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Teneriffa – Sonntag, 24. August 2014

Der Schatten des Teide


Obwohl ich erst kurz vor Mitternacht ins Hotel zurück und ins Bett gekommen bin, muss ich um 4:40 Uhr schon wieder aufstehen. Ich habe heute nämlich vor, erneut zu versuchen, den Schatten zu fotografieren, den der Teide angeblich bei Sonnenaufgang in Richtung La Gomera werfen soll. Auf der TF-38, in der Kehre 20 km nach dem Abzweig in Chio Richtung Teide (28.273186, -16.728735) müsste dazu der optimalste Ort sein. So jedenfalls habe ich mir das auf Google Maps ausgesucht. Wenn ich am Bonanza bei einem Kilometerstand von 120 890 km losfahre, müsste ich also bei 120 931 km in etwa dort sein. Auf geht´s, zweiter Versuch!

Zunächst geht´s auf der TF-1 Richtung Norden. Es ist sehr, sehr schlecht zu fahren, weil sich sämtliche Lichter des Gegenverkehrs in der total verschmierten Windschutzscheibe spiegeln. Wischwasser ist natürlich keines drin im Schweibenwischwasser-Behälter und auf der Autobahn anhalten und Mineralwasser nachfüllen kann ich auch schlecht, zumal es nirgendwo Parkbuchten gibt. Nach 9 km geht die TF-1 nahtlos über in die TF-82. Jetzt ist’s noch dunkler. So dunkel, dass man noch nicht mal mehr den Straßenrand sieht. Da jetzt seitlich rauszufahren auf ein eventuell unbefestigtes Bankett, wäre Wahnsinn! Das traue ich mich nicht. Den Schalter fürs Fernlicht kann ich im ungewohnten Fiesta im Dunkeln auch nicht finden. Die Fahrt nach Norden ist also schon fast ein Blindflug. Wohl fühle ich mich dabei wirklich nicht und jetzt rennt mir auch noch ein Kaninchen durch den Scheinwerfer-Kegel. Das ist schon heftig. Zum Glück aber ist kaum Verkehr, sodass ich rechtzeitig bremsen konnte und nichts passiert ist.

Gelebte astronomische Dämmerung


Bei 120 931 km erreiche ich dann endlich die von mir per Google-Maps ermittelte Optimalposition (28.273186, -16.728735), aber es ist und bleibt kuhnacht. Keine Menschenseele zu sehen, kein Auto, kein Sonnenaufgang und schon gar kein Teide-Schatten. Sag mal, bin ich doof? Gestern ging die Sonne in Playa Las Américas doch etwa um dreiviertel Acht auf. Das wäre bei meiner auf deutsche Zeit eingestellten Kamera 8:45 Uhr, genau so wie auf meinem auf deutsche Zeit eingestellten Voice-Recorder. Die aber zeigen jetzt 6:45 Uhr an. Hab ich also wieder in die falsche Richtung gedacht? Ich lern das nie!

Warten bringt jetzt nichts. Kann doch nicht 2 Stunden hier rumsitzen auf der TF-82, ohne Parkbucht. Also gebe ich um kurz vor sechs (Teneriffa-Zeit) zum Spaß mal die Koordinaten des Paradors de Cañada del Teide (28.224300, -16.627400) ins Navi ein. Das sei noch ne Viertelstunde bis dorthin, wird angezeigt. Also los! Dort gibt es wenigstens sichere Parkplätze, so dass ich von der Straße weg bin. Um 7:39 Uhr, sagt mein Navi, sei hier Sonnenaufgang (ist das jetzt Teneriffa-Zeit oder deutsche Zeit? Ich blick´s nicht mehr!) Als ich dann endlich am Parkplatz am Parador de Cañada del Teide ankomme, zeigt die Uhr im Auto 6:20 Uhr und die Uhr in meiner Kamera 7:20 Uhr. Noch tut sich also gar nichts, obwohl die astronomische Dämmerung um 6:14 Uhr bereits hinter uns liegen müsste. Davon sehe ich aber auch nichts.

Ich befürchte jetzt fast, dass mein Navi, wenn es den Sonnenaufgang um 7:39 Uhr anzeigt, Teneriffa-Zeit meint. Das hieße, noch über eine Stunde zu warten. Im T-Shirt ist’s hier oben auf 2200 m Meereshöhe lausig kalt. Wie bloß kann man hier die Zeit totschlagen, so mutterseelenallein? Im Radio, den Spanier verstehe ich nicht, die Musik sagt mir auch nicht zu und die Bilder im Kamera-Display von der gestrigen Whale-Watching-Tour habe ich schon „hundert Mal“ durchgeblättert. Ich steig aus, Beine vertreten.

