Freitag, 27. Juni 2025
Durchs ligurische Hinterland bis Triora
Heute haben wir eine rund 160 Kilometer lange Tour durchs ligurische Hinterland geplant – ein echter Abenteuer-Tag soll’s werden mit Kurven, Pässen und kleinen Bergdörfern.Unsere Route führt uns zuerst nach Taggia, dann weiter nach Badalucco, Molini di Triora und über den Colle Langan – einen echten Klassiker für alle, die Serpentinen und Panorama lieben. Danach geht’s wieder bergab Richtung Pigna und Dolceacqua, bevor wir den Tag in den traumhaften Hanbury-Gärten bei Ventimiglia ausklingen lassen. Zurück geht’s dann über die legendäre Via Aurelia mit Blick aufs Meer – bis wir wieder in Cervo landen.
Aber bevor wir ins Hinterland fahren, muss ich – weil ich ein Fan von Serpentinen und tollen Landschaftsaufnahmen bin – vorher unbedingt noch was einschieben: Ich hab‘ nämlich im Internet bei Castellario einen Platz gefunden, von dem aus man einen irren Blick aufs Meer haben soll. Deshalb habe ich mir schon zu Hause dazu folgende Route ausgedacht:
- erst mal 23 Kilometer über die SS 1 bis Santo Stefano al mare
- rechts abbiegen auf die Ponte Romano bis Terzorio
- und ein paar Meter nach Terzorio unter der Autobahnbrücke durch
- wieder zurück nach Pompeiana. Unterwegs am Berg entlang. Dort hätte man im Osten toll die Autobahnbrücke Valle Tufo gesehen.
- Nahe der „Area servizio Castellaro“ wieder über die Autobahn
- und dann über die Strada Pompeiana bis zum Ziel., der Kirche Sanctuary of Our Lady of Lampedusa
So der Plan.
Jetzt aber los zur Sanctuary of Our Lady of Lampedusa
Wir haben uns jetzt aber so verquatscht, dass wir erst um dreiviertel zehn wegkommen, Kilometerstand 70449 und auch jetzt schon wieder 26,5 °C. Gefühlt sind es aber schon viel, viel mehr. Sonne pur. An der ENI-Station in der Via D’annunzio in Imperia-Port Maurice tanken wir. (32,99 €).
Steil nach oben – zu steil
Ich weiß nicht, was mein Navi geritten hat. Vielleicht war Peter ja beleidigt, weil ich gestern versehentlich seine Stimme ausgeschaltet hab‘. Oder wollte er mich einfach mal an meine fahrerischen Grenzen bringen? Jedenfalls schickt es mich in Piani Chapin – fünf Kilometer vor Santo Stefano al Mare und sechs Kilometer nach dem Tanken, von der Via Aurelia runter und rechts rein und die „Salita XXV Aprile“ hoch.
Das hätte mir sofort komisch vorkommen müssen. Denn was macht die Straße? 13 Prozent Steigung. Direkt nach dem Abbiegen. Aber das war erst der freundliche Einstieg. Nach 75 Metern begrüßt mich die erste 180°-Rechts-Kehre. Die nächste Rampe schiebt sich mir mit 17 % Steigung unter die Räder. Okay, der Panda zieht durch, bisschen knurrig, aber es geht. Dann die nächste 180°-Kehre, diesmal linksrum. 22 % Steigung. Zweiundzwanzig. Leck mich am Pedal. Im ersten Gang, bei 2000 Umdrehungen geht gar nichts mehr. Wenn ich jetzt nicht die Handbremse ziehe und die Kupplung durchtrete, würge ich den Motor ab.
Also Notfall-Protokoll: Vollgas geben, 4500 Touren, Kupplung schleifen lassen und hoffen. Bei 17 % hat das noch irgendwie geklappt. Aber bei 22 %? Plötzlich riecht’s … Das macht keinen Sinn, also Plan B: Rückwärts den Hang runter – in einer Straße, die erheblich breiter wirkt, wenn man NICHT rückwärts fährt. Keine Leitplanken, nur steiler Abgrund. Ein Traum, ein Alptraum.
