Hamburg – Faschingsferien 2020
Hagenbecks Tierpark
Hagenbeck ist, wenn man dem Internet trauen kann, der einzige privat geführte, gemeinnützige Zoo Europas – mittlerweile in der 6. Generation. Mit rund 27 ha ist er ein bisschen größer als der Augsburger Zoo (22 ha), aber deutlich kleiner als unser Lieblings-Tiergarten Nürnberg (65 ha).
Als wir gegen 11:15 Uhr unseren Rundweg beginnen, hat es zu regnen aufgehört. Unsere erste Station, gleich links hinterm Eingang, ist – so sieht es zumindest aus – ein Wochenmarkt. Hier verkaufen Mitglieder des Fördervereines täglich frisches Obst und Gemüse, denn Füttern ist – und das ist wirklich außergewöhnlich – bei Hagenbeck nicht nur erlaubt, sondern sogar gerne gesehen. Wir sind darüber so geplättet, dass wir erst mal nichts kaufen.
Eichhörnchen
Keine 50 m weiter, rechts ums Eck und dann gleich links, also, genau gegenüber dem Elefantengehege, gibt es für die Kleinen die fast schon historische Hagenbeck Märchenbahn aus dem Jahr 1952. Momentan sind die Oldtimerautos aber noch eingemottet. Stattdessen macht uns ein Eichhörnchen, das oben im Gebälk der Bahn seinen Kobel hat, seine Aufwartung.
Es ist absolut nicht scheu und lässt sich wie ein Model in jeder Pose fotografieren.
Asiatische Elefanten
Gegenüber der Märchenbahn ist – wie gesagt – die beachtliche, fast fußballfeldgroße Freianlage der Asiatischen Elefanten. 1937 wurde hier die erste Elefanten-Freianlage eröffnet. Seitdem sind Elefanten eines der Markenzeichen des Tierparks Hagenbeck. Mit der inzwischen zehnköpfigen Herde (mit Bullen) gehört Hagenbeck nun zu den europäischen Zoos mit den meisten Elefanten. Und keiner davon ist angekettet – zu keiner Zeit. Dafür sorgt u. a. die 2006 erbaute Freilufthalle, in der sich die Elefanten auch nachts frei bewegen können.
Ob das Gehege noch dasselbe ist wie 1937, weiß ich nicht, Ich schätze aber, dass sie vergrößert wurde, nachdem die Nashörner aufgegeben wurden. Die Anlage lässt sich in 3 Bereiche unterteilen, den großen Herden-Bereich, einen Mutter-Kind-Bereich und einen Bullen- oder auch Dating-Bereich, das ist da, wo sich Kuh und Bulle auch mal näher kommen können. Das Resultat sind u. a. die zwei Kälber Raj (Mutter Shila, Vater Gajendra), der am 5. Mai 2018 hier geboren ist, und der am 24. Dezember desselben Jahres hier geborene Santosh (Mutter Lai Sinh, Vater ebenfalls Gajendra).
Wenn die Elefanten auf der Freianlage sind, sind sie von den Besuchern nur durch einen Wassergraben getrennt. So geht das (erlaubte) Füttern durch die Besucher natürlich noch direkter. Ich hatte immer Angst, dass mal einer der „Dickhäuter“ in den Graben fällt, aber die Tiere sind ungeheuer geschickt und – so wie ich es laienhaft sehen konnte – beim Futter-Aufnehmen extrem vorsichtig und zärtlich.
Einen Elefanten haben wir beobachtet, wie er vorne im Rüssel mit dem sogenannten Finger ein Stöckchen hielt. Als ihm jemand eine Karotte hinhielt, wanderte das Stöckchen entlang der Rüssel-Unterseite bis zu einer Hautfalte, wo es dann festgeklemmt wurde. Hernach nahm der Elefant die Karotte mit dem Finger auf, führte sie zum Maul (ohne dass das Stöckchen aus der Hautfalte herausfiel) und verspeiste sie. Anschließend wanderte das Stöckchen am Rüssel entlang wieder bis zur Rüsselspitze, wo es erneut mit dem Finger festgehalten wurde. Für mich ein absoluter Wahnsinn, was ein Elefant mit dem Rüssel alles anstellen kann. Kraft und Gefühl! Einfach unglaublich!
