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Tagesfährtle in den Märzenbecherwald – Teil 5

Modelleisenbahn Miniaturland Treuchtlingen


Viertel vier. 15 Kilometer weiter südlich soll es, wie ich in Google Maps gesehen habe, eine aus Funk und Fernsehen bekannte Modelleisenbahn-Dauerausstellung geben, nämlich das von Bernhard Fackler betriebene Modelleisenbahn Miniaturland Treuchtlingen. Also so bekannt, wie beschrieben, kann die wohl nicht sein, denn obwohl ich seit fast 50 Jahren selbst Modellbahn baue, habe ich davon noch nie was gehört. Aber vielleicht lohnt sich ja ein Besuch. Schließlich liegt Treuchtlingen direkt an der Strecke nach Hause. Vor der Fabrikhalle in der Elkan-Naumburg Straße, wo die Ausstellung sein soll, ist von den vier Parkplätzen gerade noch einer frei.

Wir stellen den Panda ab und gehen rein. Leider ist die Kasse nicht besetzt. Trotz lautem Sprechen und „Hallo-Rufen“ werden wir nicht wahrgenommen. Dann eben nicht. Wir drücken die Tür zur Fabrikhalle auf und kommen in ein spärlich beleuchtetes Modellbahn-Depot. Einige der Neonleuchten an der Decke funzeln, der Rest ist im Halbdunkel. Es riecht nach Staub, altem Holz und Metall. Der Boden hat schon lange keinen Besen mehr gesehen. Überall liegt irgendwas herum, Kabel, Kartons und anderer Kram. In der Mitte der Halle steht ein kleiner Tisch mit einer Kinder-Spielanlage, ganz offensichtlich konzipiert für die jungen Besucher, die so an den Modellbahnbau herangeführt werden sollen.

Die Hälfte des Raums nimmt eine riesige, 250 m² große Märklin-Eisenbahn  ein, auf der auch etliche Züge fahren. Doch bevor wir uns diese ansehen können, kommt ein Mann auf uns zu und nimmt mir die bereits abgezählten, handwarmen 16 € (Eintritt für zwei Erwachsene) ab.

Modelle aus dem Märklin-Baukasten


Rechts stehen etliche Lokomotiv- und Kraftfahrzeug-Modelle, die aus Märklin-Modellbaukasten-Teilen zusammengesetzt wurden.

In den 1960er-Jahren waren Märklin-Metallbaukästen der Traum vieler Jungen. Wer einen besaß, hatte etwas Besonderes, war stolz darauf und verbrachte etliche Stunden damit, zu tüfteln, zu schrauben und immer neue Konstruktionen zu erfinden. So ein Märklin-Metallbaukasten, das waren nicht nur grüne Metallstreben, rote Lochplatten, blaue Räder, Zahnräder, Achsen, Schrauben und Muttern zum Spielen, nein, das war der Einstieg in die Welt der Technik. Für uns Jungen war es das erste Mal, dass wir mit echten Werkzeugen arbeiteten, mit Mechanik experimentierten und verstanden, wie Dinge funktionierten. Man hätte, wenn man nur genügend Teile gehabt hätte, sicher auch solche Modelle bauen können, Doch weil die Kästen teuer waren, blieb es für viele nur ein Wunschtraum – einer, den man sich vielleicht mit viel Glück zu Weihnachten oder zum Geburtstag erfüllen konnte.

Der Grundkasten 101 kostete seinerzeit fast 100 DM und enthielt – Schrauben und Muttern mit eingerechnet – aber leider nur 102 Teile, sodass man höchstens einen kleinen Schlepper bauen konnte und hoffte, nächstes Weihnachten ein Ergänzungs-Set zu bekommen. Bei durchschnittlich drei Mark Stundenlohn mussten Papa, Mama, Opa, Oma, Onkel, Tante und sogar das Christkind ganz schön zusammenlegen und dann hatte man als Kind unterm Baum nur ein einziges Päckchen.

Wenn ich die Lokomotiv- und Automodell hier in Treuchtlingen ansehe, frage ich mich, wie viele Monatslöhne da an nur einem einzigen Modell verbaut wurden.

Die große Schau-Anlage


Wenden wir uns der großen Modellbahnanlage zu. Sie nimmt mit ihren 250 m² fast die halbe Halle ein und bietet auf den ersten Blick eine beeindruckende Szenerie. Mehrere Bahnhöfe, ein gewaltiges Bergmassiv mit Seilbahnen, idyllische Weinberge, Bauernhöfe, Gärtnereien, Steinbrüche und sogar ein Kohlebergwerk sind dargestellt. Außerdem bieten Straßen mit fahrenden Autos und ein bunter Rummelplatz eine große Vielfalt an Szenen. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken, was vor allem die Kinder hier begeistert.

Die Anlage ist voller Leben: Laut Flyer sind auf 2½ Kilometern Gleisen rund ein Dutzend vorbildgerecht lange Züge unterwegs. Die Fahrstrecken ziehen sich durch die gesamte Modellbahnanlage und die Radien sind so großzügig bemessen, dass die Züge stets ein geschlossenes Zugbild ergeben.

Überall tut sich etwas! In der Mitte der Anlage löscht die Feuerwehr ein brennendes Haus, dort sägt ein Holzfäller unter lautem Lärm einer Motorsäge einen Baum um. Im Tanzcafé drehen sich die Paare zur Musik, während Strafgefangene ihren Hofgang absolvieren. Auf dem Friedhof der Klosterkirche findet eine Beerdigung statt, während auf dem Festplatz zahlreiche bewegliche Fahrgeschäfte für Unterhaltung sorgen.

