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Montag, 16. Mai 2016 – Stadtrundgang in Leipzig

Goethe und Faust


Das Frühstück war genauso hervorragend wie gestern, allerdings waren heute die Aufpass-Damen (wohl Lehrlinge im ersten Jahr) dermaßen „aufdringlich zurückhaltend“, dass es richtig genervt hat. Wir packen unsere sieben Sachen, checken out und sind schon kurz vor 8:30 Uhr in der Tiefgarage in der Innenstadt von Leipzig.

Am Rathaus bereiten Fernsehteams eine Aufzeichnung vor, die anlässlich des 25. Gothic-Treffens in Leipzig stattfindet.

Fernsehaufnahmen vorm Rathaus Leipzig

Kameramann

Die Cafés sind noch leer. Unser Stadtrundgang beginnt an der Thomaskirche, führt uns auf der Suche nach Auerbachs Keller am Petershof vorbei und durch verschiedene Ladenpassagen.

Die Cafés sind noch leer

Thomaskirche

Mädlerpassage

Mädlerpassage

Dann haben wir ihn in den Mädlerpassagen endlich gefunden. An der Wand eine Inschrift: „Wer nach Leipzig zur Messe gereist, ohne auf Auerbachs Hof zu gehen, der schweige still, denn das beweist: er hat Leipzig nicht gesehen.“

Verzauberte Studenten

Mephisto und Faust

Fast jeder, der Auerbachs Keller besucht hat, hat dieses Doppelstandbild aus den Bildnissen „verzauberte Studenten“ und „Mephisto und Faust“ gesehen oder fotografiert, aber kaum einer weiß, wer diese Statuen geschaffen hat. Es war ein gewisser Mathieu Molitor, den eigentlich kaum jemand kennt, der aber wenigstens bei mir hier zu Ehren kommen soll. Etwas anderes möchte ich noch erwähnen: Fausts linker Fuß im Standbild „Mephisto und Faust“ glänzt im Gegensatz zu der ansich stahlgrauen Figur auffallend golden. Da müssen schon tausende oder gar Millionen dran gerieben haben. Es soll angeblich Glück bringen, wenn man Faust über den Fuß streicht. Nun ja, wer‘s braucht.

Postkarten – Für Freunde zu Hause ein Muss

Goethe-Denkmal am Naschmarkt

Unweit von Auerbachs Keller, auf dem Naschmarkt, praktisch auf der Rückseite des Rathauses finden wir endlich einen Briefkasten, wo wir – total altmodisch – beobachtet vom „jungen“ Goethe unsere Ansichtskarten von Leipzig einwerfen können. Interessant dabei ist, dass Goethe zwar Richtung Universität blickt, seinen Schritt aber Richtung Auerbachs Keller lenkt. Das Denkmal ist relativ spät entstanden und wurde am 28. Juni 1903 eingeweiht.

Das moderne Leipzig


Wir gehen die Grimmaische Straße weiter bis zum Augustusplatz. Kurz vorher steht die Skulptur mit der Inschrift „selbstverständlich darf man einem Prinzip ein Leben opfern – doch nur das eigene.“ R. H. Es geht um die Skulptur „Unzeitgemäße Zeitgenossen“ von Bernd Göbel. Was diese Skulptur ausdrücken soll und was die Initialen R. H. bedeuten, darüber kann man nur spekulieren. Manche sagen, dass das Zitat Rolf Hochhuth zugeschrieben wird. Ich kann es weder bestätigen noch dementieren.

Inschrift an der Skulptur

Skulptur „Unzeitgemäße Zeitgenossen“

Geht man am Augustusplatz rechts, sieht man rechts gleich die moderne neu erbaute Paulinerkirche (offiziell: Universitätskirche Sankt Pauli) mit der auffallend blauen Fassade. Die alte, 1240 geweihte Kirche, wurde – nachdem Sie auch den Zweiten Weltkrieg unbeschädigt überstanden hatte – 1968 auf Betreiben der Universität Leipzig und nach Beschluss der von der SED geführten Stadtverwaltung gesprengt. Die Sprengung erfolgte am 30. Mai 1968 9:58 Uhr am Vormittag. Sie war quasi Opfer der sozialistischen Umgestaltung der Universität.

Universitätskirche St. Pauli

Panorama-Tower

Gleich links dahinter steht der 142 m hohe Panorama-Tower, der in der 31. Etage in 120 m Höhe eine Aussichtsplattform hat. Man kann zwar hinein, aber mit meiner Höhenangst ist das nichts. Aber auch wenn man drunter steht, ist es beeindruckend. So ähnlich stelle ich mir Perspektiven in New York vor.

Moritz-Bastei, Gewandhaus, Oper


Geht man ein paar Meter weiter, kommt man zur Moritz-Bastei.