Um die Gefahr für die Tierpfleger zu minimieren, wurde in vielen Tiergärten inzwischen der sogenannte „geschützte Kontakt“ (protected contact) eingeführt. Dabei gibt es zwischen Elefanten und Betreuern immer eine für Elefanten unüberwindbare Schranke. Das hat den Vorteil, dass die Tiere z. B. bei der Fußpflege oder einer medizinischen Untersuchung nicht angekettet werden müssen, sondern das zu behandelnde Gliedmaß durch die Absperrung steckt.
Bei Hagenbeck arbeiten acht Pfleger in direktem Kontakt (free contact). Hier dominieren die Pfleger allein durch ihr Auftreten und die Tiere akzeptieren das. Einziges Hilfsmittel, das die Pfleger nutzen könnten, ist der sogenannte Elefantenhaken, der für viele „Tierschützer“ natürlich ein no-go ist. Der Elefantenhaken ist ein ca. 60 cm langer Stock, der an einem Ende eine oder zwei Dornen hat. Mit dem Elefantenhaken kann der Pfleger die Tiere „ziehen“, „drängen“ und gegebenenfalls auch piksen. Ich vermeide bewusst die Wort „schlagen“ oder „stechen“, weil meiner Ansicht nach ein Pfleger niemals das ihm anvertraute Tier misshandelt. Früher oder später – vielleicht in einem unbedachten Moment – würde sich der Elefant sicher daran erinnern (Elefanten sollen ja ein sprichwörtlich gutes Gedächtnis haben) und der Pfleger hätte keine Chance.
Wenn ich es richtig sehe, haben die Pfleger noch nicht mal einen Elefantenhaken dabei. Zumindest war, solange wir dort waren, keiner im Einsatz. Für mich erweckte sich eher der Eindruck, dass die zwei Pfleger für die Herde nichts anderes sind als Führungs-Elefanten, grüne zwar, aber Führungs-Elefanten und dass man einfach nur gut daran tut, wenn man das tut, was diese Führungs-Elefanten wollen.
Birma-Teich
Nachdem wir um das Elefantengehege rum sind, gehen wir direkt auf den Birma-Teich und die dortige thailändische Sala zu. Der offene Pavillon ist ein Geschenk des thailändischen Honorargeneralkonsuls in Hamburg Wolfgang Krohn. 2002 wurde er von der thailändischen Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn. einer Tochter von König Bhumibol und Königin Sirikit, eingeweiht.
Wasserschweine
Vorm Birma-Teich gehen wir dann links weiter. Überall auf den Rasenflächen rennen völlig frei Hühner, Enten und – Wasserschweine umher. Letztere scheinen den Birma-Teich besonders zu lieben und das obwohl ihre Art gar nicht aus Südostasien, sondern aus Südamerika kommt. Dort werden sie von den Guarani-Indianern auch „Capybara“ – „Herr des Grases“ – genannt, wobei „Herr des Wassers“ meiner Meinung nach noch besser passen würde. Um sich im Wasser schneller fortbewegen zu können, haben sie Schwimmhäute zwischen den Zehen, und um im Wasser nicht sofort entdeckt zu werden, haben sie – wie Krokodile – Nasenlöcher, Augen und Ohren sehr weit oben am Körper, sodass beim Schwimmen das Meiste unter Wasser bleiben kann.
Wasserschweine sind die größten Nagetiere der Welt. Sie sind eng mit den uns bekannten Meerschweinchen verwandt. Bei den Yanomami-Indianern (Rüdiger Nehberg lebte dort) gibt es einen ganz besonderen Mythos. Die Yanomami glauben, dass gleichzeitig zu jedem Menschenkind eine Art Zwilling in Form eines Wasserschweins geboren wird. Beide teilen sich ihre Lebenskraft. Stirbt das Tier, stirbt auch der Mensch – und umgekehrt. In vielen Regionen Südamerikas wird von den Gläubigen behauptet, dass Wasserschweine „Fische“ seien. so können die Menschen in der Fastenzeit Fleisch essen, ohne Gott zu erzürnen.
