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Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti

Samstag, 22.8.2009 (1/2)
Unschuld vom Lande


Obwohl der Wind das Zelt fast weggepustet hat und ich ständig den Eindruck hatte, dass irgendwelche Tiere (wahrscheinlich Paviane) auf dem Zelt rumgehopst sind, habe ich (unter dem Einfluss des Imodiums und aufgrund von Erschöpfung) dann doch einigermaßen schlafen können. Beim ersten Morgenlicht schleich’ ich mich mit meiner „Tüte“ nach draußen und entsorge dieselbe in einem etwa 2 mal 3 Meter großen, mit Wellblech abgedecktem Loch. Das Loch ist extra zur Müllentsorgung hier gebuddelt worden. Zumindest sieht’s so aus. Ich halte diese Art der Müllentsorgung zwar nicht für optimal, doch welche Alternative habe ich sonst?

Die Tüte ist also heimlich, still und leise entsorgt und ich kann wieder völlig unschuldig dreinblickend durch die Campsite schlendern. Die „Unschuld vom Lande“ müsste ich eigentlich gar nicht spielen, denn die ander’n schlafen alle noch. Ich kann das nicht, im Urlaub so lang pennen. Der Tag bietet so unglaublich viel, da kann man doch nicht pennen. Selbst in Deutschland stehe ich immer schon um 5:30 Uhr auf. Der afrikanische Rhythmus ist so gar nicht der meinige. Vor 8:00 Uhr läuft hier gar nichts. Dabei könnte man hier so viel erleben.

Morgendlicher Rundgang


Seit 6:30 Uhr ist es hell. 1½ Stunden werden einfach so verplempert. Das ist nichts für mich! Nachdem ich mir sicherheitshalber noch eine Imodium eingeworfen habe, mach’ ich mich erneut auf, die Campsite zu erkunden. Weit weg kann ich allerdings nicht, dazu ist das Gebiet zu gefährlich. Hinterm Zelt der Belgier lauert nämlich schon ein Kaffernbüffel, Entschuldigung, ein Afrikanischer Büffel. „Kaffer“ darf man ja nicht mehr sagen, wenn man politisch korrekt sein will. Da steht er also, etwa 50 m weg. Mit Zaun ist nichts. Ich weiß nicht, wie schnell der Büffel hier sein könnte und so bin ich lieber vorsichtig. Aber den Büffel interessieren weder die Zelte noch ich. Er mümmelt einfach munter sein Frühstück weiter.

Gegen 7:30 endlich regt sich auch in den anderen Zelten das Leben. Alouis ist ins Küchenhaus gegangen und kocht für uns Tee. Nach einem reduzierten Frühstück (zwei Scheiben trockenes Toastbrot und Schwarztee in winzigsten Schlückchen) geht’s los zur Frühpirsch. Richtig essen werden wir dann später, wenn wir von der Frühpirsch zurück sind. Magen und Darm machen gottseidank mit und das Adrenalin sorgt ohnehin dafür, dass man wieder zu „allen Taten“ bereit ist. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen. Hier, auf dem Weg zwischen Lobo- und Seronera-Area hat Werner (das ist der, von dem ich den Film habe) nämlich seinerzeit seinen Leoparden gesehen. Ob wir auch so ein Glück haben?

Frühpirsch


Etwas Glück habe ich bereits, Glück insofern, dass der Landcruiser einen 220V-Wandler hat, so kann ich wenigstens meine Akkus aufladen, die hier in Afrika ganz schön leiden. Man kann förmlich zusehen, wie deren Leistung zusammenbricht. Ich kann also nur jedem raten (vor allem wenn er mit Canon D 300 und Canon BP 511-Akkus zugange ist) „tonnenweise“ Akkus mitzunehmen. Ich habe acht dabei, und mit denen komme ich gerade so hin. In Deutschland halten die Akkus normalerweise „ewig“. Warum die hier zusammenbrechen? Ich kann’s euch nicht sagen.

Antilopen


Mit Leopard ist’s nichts. Dafür sehen wir aber deren „Opfer“: Einen prächtigen Impala-Bock mitsamt seinem Harem und Thomson-Gazellen. Da ich Impalas aber bereits im Tarangire Nationalpark beschrieben habe, möchte ich hier darauf verzichten.