Lokal in der Moritz-Bastei

Denkmal bei der Moritz-Bastei

Die Moritz-Bastei ist das einzige, was von der im 16. Jahrhundert errichteten Stadtbefestigung von Leipzig noch erhalten ist. Von 1979 bis 1993 betrieb die Universität Leipzig hier ihren Studentenclub. Danach wurde die Moritz-Bastei eines der großen Kulturzentren Sachsens, das es heute immer noch ist.

Geht man zurück zum Augustusplatz, läuft man direkt auf die Oper zu. Auch direkt geradeaus laufen kann man gar nicht, überall gibt‘s was zu sehen. Dreht man sich um und schaut zurück, erblickt man wieder was: den Mendebrunnen und das Gewandhaus. Im Hintergrund ist der größte und schönste Brunnen Leipzigs zu sehen, benannt nach Marianne Pauli Mende. Mende soll angeblich zu Lebzeiten ein Bordell betrieben haben. Egon Erwin Kisch vermutete, dass Mende testamentarisch verfügt haben soll, 150.000 DM zum Bau des Brunnens bereitzustellen, weil sie dadurch möglicherweise ihr frevelhaftes irdisches Tun gesühnt sah.

Leipziger Oper

Mendebrunnen und Gewandhaus

So zwischen Oper und Gewandhaus wird mir erstmal klar, dass das ja zwei völlig verschiedene Gebäude sind. Das Gewandhaus ist nämlich „lediglich“ das Konzertgebäude des Gewandhausorchesters, eines Sinfonieorchesters mit Sitz in Leipzig. Ganz rechts im Bild sieht man noch die Fassade des Panorama-Towers ins Bild ragen.

Nikolaikirche


Was soll jetzt das Faustzitat „Verweile doch! Du bist so schön!“ in meinem Hinterkopf? Egal! Wir haben keine Zeit zum Verweilen. Wir gehen die paar Schritte Richtung Oper, dann links in die Grimmaische Straße, von wo wir gekommen sind, dann aber die zweite rechts. Hier stehen wir direkt vor der Nikolaikirche oder soll ich besser sagen unter der Nikolaikirche? Das Gässchen davor ist so schmal, dass man fast senkrecht in den Himmel blicken muss. Dabei bin ich jetzt erst am Anfang des „Nikolaistraße“ genannten Gässchen. Geht man nur bisschen weiter hinein, kippt man beim Fotografieren fast hintenüber.

Nikolaikirche

Fassade der Nikolaikirche

Apropos „Kippen“ – die Nikolaikirche, oder besser gesagt die von dort ausgehende Bewegung, war letztendlich ausschlaggebend, dass die DDR „gekippt“ ist. Von November 1982 an fanden an jedem Montag die so genannten „Friedensgebete“ statt. Anfangs war die Beteiligung gar nicht so groß, aber aufgrund der verstärkten gesellschaftlichen Debatte stieg die Besucherzahl sechs Jahre später exponentiell an. Die Friedensgebete wurden mehr und mehr zur politischen Angelegenheit. Alle Versuche des Staates, Einfluss zu nehmen, führten dazu, dass nun – im Anschluss an die Kirche – auch zunehmend Aktionen vor der Kirche stattfanden. Was am 9. November 1989 geschah, ist inzwischen Geschichte. Ich denke es gibt keinen ,der,  wenn er nun an diesem Platz steht und 1989 miterlebt hat, hier nicht ergriffen ist.

Café Riquet


Bevor mich meine Gefühle nun noch vollends übermannen, gehen wir weiter ins Schuhmachergässchen, wo es ein ganz besonderes Café-Haus geben soll, dass „Riquet“. Das Besondere am „Riquethaus“ ist aber nicht der Kaffee oder Kakao, sondern der Dachaufbau, der an eine Pagode erinnert.  Ich mag jetzt nicht schon wieder hoch sehen, hab von der Nikolaikirche noch Genickstarre. Aber auch in weniger luftigen Höhen ist’s interessant, dort schmücken nämlich zwei links und rechts oberhalb des Eingangs platzierte, lebensgroße Elefantenköpfe die Fassade. Keine Angst, die sind nicht ausgestopft, sondern aus Kupferblech gefertigt.

Fassade des Riquet

Fassade des Riquet

„Wir sind das Volk“


Wir gehen den gleichen Weg wieder zurück, an der Nikolaikirche links dann gleich wieder rechts in den Nikolai-Kirchhof. Wir erinnern uns: In dieser Kirche begannen 1982 die Montagsgebete und auf diesem Platz versammelten sich die (ja man kann schon sagen) Demonstranten nach der Kirche.