Mantelpaviane
Nach wenigen Schritten kommen wir an die Stelle, an der nach dem Ersten Weltkrieg 1925 die erste Neuanlage des Zoos gebaut wurde, das Affenparadies. Heute leben hier die fast an der ganzen Ostküste Afrikas beheimateten Mantelpaviane. Mantelpaviane leben in Haremsgruppen, in denen ein einzelnes Männchen bis zu 15 Weibchen um sich versammelt.
Ihren Namen haben die Affen daher, weil die Männchen eine dichte graue Schultermähne haben, die sie wie ein Mantel umhüllt. Im Gehege des Tierparks habe ich – glaube ich – mehrere „Mantelträger“ entdeckt. Welcher von ihnen nun das oberste Alpha-Männchen ist, kann ich nicht erkennen. Immer wieder kommt es zwischen den Männchen zu einem kurzen Gekeife, das aber meist schnell beendet ist, weil der Affenfelsen so angelegt ist, dass das nach einem Scharmützel unterlegene Männchen leicht aus dem Sichtfeld des Ranghöheren verschwinden kann.
Mantelpaviane sind Allesfresser und bei der Nahrungssuche nicht wählerisch. Und obwohl sie in freier Natur auch Vogeleier und kleine Wirbeltiere fressen, müssen sie sich bei Hagenbeck – zumindest solange Zuschauer da sind – mit dem begnügen, was die Besucher am Eingang beim Förderverein gekauft haben und ihnen – ja Füttern ist auch hier erlaubt – ins Gehege werfen: in erster Linie Obst und Gemüse.
Während die meisten Affen, vor allem die jungen, ganz niedlich aussehen, fallen bei manchen Tieren die extrem geröteten und aufgequollenen Sitzschwielen auf. Was für uns nicht unbedingt ästhetisch wirkt, ist bei Pavianen ein durchaus nützliches Signal. Hat ein Pavian (wie im Bild oben links) einen besonders auffällig roten Hintern, dann handelt es sich bei dem Tier mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Weibchen, das auf der Suche nach einem Sexualpartner ist. Immer um den Zeitpunkt des Eisprungs herum – das ist alle vier Wochen der Fall – schwillt der Hintern der Weibchen massiv rot an – für die Männchen ein deutliches Signal. Sitzschwielen gibt es übrigens auch bei Pavian-Männchen, doch deren „Sitzkissen“ sind bei weitem nicht so aufgequollen und sie werden auch nicht im Vier-Wochen-Takt knallrot. Bei ihnen dienen sie lediglich als Polster, da Paviane sehr viel sitzen.
Paviane sind übrigens nicht die einzigen Affen, die diese Sexualschwellung zeigen. Auch bei Schimpansen und Bonobos ist sie vorhanden, allerdings deutlich schwächer ausgeprägt.
Restaurant am Spielplatz
Als wir um das Pavian-Gehege herum sind, biegen wir bei den Seeottern links ab und kommen direkt auf den Teich mit den Flamingos zu. 50 m weiter rechts gibt es dann das nur im Winter geöffnete „Restaurant am Spielplatz„. Da es schon deutlich nach 12:00 Uhr ist, liegt es eigentlich nahe, was zu essen. Draußen an der Terrasse gibt es Pommes und Currywurst, in der Kälte anstehen sagt uns aber nicht so zu und so gehen wir rein – ist doch egal, was es kostet, wir sind im Urlaub.
Wir setzen uns und studieren die Karte. Die Preise sind angenehm zivil. Susanne nimmt Penne mit Tomatensoße und ich gönne mir Backkartoffel mit Sauer-Creme und Salat. Dabei hatte ich ja eigentlich an eine Ofenkartoffel wie in Nürnberg gedacht, aber die Bratkartoffeln sind immerhin auch nicht schlecht.
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