Löwen


Kurze Zeit später entdecken wir am Rand einer kleinen, blattlosen Buschhecke unten im dürren Gras eine einzelne Löwin, d. h. wir hätten sie natürlich nicht entdeckt, aber dafür haben wir ja Lazaro. Der sieht alles. Die Löwin macht keinerlei Anstalten irgendwas zu tun. Weder die Impalas noch wir scheinen sie zu interessieren.

Gabelracke


Eine halbe Stunde später dann ein Schrei: „Stoooppp! Lazaro stoooppp!“ Ich habe linker Hand eine Gabelracke entdeckt, einen jener metallisch glänzenden Vögel, die ich auch schon im Tarangire beobachtet und beschrieben habe. Das ist „mein“ Motiv! Eine fliegende Gabelracke! Für mich eines meiner fotografischen Highlights. Zeigt mir das Bild doch, dass man auch mit der vergleichsweise einfach 300 D (ohne den ganzen Mehrfeld-Autofokus-Schnickschnack) passable „Actionfotos“ schießen kann. Jedenfalls bin ich mehr als zufrieden. Von Magengrummeln oder gar Durchfall ist gar nichts mehr zu spüren. Irre, was Emotionen und die Psyche (oder war’s doch das Imodium?) bewegen können.

Was wir bisher gesehen haben ist Wahnsinn! Immer wieder muss ich mir vergegenwärtigen, dass wir erst seit Mittwoch da sind und jetzt ist Samstag, Samstag-Früh. 3 ½ Tage! Und da gibt es Leute, die meinen: „Eine Woche Safari lohnt doch nicht!“ Denen kann ich nur sagen: „Ihr habt doch keine Ahnung! Absolut keine!“

Leierantilope


Es ist noch keine 10 Minuten her, dass ich die Gabelacke fotografiert habe und mein Glück kaum fassen kann (das Schöne bei Digital ist ja, dass man gleich sieht, ob das Bild was geworden ist), kommt schon die nächste Tierart: Leierantilopen (Damaliscus lunatus).

Das für mich eindeutige Erkennungsmerkmal dieser etwa 1,30 Meter großen Antilope sind die grauschwarzen hinteren Schenkel, die sich wie riesige „Schmutzflecken“ deutlich vom ansonsten rostbraunen Fell abheben. Weitere deutliche Erkennungszeichen sind die hellbraunen „Kniestrümpfe“, der leicht nach hinten abfallende Rücken und der ausgeprägte Buckel oberhalb der Schultern. Der Nasenrücken ist tiefschwarz. Da bei Leierantilopen beide Geschlechter ein ähnliches Gehörn mit starken Furchungen an der Vorderseite tragen, kann ich nicht erkennen, wer nun Männchen oder Weibchen ist. Ich vermute aber, dass die kleine Herde aus einem Männchen und seinem Harem besteht.

Grüne Meerkatzen


Wir sind etwa eine Stunde unterwegs, als wir auf eine kleine Horde grüner Meerkatzen stoßen. Diese Altweltaffen haben mich schon immer fasziniert, weil sie im Gegensatz zu Katze oder Hund beispielsweise einen Ast oder einen Stock, genau wie wir, mit ihren Händen umklammern und festhalten können. Insofern sehe ich zwischen uns und ihnen schon eine engere Verwandtschaft. Quasi unsere kleinen Brüder. Unsere Affen sind so beschäftigt, und wohl auch sicher, dass ihnen von unseren Fotoapparaten keine Gefahr droht, und lassen sich in ihrem Spiel überhaupt nicht stören.

Wären wir nicht fotografierende Touristen, sondern Raubvögel, ein Großkatzen oder gar Schlangen, dann sähe das wahrscheinlich ganz anders aus. Meerkatzen haben nämlich die Gabe, durch Warnrufe an die „Kollegen“ genau mitzuteilen, woher und vor allem, von wem Gefahr droht. Beim Warnruf „Raubvogel“ beispielsweise flüchten alle ins Dickicht, beim Warnruf „Leopard“ geht’s ab auf die Bäume. Zu unserem Bedauern (ja, wir sind egoistisch!) wurde der Warnruf „Leopard“ bisher aber nicht abgesetzt. Noch ist aber nicht aller Tage Abend. Außer egoistisch sind wir schließlich auch optimistisch.

