Zum 30. Jahrestag – Unsere Hochzeitsreise nach Thailand
Silvestergala im Kata Beach Resort
Freitag, 31. Dezember 1993
Heute Abend ist anlässlich der Jahreswende ein Gala-Dinner angesagt. Erwarten die etwa, dass ich im Smoking auftrete? Hoffentlich nicht, denn schließlich findet die für Pauschalurlauber veranstaltete Gala bei sommerlichen Temperaturen unter freiem Himmel statt.
Auf dem Weg zu den Tischen sehen wir eine Künstlerin, die mit ihren Thai-Fruit-and-Vegetable-Carving-Arbeiten dem Event gleich von Anfang an eine festliche Atmosphäre verleiht. Bei dieser Praxis aus der Sukhothai-Zeit (13. bis 15. Jahrhundert) werden aus Gemüse und Obst kunstvolle Schnitzereien hergestellt, meist Blumen, Tiere, religiöse Symbole oder mythologische Figuren und wir können einer Künstlerin dabei direkt zusehen.
Es ist unglaublich, mit welcher Anmut sie – nur mit einem einfachen Gemüsemesser ausgestattet – diese Kunstwerke zaubert. Ich könnte mit so einem Teil noch nicht mal eine Knoblauchzehe in Scheibchen schneiden oder den Stil von einem Pilz entfernen, aber was die Frau macht – unglaublich!!!
Dann wird’s ernst. Nachdem wir unsere Einladungen gezeigt haben, weist uns ein Hotelangestellter – ohne etwas zu unserer Bekleidung zu sagen – Jeans und T-Shirt eben – Tisch 44 zu. Dort sitzen neben Liesl aus Schömberg noch einige andere Schwaben, die wir aber nicht kennen.
Im Hintergrund spielt dezent eine Combo. Allmählich trudeln die Gäste ein. Eine geringe Anzahl ist kleidungstechnisch unwahrscheinlich herausgeputzt, während Susanne und ich – wie auch der Großteil der Anwesenden – in Jeans und T-Shirt dasitzen. Während manche zu den ihnen zugewiesenen Tischen gehen, stürmen andere – obwohl es noch gar nicht eröffnet ist – gleich das Buffet. Insofern müssen wir uns auch in keinster Weise bemühen, übertrieben formell zu wirken. Wir sind jetzt einfach so, wie wir sind. schließlich haben wir Urlaub, so wie die andern Pauschalurlauber auch.
Da sitzen wir also an Tisch 44. Man begrüßt sich freundlich und tastet sich mit gestelztem Smalltalk ab. Jetzt bloß nichts Tiefgründiges oder gar Kontroverses. Zum Glück sitzt Liesl da. „Der Ausflug gestern in die Phang Nga Bay und Koh Panyee gestern waren doch irre, Liesl, nicht?“ „Oh, da wollen wir nächste Woche auch hin“, mischt sich ein Dritter ein, „erzählen Sie.“ „Was haben Sie denn so die letzte Woche gemacht? Ah, sie sind erst gestern angekommen? Wo kommen Sie her?“ „Aus Friedrichshafen …“ Und schon sind wir locker und belanglos im Gespräch.
Dann geht es auch für uns ans Eingemachte bzw. ans Buffet, das eine Vielzahl an Vorspeisen, Hauptgerichten, Beilagen, Desserts und allerlei anderen kulinarischen Köstlichkeiten umfasst, allesamt mit Schildchen versehen, damit auch ungeübte „Gala-Neulinge“ – so wie wir – wissen, was wir ohne Gewissensbisse essen können und wovon wir lieber Abstand nehmen, weil ein Löffelchen davon „zwei Monatsgehälter“ kostet. Ich beobachte, was und wie viel die anderen aufladen und versuche, mich dezent zurückzuhalten.
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