Wow! Das hätte ich nun nicht erwartet, das haut dich echt um. Der Himmel ist, wenn das Autolicht jetzt auch noch aus ist, so klar, dass man wahrscheinlich Millionen (oder noch mehr) Sterne sehen kann. So viele habe ich noch nicht mal in der Serengeti in Afrika gesehen. Ob man die fotografieren kann? Ja, ich weiß, die Sterne wandern. Bei Belichtungszeiten im zweistelligen Sekunden-Bereich sieht man dann nur Striche auf dem Bild. Aber warum nicht? Kost ja nix! Mit meinen Bohnensack auf dem Autodach versuche ich zu experimentieren, und es sieht gar nicht mal so schlecht aus. Beim 10mm-Objektiv werden die Sterne noch nicht mal Striche. Im Südwesten (die Richtung hat das Navi angezeigt) kann man in dem ganzen Wust von Sternen einen erkennen, der viel rötlicher ist als alle anderen (Bild unten links). Ich habe zwar keine Ahnung von Sternen, Sternbildern und Planeten, aber für mich steht zweifelsfrei fest, das ist der Mars und weil hier oben niemand ist,der mir widersprechen kann, ist es der Mars, basta! Dann wäre nämlich der Stern links im Bild, also der an der Spitze des fast gleichseitigen Dreiecks, der Gegenpol des Mars, der Antares. Warum eigentlich nicht? Mit solchen Gedanken-Spielchen und Belichtungszeiten im Minutenbereich geht auch insgesamt die Zeit jetzt deutlich schneller vorbei.

Sternenhimmel überm Teide, re. u. Mars?

Jupiter (unten), Venus (oben)

Nautische Dämmerung


Um 7:39 soll also der Sonnenaufgang sein, d. h. dann müsste die Sonne zur Hälfte über dem Horizont zu sehen sein. Das kann ich aber vergessen, weil das Parador de Cañada del Teide in einer Caldera, also in einem Vulkankessel liegt. Wie gesagt, von der astronomischen Dämmerung um 6:14 Uhr habe ich ja gar nichts mitbekommen. Um 6:44 Uhr sollte nautische Dämmerung sein. Da tat sich auch nichts. Aber jetzt, fünf Minuten später, sieht man im Westen (Bild oben rechts) plötzlich ganz klar die Kante des Vulkankessels, darüber einen hellen Lichtsaum und wenn man ganz genau hinsieht, in Bildmitte knapp über der Kante einen Stern und schräg rechts darüber noch einen. Der untere müsste nach meinen Überlegungen die Venus sein, dann wäre der darüber der Jupiter. Ich bin total aus dem Häuschen, was man hier oben, auf 2200 m Höhe so alles beobachten kann. Ich werd´noch zum Astronomen.

Bürgerliche Dämmerung


Kurz nach sieben. So langsam kommt die Zeit der bürgerlichen Dämmerung. Laut Definition soll man bei der „bürgerlichen Dämmerung“ ohne zusätzliches Licht im Freien bereits Zeitung lesen können. Das geht jetzt natürlich noch nicht, aber man kann schon deutlich Buschwerk sehen auf der anderen Seite der Straße (vielleicht müsst ihr dazu das Bild vergrößern) und hier auf dem Parkplatz schimmern schon die weißen Begrenzungen der Parkbuchten durchs Dunkel. Jetzt ist die Zeit aufzubrechen, schließlich will ich den Sonnenaufgang beim Roque Cinchado vorm Teide erleben und nicht hier auf dem Parkplatz. Leo und Finn dürfen natürlich mit.

Bürgerliche Dämmerung am Teide

Leo und Finn warten auf den Sonnenaufgang

Vom Parkplatz bei der Kapelle des Paradors de Cañada del Teide über die TF-21 rüber zum anderen Parkplatz und dann bis in die Nähe des Roque Cinchado sind’s etwa 400 Meter.Genau hier mach ich mit Finn und Leo Foto-Experimente. Zum Glück ist kein Mensch da. Die würden michglatt für blöd halten, wenn hier immer mal wieder ein Blitzlicht aufflammt. Berge blitzen?

Sonnenaufgang am Teide

Roque Cinchado, der Finger Gottes

Vor drei Minuten war´s noch zappenduster. Jetzt wird´s rasend schnell hell. Alles schimmert rötlich, der Finger Gottes und auch der Horizont im Westen. Wo der rötliche Lichtsaum dort herkommt, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären. Dazu habe ich jetzt auch gar keine Zeit mehr, denn schon erstrahlt der Gipfel des Teide kupferrot im Morgenlicht. Ein Traum! Ich bin glücklich, dass ich das erleben und fotografieren kann!

Sonnenaufgang am Teide

Sonnenaufgang am Teide

Das beeindruckt mich schon – nachhaltig! Der Berg hat aber auch sicher schon vor mir Tausende andere beeindruckt. Mike Oldfield z. B. Der seine Empfindungen an diesem Ort sogar in einem Instrumental-Stück zum Ausdruck gebracht hat: „Mount Teide“.