Bei der nächsten Möglichkeit (sprich: einer Kehre, an der die Straßenbreite gerade noch so Panda-tauglich war) kehre ich mit Schweiß auf der Stirn und leichtem Kupplungstrauma um. Das Navi zeigt sich stoisch: „Bitte wenden“.
- Runter sieht’s gar nicht mal so steil aus
- Runter sieht’s gar nicht mal so steil aus
Erst mal anhalten und Mundwinkel abwischen. Beim Runterfahren habe ich schon wieder Laune für Fotos. Allerdings: Runter und mit Weitwinkel sieht die Straße ja gar nicht mal so steil aus. Wie hieß die nochmal? XXV Aprile! Da hat mich das Navi aber ganz schön in den solchen geschickt.
Wir fahren wieder runter auf die Via Aurelia und auf der Küstenstraße weiter nach Santo Stefano al Mare, Riva Ligure, Prai und Arma die Taggia. Lampedusa ist jetzt erst Mal geknickt, alles andere natürlich auch. Wenn wir überhaupt noch irgendwie im Plan bleiben wollen, müssen wir direkt nach Badalucco weiterfahren. Um 9:20 Uhr wollten wir dort sein, und jetzt ist es schon halb elf.
Valle Argentina
Von Arma di Taggia aus geht es ins Argentina-Tal (Valle Argentina), das sich von der Küste bei Arma die Taggia etwa 25, 30 Kilometer landeinwärts zieht bis zu den Bergen (Seealpen?) bei Triora. Das Tal ist touristisch wenig erschlossen und gilt als ursprünglich und authentisch. Ideal also für Naturliebhaber, Genießer und Entdecker, die Ligurien abseits des Massentourismus erleben wollen.
Badalucco
Nach elf, zwölf Kilometern, etwas südlich von Badalucco und bereits auf 200 m Meereshöhe, halten wir kurz auf dem knallrot gestrichenen Parkplatz des Olivenöl-Herstellers Boeri‑Roi an. Von hier aus hat man das ganze Panorama Badaluccos vor sich, wobei das Oratorio Confraternita del santissimo Nome di Maria, direkt an der SP 548 das Bild des Dorfes dominiert. Wir fahren weiter.
Nach 200 Metern geht’s in einer Rechtskurve vorbei an der Kirche, dann eine Linkskurve – und schon sind wir wieder draußen aus dem Ort.
- Parkplatz des Olivenöl-Herstellers Boeri Roi
- Badalucco
Isolalunga und Montalto Ligure
300 Meter nach Badalucco sind wir schon in Isolalunga. Dort muss man unbedingt von der SP 548 runter und links auf die Brücke fahren. Man glaubt es nicht, wie ein Ortswechsel von nur 30 Metern nach links beim Fotografieren eines Bergdorfs eine überraschend neue Perspektive eröffnen kann – besonders in einem Gelände wie hier.
Jetzt passt’s. Von der Brücke über die Fora die Taggia aus hat man einen super Blick auf Montalto Ligure, das 500 m entfernt auf einem rund 100 m hohen Hügel liegt.
- Montalto Ligure von der Brücke aus
- Montalto Ligure
Auch hier – typisch für ligurische Dörfer – sticht eine Kirche aus dem Panorama hervor: In diesem Fall das „Oratorio di San Vincenzo“. Da geht die „Chiesa di San Giovanni Battista“ rechts am Bildrand regelrecht unter.
Molini di Triora – nicht verwechseln mit Triora ohne was davor
Wir fahren – am Fluss entlang – auf der SP 548 elf Kilometer weiter nach Norden und sind jetzt 253 Meter höher in Molini di Triora. Gerade will ich links abbiegen zum Colle Langan, als ich einen Seitenblick auf Susanne werfe – und ihr Gesicht spricht Bände: Enttäuscht. „Was ist denn?“ frage ich. „Das Hexendorf hab irgendwie anders in Erinnerung.“
Jetzt dämmert’s mir. „Nein, nein – das hier ist Molini di Triora, nicht Triora (ohne Molini davor).“
Kurze Erklärung am Straßenrand: Nicht verwechseln. Molini di Triora und Triora sind zwei völlig verschiedene Orte. Molini di Triora liegt am Zusammenfluss der Argentina und des Capriolo. Hier gab und gibt es viele Wassermühlen, daher der Name „Molini“ (Mühlen). Triora, das „Hexendorf“, liegt sechs Kilometer den Berg hinauf, 330 Meter höher.