Die Säule des Leipziger Künstlers Andreas Stötzner, die am 9. Oktober 1999 in Anwesenheit des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder der Öffentlichkeit übergeben wurde, erinnert an die Ereignisse im Herbst 89. Dass diese heute nun draußen steht – sie ist ein Abguss einer der klassizistischen Säulen in der Kirche selbst – soll zeigen, dass der Gedanke des Aufbruchs quasi aus der Kirche heraus in die Welt getragen wurde. Unterhalb der Säule erinnert eine in das Pflaster eingelassene Gedenktafel an das Ereignis. Die Fußabdrücke sollen daran erinnern, dass die Menschen quasi dadurch, dass sie auf dem Platz gekommen sind und hier standen, abgestimmt haben.

Nikolaikirche

Gedenktafel

Ritterstraße

Etwas weniger politisch geht es an der Ecke zur Ritterstraße zu. Hier fallen mir – der Blick ist immer noch nach unten gerichtet – die interessanten Kanaldeckel auf. Aber man kann ja nicht immer nur mit gesenktem Kopf durch die Straßen gehen, wenn oben faszinierende Fassaden grüßen.

Leipziger Kanaldeckel

Fassade in der Ritterstraße

Schwanenteich und Oper


Über die Ritterstraße gehen wir zum Park am Schwanenteich. Der liegt an der Rückseite der Leipziger Oper.

Schwanenteich

Rückseite der Leipziger Oper

Es sind zwar keine Schwäne auf dem Schwanenteich, aber die Enten, Tauben und sogar ein Reiher sind auch nicht schlecht. Unser Weg führt uns weiter Richtung Leipziger Bahnhof. In der Goethestraße kommen wir am Fernbus-Bahnhof vorbei, wo am 4. Dezember 2015, just an der Stelle, an der er 1878 bereits stand, der Eisenbahnobelisk wieder aufgestellt wurde, der anlässlich der ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden seinerzeit von Carl Gustav Aeckerlein entworfen wurde.

Vögel inmitten der Großstadt

Eisenbahnobelisk

Hauptbahnhof Leipzig


Über den Willy Brandt Platz, der eigentlich aus zwei breiten Straßen und dazwischenliegenden Straßenbahnschienen besteht, erreichen wir die Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs. Es ist 9:59 Uhr. Und dann stehen wir drin, auf dem Querbahnsteig des flächenmäßig größten Kopfbahnhofs Europas – 21 Gleise, 83.640 m² Grundfläche, Fassade-Breite zum Willy Brandt Platz hin: 298 m.

Leipziger Hauptbahnhof

Leipziger Hauptbahnhof

Überall im Bahnhof Hinweise auf das 25. Wave-Gothic-Treffen in Leipzig. Aber der Plakate hätte es gar nicht bedurft. Mehr Goths, ja, die werden wirklich so bezeichnet, als hier in Leipzig habe ich nirgendwo auf einem Haufen gesehen.

Plakate zum 25. Wave- und Gothik-Treff

Plakate zum 25. Wave- und Gothik-Treff

Langsam müssen wir uns aber beeilen, weil wir vorhaben, heute auch noch nach „Amerika“ zu fahren sowie im Gasthof Höllmühle in Chursdorf zu Mittag zu essen. Den Gasthof habe im Internet gefunden. Es soll ein idyllisch gelegenes Lokal sein mit einer urigen Gaststube, wo gutbürgerliche Hausmannskost aus eigener Schlachtung und eigener Jagd auf den Teller kommt.

Barockhäuser und Musiker


In Leipzig selbst steht noch das Romanus-Haus Ecke Brühl/Katharinenstraße und das neue Rathaus auf dem Plan. Das Romanus-Haus ist eines der Leipziger Handelshäuser. Es wurde zwischen 1701 und 1703 in der Blütezeit des Barock erbaut und trägt den Namen des damaligen Bürgermeisters Franz Conrad Romanus. In diesem Haus sollen unter anderem auch Johann Sebastian Bach und Friedrich Schiller verkehrt sein.

Romanus-Haus

Leipziger Notenspur

Vor dem Romanus-Haus fallen mir dann erstmals auch die geschwungenen Blechstreifen auf, die in das Pflaster eingelassen sind. Sie gehören zur sogenannten „Leipziger Notenspur“, welche die wichtigsten Wohn-und Wirkstätten Leipziger Komponisten miteinander verbindet. Die Leipziger Notenspur ist rund 5 km lang und kann zu Fuß erkundet werden.

Die Fernseh-Veranstaltung am Rathausplatz ist in vollem Gange und irgendwie haben wir nun keinen Bock mehr auf das Neue Rathaus, was uns nochmal etwa 1 Stunde kosten würde. Da das Parkhaus direkt nebenan liegt, beenden wir unseren Leipzig-Rundgang.

Waren wir heute früh noch relativ alleine waren, ist das Parkhaus jetzt bumsvoll. Ich bezahle, beäuge den Alkoholtester – so etwas habe ich noch nie gesehen – und gehe zum Auto zurück, wo Susanne schon wartet und starte Richtung Amerika.


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2½ TAGE IN LEIPZIG
REISEBERICHTE AUS DEUTSCHLAND