bitenc) und Will Parker am Marterpfahl, während unten im Rio Pecos Old Shatterhand (Lex Barker) und Winnetous Vater Intschutschuna (Mavid Popović) bei einem Kanu-Wettkampf nicht nur um ihr eigenes Leben kämpften, sondern auch um das der Gefährten oben am Marterpfahl. Und warum das Ganze? Weil Winnetou einfach nicht glauben wollte, dass Old Shatterhand ihn zuvor aus den Klauen der Kiowas befreit hat.

Anmerkung: Dass „Old Shatterhand“ eigentlich Karl May heißt, weiß kaum einer. Dies kann man aber im Karl May-Roman „Weihnacht“ nachlesen. Wie kam nun May zu dem berühmten Namen? Das kam so: In „Winnetou I“ wollte ein gutes Dutzend Ganoven dem Bauunternehmer Bancroft ans Leder. May hat sie einfach mit seinem gefürchteten „Schmetterschlag“ (wer träumt nicht davon?) niedergestreckt und somit Bancroft gerettet. Sam Hawkens, der das alles beobachtete, gab May daraufhin den Namen „Old Shatterhand“.

Der Fluss Zrmanja hieß im Film Rio Pecos

Für „Winnetou III“ (1965) wurde der gleichen Stelle noch einmal ein Pueblo aufgebaut, das dem aus „Winnetou I“ sehr ähnlich sah. Der Zrmanja war wieder der Rio Pecos. Dieses Mal mussten sich hier die Banditen auf Flößen durch eine Wand aus Feuer und Qualm schlagen.

14 Tage nach Drehschluss von „Winnetou III“ war der Apatschenhäuptling schon wieder von den Toten auferstanden und spielte unter der Regie von Alfred Vohrer gemeinsam mit Old Surehand (Steward Granger) in „Old Surehand“. Außerdem entstand hier am Pueblo Plateau die berühmte Folterszene aus „Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten“. Das Landschaftsbild rund um den Zrmanja ist auch in „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“ zu sehen.

Kein Wunder also, dass hier am Pueblo-Plateau die Gefühle voll mit mir baden gegangen sind (aber nicht wegen des überschwemmten Zufahrtswegs!) Ich brauch mich deswegen nicht zu schämen, denn wenn dir hier, wo du mit den Helden deiner Kindheit mitgebibbert hast, keine Tränen in die Augen kommen, dann warst du als Kind kein richtiger Winnetou-Fan.

Ich erinnere mich noch genau an Sam Hawkens, der am Marterpfahl stehend Intschutschunas Worte übersetzte „Wir wissen nicht ob diese Männer – damit meint er uns – schuldig sind. Wir glauben es, aber wir wissen es nicht.“

Eine ganze Zeit lang lasse ich die Atmosphäre auf mich wirken. Dann mache ich mich auf den Rückweg. Beim Auto treff ich ein paar Leute, die mir erzählen, dass es in Strarigrad in der Nähe des Alan-Hotels ein Winnetou-Museum geben soll. Ob sich das lohnt?


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