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Donnerstag, 18.8.2016

Kennst Du Granada bei Nacht? – Warten auf den Mondaufgang


Nach der Alhambra-Tour wollte ich eigentlich nochmal ins Arrayan gehen um was zu essen und zu trinken, aber jetzt um kurz vor 5 hat nicht nur der Burger-Laden zu, sondern alle Lokalitäten. Meine Wasserflasche ist leer und ich hab keine Chance, irgendwo ein Wasser, einen Kaffee oder ein alkoholfreies Bier zu bekommen. Nix! So geb ich im Visitor-Center mein Audioguide-Smartphone ab und frage die Mitarbeiterin dort, ob sie mir vielleicht geeignete Fotografier-Punkte nennen kann, und zwar solche, dass ich, wenn heute Abend um 21:08 in Ost-Südost der Vollmond aufgeht, ich diesen genau hinter der Alhambra habe.

Sie nennt mir San Miguel Alto, Mirador San Nicholas und Camino de Sacromonte. Das seien die besten Beobachtungspunkte. Voller Vorfreude bedanke ich mich und mach mich auf den Weg Richtung Auto. Die Hauptstraße (Paseo die Sabica) zum Parkplatz hoch zieht sich, vor allem wenn du nichts mehr zu trinken hast. Die Hitze drückt dich in den Boden. Ich seh, dass inzwischen auch die Parkplätze fast alle frei sind. Selbst im Kreisverkehr steht niemand mehr, der die Besucherströme einweist. Um 17:00 Uhr scheint hier alles wie ausgestorben. Siesta?

Im Auto gibt´s dann endlich was zu trinken. Eine Dose alkoholfreies Bier, warm wie Tee. Aber es löscht den Durst. Nachdem ich am Automat meine Parkgebühr (7,90 € für rund 5 ½ Stunden) gezahlt hab, versuch ich im Navi „San Miguel Alto“ und „Mirador San Nicholas“ einzugeben, aber das wird nichts! Mein Navi verlangt Adressen oder Koordinaten. In meiner Not schicke ich Susanne und Simon zu Hause jeweils eine SMS, ob die mir in Google Maps die Koordinaten der 3 Plätze raussuchen und zuschicken können. Doch bis Antwort kommt, das kann dauern.

Sierra Nevada


Deshalb fahr ich einfach mal planlos los Richtung Sierra Nevada. Der Weg dorthin ist wenigstens ausgeschildert. Unterwegs mühe ich mich dann ab – einfach um Zeit totzuschlagen – eine Reihenaufnahme von den Bergen der Sierra Nevada zu machen. Vielleicht kann man die zu Hause ja zu einem Panoramabild zusammensetzen.

Hinweis: Wenn man den grauen Balken unter dem Bild langsam nach rechts verschiebt, kann man fast über die ganze Sierra Nevada blicken …

Ist doch gar nicht so schlecht geworden. 18:10 Uhr: Nahezu gleichzeitig kommen die SMS von Susanne und Simon rein. Sie haben mir tatsächlich Koordinaten zugeschickt: Ermita de San Miguel Alto (37.184844, -3.587664), Mirador San Nicholas (37.181130, -3.592555) und Camino del Sacromonte (37.181772, -3.584228). Ich fahr zunächst mal los Richtung San Miguel Alto.

Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie macht mich „San Miguel Alto“ am meisten an. Ich geb „37.184844, -3.587664“ ins Navi ein und fahr los. Dazu geht´s zuerst mal runter in die Stadt. Dort ist um kurz nach 18:00 Uhr kaum was los. Das Thermometer an der Avenida de la Fuente Nueva zeigt immer noch 39°C an, in meinem Fiesta ist es aber dank Klimaanlage aber angenehm kühl.

Wenige Minuten später komm ich dann an den vorgegebenen Koordinaten an. Hier ist ein Parkplatz und auch eine kleine Kirche, aber keine Blickmöglichkeit auf die Alhambra. Das Tor zum Kirchen-Hof ist zu und ich trau mich nicht, da einfach reinzugehen, bis dann ein Arbeiter rauskommt und mir erklärt, dass der Mirador de San Miguel, also der Aussichtspunkt, im Kirchen-Hof, rechts um die Kirche rum, hinter der Kirche sei. Da könne ich ruhig rein.