Weites Land


Wir verlassen die grünen Meerkatzen und kommen in offeneres Gelände. Die Sonne sticht erbärmlich. Auf einem flachen Hügel machen wir Rast, um uns die Beine zu vertreten. Von hier oben hat man einen tollen Blick über die weite Ebene der Lobo Area. Von Gnus oder ähnlichem ist weit und breit nichts zu sehen. Die Grasfresser sind wohl vor der Dürre geflüchtet und weiter nordwärts gezogen, Richtung Kenia und Massai Mara.

Das Gebiet hier ist trocken, sehr trocken. Es hat wohl schon wochenlang nicht mehr geregnet. Okay, so trocken wie im Rift Valley ist’s nicht, doch Gras, ich meine „saftiges Gras“, gibt es hier (wir haben August) nirgendwo.

Dennoch ist auch dieses Gebiet nicht uninteressant. Zunächst fällt mir eine auffallend rote Büte auf. Die Blüte einer „Gewimperten Aloe“ (Aloe clitaris). Diese Pflanze erkennt man gut an ihren zu Röhren zusammengewachsenen rot-schwarzen Blütenhüllblättern, die am Ende wie künstliche Wimpern aussehen. Die Pflanze gehört wie der Candelabra Tree im Rift Valley oder die Wüstenrose auf dem Weg zum Engare Sero Wasserfall zu den Sukkulenten, also den wasserspeichernden Pflanzen. Was anderes würde hier unmöglich überleben.

Unterhalb einer entdecke ich auf einem Stein sitzend eine etwa 5 cm große feuerrote Libelle, das Männchen einer Feuerlibelle (Crocothemis erythraea).

Weil hier absolut kein Wasser ist und somit nur Sukkulenten überleben können, bin ich total stutzig, dass unter der Sukkulente eine Feuerlibelle sitzt. Feuerlibellen leben in Europa nämlich hauptsächlich an Gewässern, an stehenden Gewässern! Was die Libelle hier in der trocken-heißen Serengeti sucht, ist mir ein Rätsel. Aber es ist eindeutig eine Feuerlibelle. Das sieht man nicht nur am flachen Hinterleib sondern auch an den typischen orangerot-braunen Flecken an den Flügelspitzen. Vermutlich müssen die Tier-Bestimmungsbücher neu geschrieben werden.

Lobo Area


Wir setzen unsere Tour im Gebiet der Lobo Area fort und treffen alsbald auf Strauße und Zebras. Manchmal sind wir so nah, dass man deutlich sehen kann, dass Strauße tatsächlich nur zwei Zehen haben. Ich hab mal gelesen, dass dies von der Natur extra so eingerichtet worden sei, weil dadurch der Fuß kräftiger ist und die Verstauchungsgefahr für den Strauß, immerhin ist er beträchtlich schneller als der schnellste Mensch, wenn er so durch die Savanne rennt, erheblich gemildert sei. Ob das stimmt, kann ich allerdings nicht mit Sicherheit sagen.

Eine andere Sache ist auch sehr interessant. Bei den Zebras ist immer mindestens ein Tier dabei, das Ausschau hält und uns nicht aus den Augen lässt. Das trifft sich prima, so kommt man immer zu einem gelungenen Zebraporträt.

„Radio Africa“


Gegen Mittag treffen wir auf eine Warzenschweinfamilie. Ich find die Tiere total putzig, wenn sie ihren nur bleistiftdünnen Schwanz steil nach oben gestellt, durch die Savanne rennen. Diese Antennen haben ihnen übrigens auch den Spitznamen „Radio Africa“ eingebracht.

Kopjes


Ich habe keine Ahnung, wo Lazaro überall mit uns rumkurvt, aber irgendwie erinnern mich die Kopjes hier an den Kopje, der auch hinter der Lobo Campsite zu finden ist. Könnte sein, denn irgendwann müssen wir ja Alouis wieder abholen, Mittag ist es inzwischen auch schon und sicher hat Alouis uns wieder was super leckeres gekocht.