„Hexendorf“ hört sich irgendwie lustig an, weil wir heute eher an schrullige Figuren mit Besen und Zaubertrank denken. So lustig ist das aber gar nicht gewesen. Noch im 16. Jahrhundert war Triora Schauplatz sogenannter „Hexenverfolgungen“. Opfer waren üblicherweise oft alleinstehende oder sozial auffällige Frauen, Geburtshelferinnen und Kräuterkundige, deren Wissen als verdächtig galt. Meist gab es dann Gerüchte oder sie wurden denunziert, beschuldigt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Beweise waren nicht nötig: Folter erzwang „Geständnisse“. Nicht wenige der Frauen kamen gewaltsam zu Tode, viele auf dem Scheiterhaufen. Der letzte Hexenprozess in Triora war angeblich 1589. Das Ende eines recht düsteren Kapitels in Trioras Geschichte.
Heute ist Triora eher ein Ort für Esoterik- und Wildkräuter-Workshops. Und dort – es ist schließlich ein Fährtle anlässlich Susannes siebzigstem Geburtstag – fahren wir jetzt hin. Susanne strahlt.
Triora
Die Straße windet sich in engen Kehren den Hang hinauf. Die Landschaft wird karger, die Olivenhaine lichter, dafür gibt es mehr Kastanien und mehr Schatten. Meine Beifahrerin schaut sich suchend um. Ich weiß sofort, was sie meint. Sie sucht das legendäre Verkehrszeichen mit der Hexe drauf: Schwarzer Besenritt im roten Dreieck auf weißem Grund. Noch nichts, dabei sind wir gleich oben. Ich seh‘ die Enttäuschung in Susannes Gesicht. Die Warnung vor Hexen war wohl zu inoffiziell für den offiziellen Verkehr. Zu gefährlich? Zu folkloristisch? Zu magisch für die Bürokratie?
Ganz Triora ohne Hexen-Warnschild. Ganz Triora? Nein! Ein unbeugsames Schild leistet der italienischen Bürokratie tapfer Widerstand! In Höhe des Zebrastreifens vor der Bäckerei Panificio Asplanato – Pane di Triora. Sofort steigen wir in die Eisen (was „Katzabärle“ alles so mitmachen muss, heute Morgen dampfende Kupplung, jetzt quietschende Bremsen, aber er hält sich tapfer) und stellen den Panda auf dem Bäckerei-Parkplatz ab.
- Endlich finden wir ein Hexenschild.
- Mit dem Besen und der Katze durch die Lüfte …
Aus „überwältigender Dankbarkeit“ für diesen Abstecher lädt mich Susanne in der Bar Vecchi Ricordi zu einem Cappuccino ein. Es ist 12:14 Uhr. Cappuccino und Latte Macchiato kosten zusammen 3,90 €.
- Der „Hexe-von-Triora-Laden“
- Wieder ein leckerer Cappuccino
Da sitzen wir nun und trinken Heißgetränke in einem Ort, der eigentlich gar nicht geplant war. Warum plane ich denn im Vorfeld alles minutiös, wenn wir uns doch nicht dran halten? Strecken, Zeiten, Aussichtspunkte. Google Maps, Höhenprofile, Sonnenstände – alles fein säuberlich aufgelistet. Und jetzt?
Bevor jetzt aber ein falscher Eindruck entsteht: Meine Planung war immer ein „Kann“, kein „Muss“. Wir sind ja im Urlaub, nicht auf der Flucht. Der neue Plan? Weiterfahren, weiter staunen, weiter atmen.
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