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Katzenstein und Neresheim



Bahnhofs-Hocketse in Neresheim


Eine Viertelstunde später sind wir da. Wir parken vor der Massage-Praxis in der Dischinger Straße und schlurfen gemütlich zu Fuß zum Bahnhof rüber.

In praller Hitze stehen wir grinsend vor den Schildern: „Museumsbahn“, „Kloster“, „Seniorenzentrum“ und „Waldfriedhof“ und fragen uns: Welches der Schilder ist wohl für uns gedacht? Kloster? Beten können wir später auch noch – oder auch nicht. Seniorenzentrum: Geht nicht, wir haben die Rollatoren vergessen. Waldfriedhof? So weit sind wir dann doch noch nicht. Nach kurzer Besprechung – und eigentlich war es ja auch schon vorher klar –: Museumsbahn. Ein bisschen Nostalgie tanken.

Vor 30 Jahren lief die erste Neresheimer Bahnhofshocketse. Aus der kleinen Veranstaltung ist inzwischen ein großes Fest geworden für Nostalgiker und Dampflok-Freunde. Neben historischen Loks und Wagen gibt es hier auch Auto-Oldtimer (natürlich deutlich jünger als die Bahnfahrzeuge), Souvenirstände, Kindereisenbahn, Flohmarkt und natürlich auch Gastro.

Schättere


Früher dachte ich immer, der Begriff „Schättere“, den man im Zusammenhang mit der Härtsfelder Museumsbahn immer wieder hört, stünde für eine bestimmte Lokomotive. Dem ist aber nicht so! „Schättere“ steht für die gesamte Härtsfeldbahn, die früher von Aalen über Neresheim bis nach Dillingen an der Donau führte.

Der Spitzname soll sich vom schwäbischen Verb „schättern“ ableiten. Obwohl ich auch Schwabe bin, kenne ich das Verb „schättern“ aber nicht. Ganz offensichtlich ist „schättern“ ein eher regional begrenztes, älteres Dialektwort von der Ostalb. Wir –  ich komme aus dem Schwäbischen Wald – sagen zu dem Geräusch, auf das angespielt wird, eher „scheppern“.

Der Name „Schättere“ ist also eine ostalbtypische, lautmalerische Koseform für: „die, die so schön rattert“. Ähnliche lautmalerische Dialektbegriffe gibt’s auch woanders: in Bayern z.B. „Bockerlbahn“ oder in der Schweiz „Rumpelbahn“. Beim Härtsfeldbahn-Verein wird die Erklärung oft so erzählt: „Wenn sie talwärts kam, hat’s richtig g’schätteret – das hat man schon von Weitem gehört.“

Liesele


Die derzeit einzige betriebsfähige Dampflok der Härtsfeldbahner heißt „Liesele“ und da steht sie auch schon vor uns, das 1913 mit der Fabriknummer 3711 von der Maschinenfabrik Esslingen als Bh2t gebaute Schmuckstück (B = zwei gekoppelte Antriebsachsen, h = Heißdampf, 2 = zwei Zylinder, t = Tenderlok). Wenn alles planmäßig läuft, läuft sie um kurz vor drei vor einem Zug ins 6 Kilometer entfernte Katzenstein.

Der Lokführer ist stolz und überaus freundlich und so erfahre ich eine ganze Menge über die Lok, wie sie funktioniert und dass sie – wie die großen Dampfloks auch – Hauptuntersuchungen über sich ergehen lassen müssen. Die nächste angeblich diesen Winter.

Dampflok vs. SUV: Wenn PS nur noch fürs Ego da sind


Die nur 6,18 Meter lange Schmalspurlok  hat Platz für 1½ m³ Wasser und 10 Zentner Kohle. In den zwei außen liegenden Zylindern (Durchmesser 320 mm, Hub 360 mm) herrschen bei Volldampf 12 bar, was ausreicht, um einen Zug auf bis zu 30 km/h zu beschleunigen. Über die PS-Leistung – ich hatte 1000 PS geschätzt – konnte der Lokführer nichts sagen, er war aber der Ansicht, dass die Lok eher so 100 oder 200 PS habe.

Zu Hause hab ich’s dann mal überschlagen: Mit 0,32 m Kolbendurchmesser, 0,36 m Hub, zwei Zylindern, einem mittlerem Druck von 6-8 bar, einem Raddurchmesser von 0,8 m und einer Geschwindigkeit von 30 km/h komme ich bei 30 km/h (so schnell fährt sie ja nicht immer!) auf rund 250 kW oder etwa 300 PS. Da lag der Lokführer (ohne Rechnen!) offenbar deutlich näher dran als ich.

Mit maximal 300 PS (im Regelbetrieb wahrscheinlich deutlich weniger) konnte die Lok damit – ich geh mal von einem Wirkungsgrad von 5 bis 10% aus – 50 bis 100 km weit fahren, bevor sie wieder Kohle aufnehmen musste. Und diese Lok schleppte seinerzeit einen ganzen Zug voll mit Arbeitern und Gütern durchs Härtsfeld. Heute parken vor Kindergärten und Grundschulen SUVs, die oft mehr PS haben als diese kleine Lok und nur dazu dienen, dass Helikoptereltern ihre Sprösslinge direkt bis vors Klassenzimmer chauffieren können. Komfortabel, spritschluckend, mit mehr Elektronik als ein Raumschiff – aber einer Maschine, die fast nichts mehr schleppen muss außer dem eigenen Ego.

So ändern sich die Zeiten: Von echter Arbeit hin zu vorgetäuschter Wichtigkeit. Hauptsache, das Navi findet den Weg zum Pausenhof. Angesichts diesen Irrsinns sollten wir nachher vielleicht doch noch zum Kloster hoch gehen und um Hirn für die Gesellschaft bitten.

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