Besonders positiv fällt auf, dass es an der Anlage Aktions-Knöpfchen gibt, die irgendeinen Effekt auslösen – Blitzeinschlag, Glockenläuten, Baumfällarbeiten, Pendelzugverkehr und vieles mehr. Das ist besonders für Kinder eine Mordsgaudi.

Im ersten Moment wirkt all das beeindruckend. Doch beim genaueren Hinsehen kommt man schon ins Grübeln. Schiere Größe allein macht eben noch keine gute Modellbahnanlage aus. Vielmehr leidet die Gesamtwirkung unter einem Mangel an Detailverliebtheit und realistischer Ausgestaltung. Besonders auffällig ist das Fehlen von eingeschotterten Gleisen, wodurch der Eindruck einer unfertigen oder lieblos umgesetzten Anlage entsteht. Auch die Gebäude wirken oft deplatziert, da sie ohne erkennbare Bodenanpassung einfach auf flache Holzplatten „draufgeklatscht“ wurden.

Ich habe irgendwie den Eindruck, hier wollte jemand mit „Das hab ich auch noch“ völlig unmotiviert die ganze Vielfalt des Modellbahnmarktes auf einer einzigen Anlage unterbringen – ohne Rücksicht auf Epoche, Maßstab oder geografische Logik. Da stehen moderne ICEs neben Dampfloks, Schweizer Triebwagen fahren durch bayerische Dörfer, und Straßenbahnen schlängeln sich durch Industriegebiete. Alles ist vorhanden, aber ohne erkennbares Konzept.

Was mir als Modellbahner besonders auffällt: Wenn man schon keine Oberleitung hat, warum muss man dann noch mit E-Loks „abgebügelt“ fahren? Warum belässt man es nicht bei Dampf und Diesel? Ich hab den Eindruck, alles muss wohl irgendwie vorhanden sein, aber es fehlt einfach ein erkennbares Konzept. Ein weiteres fragwürdiges Detail ist ein Tiertransportzug. Da stehen Elefanten, Giraffen und andere Tiere ungesichert (im Modell natürlich angeklebt) auf Flachwagen –  eine skurrile, wenn auch unfreiwillig komische Szene, die eher an eine Karikatur als an eine realitätsnahe Modellbahnwelt erinnert. Am Flughafen wird es nicht besser: Dort stehen Verkehrsflugzeuge, die kaum länger sind als ein D-Zug-Wagen. Da fragt man sich schon, wie ernst es der Erbauer mit Maßstäben und Realität genommen hat.

Zu allem Überfluss ist die Anlage leider sehr eingestaubt, was nicht nur die optische Wirkung beeinträchtigt, sondern auch den Spielspaß gewaltig trübt. Gepaart mit der schlechten Beleuchtung bekommt man irgendwie den Eindruck als wolle man die vorhandenen Mängel bewusst kaschieren. Es ist offensichtlich, dass hier schon länger keine Pflege mehr stattgefunden hat. An die acht Euro Eintritt (in der weltbesten Modellbahnanlage im Miniatur Wunderland in Hamburg zahlt man 20!) darf ich gar nicht denken.

Weitere Anlagen


Links von der großen Anlage stehen als „Dauerleihgaben von Privatsammlern“ fünf bis acht kleinere Anlagen, allesamt verstaubt und in einem erbärmlichen Zustand – ein  „Müllentsorgungsplatz“ für ehemals stolze Modellbahnen, die heute keiner mehr haben will. Mir blutet das Herz.

Kritik


Wie schon gesagt: Die Treuchtlinger Anlage ist sicher etwas für Kinder, die irgendwelche Züge fahren sehen wollen, und sich um Details nicht kümmern. Für Modellbahner, die Wert auf realistische Darstellungen und Qualität legen, ist die Anlage jedoch enttäuschend. Wenn ich da nur an die jährliche, nichtkommerzielle Ausstellung in Eresing denke. Kein Vergleich.

Insgesamt bleibt die Modellbahnanlage in Treuchtlingen trotz ihrer beeindruckenden Größe und der kinderfreundlichen Bedienung – nicht nur wegen der Staubbelastung, der schlechten Beleuchtung und den unpassenden Maßstäben also weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Sie mag durch ihre Größe und thematische Vielfalt beeindrucken, doch es fehlt an Feinschliff und authentischer Gestaltung, die eine wirklich überzeugende Modellbahn ausmacht. Mit mehr Liebe zum Detail, realistischeren Landschaftsgestaltungen und einer besseren Integration der Gebäude könnte die Anlage weit mehr Atmosphäre und Glaubwürdigkeit gewinnen.

So bleiben wir auch nur eine knappe halbe Stunde und fahren dann die 1½ Stunden zurück nach Hause.

Fazit des Fährtles


Um kurz vor sechs sind wir nach einem insgesamt 250-Kilometer-Fährtle wieder zu Hause – früh genug, um die Tour noch den ganzen Abend nachklingen zu lassen. Wir denken gerne an die schönen Momente zurück: den Märzenbecherwald, den köstlichen Döner, den Schlosspark in Ellingen und die gemütliche Atmosphäre im Café. Sogar die Modellbahnausstellung, mit all ihren Eigenheiten, bleibt uns in Erinnerung. Es war ein Tag voller Natur, Genuss und kleinen Abenteuern. Einfach herausragend!

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