Wow! Was ist das für ein Anblick: Die Alhambra und die Berge der Sierra Nevada im Hintergrund. Sofort ist Fritz Wunderlich wieder präsent und in Gedanken gröhl´ ich mit …

 „Nun dämmert es wieder, berauscht sind die Lieder – Granada. Es schimmern im hellblauen Morgen herüber die Berge der Sierra Nevada, wenn über Granada der Tag erwacht und golden die Sonne lacht in strahlender Pracht.“

Von „Tag erwacht“ kann nicht die Rede sein, eher vom Gegenteil. In 3 Stunden etwa wird der Mond aufgehen, aber von „Mondaufgang“ und „Sierra Nevada“ singt Wunderlich  leider nicht. Trotzdem: Lautsprecher an und genießen!

Und schon bin ich wieder am Grübeln. Wenn nachher der Vollmond aufgeht, möchte ich den schon gerne direkt über der Alhambra haben und nicht hinter den Bergen. Für so ein Foto müsste ich an einer Stelle etwas weiter unten stehen, doch wo habe ich weiter unten einen genauso tollen freien Blick wie hier?

2 Stunden Zeit habe ich ja noch, da kann ich mich in aller Rihe noch auf die Suche machen. Finde ich nichts besseres, kann ich ja immer noch hier hochfahren. Ich versuche also, das Mirador San Nicholas zu finden. Luftlinie sind es bis dorthin exakt 500 m. Mit dem Auto aber ist das ein kleines Abenteuer, das ich keinem empfehle.

Mirador San Nicholas


In der Nähe bin ich schon, aber irgendwann geht die Straße nicht mehr weiter. Was soll´s? Wenigstens habe ich einen Parkplatz direkt am Straßenrand, ohne Linien, weder gelbe noch blaue! Dass ich aus dieser Sackgasse wohl nie mehr rauskommen werde, ist momentan erst mal egal. Du kannst hier nicht drehen! Überall stehen Motorräder und Roller im Weg und in der kleinen Einfahrt links ist dann auch noch ein Absatz, wo man Angst haben muss, aufzusetzen. Wie machen das die anderen Autos? Die Antwort gibt sich von selbst: Ich habe einen fast nagelneuen Leihwagen (ohne Beulen!). Beulenfrei ist hier in der Straße aber keines der Autos. Doch daran darf ich jetzt einfach nicht denken.

Mit dem Problem kann ich mich immer noch beschäftigen. Jetzt will ich erst mal was essen und dann mein Mondaufgangs-Foto machen. Bis dahin ist es noch ne knappe Stunde hin.

Im Restaurante El Mirador ess ich zu Abend. 18,90 € für einen Fisch (Bacalao Granadina), ein alkoholfreies Bier und ein Wasser.

Nach dem Essen bin ich raus zum übervollen Mirador San Nicolás, einem Platz vor der Kirche, wo nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische den Flamenco-Gitarristen vor der Kulisse der Alhambra lauschen. Man ist das klasse! Es wird später und später. In einer halben Stunde wird die Sonne untergehen, und genau jetzt taucht sie die Alhambra in rötliches Licht. Ich bin fasziniert, andererseits bin ich aber auch zerrissen zwischen dem Verlangen, den Vollmondaufgang zu sehen und der schlichten Tatsache, dass ich noch 3 Stunden Fahrt vor mir habe bis zum Hotel. Dazu noch die Frage, wie ich bei Dunkelheit aus der engen Sackgasse rauskommen soll.

Hinweis: Wenn man den grauen Balken unter dem Bild langsam nach rechts verschiebt, kann man die ganze Alhambra überblicken …

Kann das Vollmond-Foto noch besser werden, als das hier? Ich rechne nochmal nach. Die Alhambra liegt von hier aus im Südosten (genaue Peilung 113°). Mondausgang ist um 21:08 Uhr in Ost-Südost (genaue Peilung 103°). Das ist ja viel zu weit links. Noch weiter links als der Mulhacén (Im Bild ganz links). Das wird nichts!

Ich wart´s nicht mehr ab. Um 21:00 ist für mich endgültig Feierabend. Mit Mühe und noch mehr Glück kann ich den Wagen zentimeterweise rückwärts aus der engen Gasse hinausmanöverieren, ohne seitlich anzustoßen oder auf einer Stufe aufzusetzen. Auch aus El Albaicín raus schwitz ich noch Blut und Wasser, aber als ich nach ner Viertelstunde die A-92 erreiche, heißt es nur noch Kilometer fressen. Noch drei Stunden bis zum Hotel. Mit Wunderlichs „Granada“ im Ohr fahr ich durch die Nacht. Links hinter mir ist inzwischen auch der Vollmond aufgegangen.

Es ist kurz nach Mitternacht. Über 18 Stunden war ich heute unterwegs. Bin ich wahnsinnig! Heute früh um 5:45 weg, dann Caminito del Rey, dann Alhambra. Ja, ich bin verrückt, aber ich möchte keine Sekunde von diesem Tag missen. Was war das für ein Tag?

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