Gänsedistel 

Behaarter Federkopf 

Ich wandere noch ein Stück, den ganzen 4 km langen Rundweg, der zusätzlich über 800 Höhenmeter geht, spare ich mir aber aus. Kann mir nicht vorstellen, dass es woanders wesentlich anders aussieht. Ich habe den Sonnenaufgang erlebt mit all den rötlichen Farben, jetzt, eine Viertel Stunde später ist die Lichtstimmung längst nicht mehr so beeindruckend, Spannend sind nur noch die Gegenlichtaufnahmen der höchst interessanten Pflanzen.

Discovery Tour anmelden beim Loro Parque!


In meiner Träumerei habe ich ganz vergessen, dass ich für morgen ja noch die Discovery Tour im Loro Parque fix machen muss. Mit dem Handy sollte das auch hier oben kein Problem darstellen. „Rufen Sie uns an, 0034 922 37 38 41, Durchwahl 512 oder 210“, stand im Internet. Also ruf ich 0034 922 37 38 41 512 an, doch das klappt nicht. „Rufen Sie die Auskunft an!“ Na ja, vielleicht klappt die andere Nummer, also 0034 922 37 38 41 210 eingetippt. „Rufen Sie die Auskunft an!“ Was soll denn das? Es kann doch nicht sein, dass ich zwei Nummern falsch aufgeschrieben haben soll und wenn ich in Deutschland eine Durchwahl-Nummer hab, dann häng ich die am die Stamm-Nummer einfach hinten dran. Das scheint hier aber nicht so zu sein. Mann, ich will morgen die Discovery-Tour mitmachen und die muss vorbestellt werden! In meiner Not schicke ich Susanne eine SMS, ob sie mir eventuell die richtigen Nummern schicken kann. Gleichzeitig gehe ich ins Parador de Cañada del Teide, wo man mir dann sagt, dass die Durchwahlnummern im Loro-Parque offenbar gar keine Durchwahlnummern sind und ich nur die 0034 922 37 38 41 anrufen kann. Also ruf ich eben dort an.

Mit Mühe und Not (ich spreche kein Wort Spanisch und mein Englisch scheint ein völlig anderes zu sein, als das der Loro-Parque-Mitarbeiterin) kann ich mein Anliegen schließlich doch noch durchbringen. Die Discovery-Tour ist angemeldet. Also schnell noch ne SMS-Entwarnung „Sorry, alles erledigt!“ an Susanne und dann geht’s weiter. Die wird sich freuen, sucht den halben Computer durch und dann „Lällabäh!“

Vom Teide Richtung Masca


Inzwischen ist es 9:15 Uhr Teneriffa-Zeit. Ich fahre über die TF-21 wieder zurück Richtung Vilaflor. Die ersten 1½ km geht die Straße bis zum Kraterrand schnurstraks nach Süden und dann an der Bergkette entlang nach rechts. In diesem Winkel liegt die topfebene Llano de Ucanca (im rechten Bild rechts der Straße erkennbar). Hier sammelt sich in schneereichen Wintern das Schmelzwasser zu einem riesigen flachen See an, welches nachts dann zu einer „Schlittschuhbahn“ gefriert.

Parkplatz

Entlang des Llano de Ucanca

Nach etwa 3 bis 4 km erreicht man den Abzweig zur TF-38, wieder einer schnurgeraden, meines Erachtens aber nicht ungefährlichen Straße. Die Piste wurde einfach über die vulkanische Lava-Ebene d´rüber betoniert. Ohne Absturzsicherungen nach links oder rechts.

Auf der TF-8 quer durch die Lavas Negras

Durch diese „Mondlandschaft“ fährt man jetzt etwa 6 km, dann geht es abwärts und allmählich beginnt wieder die Vegetation. Man sieht jetzt auch erste Wolken. Die liegen aber tiefer als da, wo ich jetzt fahre! Man „schwebt“ regelrecht d´rüber und sieht, hinter den Wolken versteckt, in der Ferne La Gomera. Und jetzt geht´s richtig mächtig runter, über 1300 Höhenmeter! Chio, mein nächstes Ziel, soll auf 580 m liegen.

Blick von der TF-8 auf La Gomera

Blick von der TF-8 auf La Gomera

Ich bin da, doch Chio, das mit seinen engen Gassen, verwinkelten Straße und alten Häusern typisch kanarisch sein soll, gibt mir gar nichts. Ein verschlafener Ort. Obwohl ich eigentlich ständig fotografiere, habe ich nun schon seit einer ¾ Stunde kein einziges Foto mehr gemacht. Zeit also, mich irgendwo anders umzusehen.


Hinweis: Eine Kommentar-Möglichkeit besteht ganz am Ende des Berichts.


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