Zunächst aber noch was zu den Kopjes. Kopjes sind rundliche, einzelstehende Felsen, die man hier zuhauf findet. Sie sind wahrscheinlich dadurch entstanden, dass sich vor unvorstellbar langer Zeit (vor mehreren Milliarden Jahren) im sogenannten Präkambrium tief in der Erde Blasen aus flüssigem Granit bildeten, die sich allmählich nach oben vorarbeitete. Da die weicheren Gesteine inzwischen verwittert sind, liegen die Kopjes heute frei. Winderosion sorgt zusätzlich dafür, dass die meisten Kopjes rundlich sind und bleiben.

Auf und um die Kopjes herum wachsen Pflanzen, die sonst in der Serengeti überhaupt nicht vorkommen. Schuld dran sei der im Bereich der Kopjes besonders hoch liegende Grundwasserspiegel. Nun, ich hab‘ zwar nicht gebohrt nach Wasser, aber ich will’s einfach mal glauben. Immerhin, die Bäume kommen ja nicht von ungefähr. Im Bereich der Kopjes sollen auch allerlei Tiere leben, die weiter weg gar nicht existieren könnten. Zumindest nicht längere Zeit. Das Tier-Spektrum soll von Insekten über Reptilien und Mäuse bis hin zu Affen und Löwen reichen.

Siedleragamen


Als erstes fallen mir zwei männliche Siedleragamen auf, die auf den warmen Steinen bereits ihre blaurote Färbung angenommen haben. Die Farbe bekommen sie tatsächlich erst tagsüber und in der Wärme. Nachts dagegen sind nicht nur alle Katzen grau, sondern auch die Siedleragamen. So ein Siedleragamenmännchen ist etwa 35 bis 40 cm lang – mit Schwanz. Im Gegensatz zu den Eidechsen können Sie diesen aber nicht abwerfen. Dennoch ist einer von beiden recht schwanzlos. Der andere hat auch schon eine „Sollbruchstelle“. Ob das das Werk von Vögeln ist? Keine Ahnung! Andererseits, um so ein großes Tier anzugreifen, müsste es schon ein rabengroßer Vogel gewesen sein und solche habe ich hier nicht gesehen. Waren es andere Tiere? Mangusten vielleicht. Die sollen Reptilien ja angreifen und immerhin habe ich vorher eine vorbeihuschen sehen. Leider hab‘ ich sie nicht mehr auf den Chip bekommen. Aber irgendwann bekomme ich schon noch eine.

Klippspringer


Wenn man Glück hat, kann man in den Kopjes die überaus scheuen Klippspringer sehen, die sich speziell hier oben im Norden der Serengeti gerne auf den hohen Aussichtspunkten aufhalten. Auch hier haben wir Glück! Überhaupt habe ich den Eindruck, dass wir während der ganzen Reisen nur so vom Glück gesegnet sind. Mit meiner früheren Reise vor sieben Jahren, als wir im Tross gefahren sind und in Luxushotels übernachtet haben, hat diese Safari nichts mehr gemein. Wir sind mutterseelenallein und so nahe bei den Tieren, wie ich es mir zwar erträumt hatte, aber nie vorstellen konnte, dass das jemals Realität wird.


< Vom Klein´s Gate zur Lobo Area Serengeti – Von der Lobo Area zur Seronera Area >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA


2 Reaktionen zu “Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti”

  1. Birgitt

    Hallo,

    das ist ein toller Bericht! Sehr unterhaltsam zu lesen und schöne Fotos! Aber um 7.30 Uhr regt sich erst was in den Zelten? Dann wird Kaffee gekocht und ein kleines Frühstückchen eingenomen? Wann seid ihr denn da zu eurer sogen. Frühpirsch raus gefahren?

    Wir sind erst einmal in Tanzania gewesen, dafür aber seit 2004 schon 8x in Kenya und die letzten sechs Male nur noch als Selbstfahrer und Camper. Das ist für uns einfach die genialste Möglichkeit Land, Menschen und die Natur hautnah zu erleben. Im Juli 2011 geht’s wieder nach Kenya!

    Viele Grüße und vielleicht besuchst du uns ja mal auf unserer HP
    Birgitt

  2. Rüdiger

    Hallo Birgit,
    wir sind, was mich sehr genervt hat, immer erst gegen 8:00 Uhr aufgebrochen. Nur in der Seronera Area waren wir schon früher unterwegs.
    Rüdiger