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Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti

Im freien Gelände hinterm Klein’s Gate
Freitag, 21.8.2009 (3/3)


Um 16:10 Uhr öffnet sich der Schlagbaum. Bis zur Lobo Public Campsite sind es auf direktem Weg noch etwa 17 km. Doch direkt dorthin wollen wir nicht. Schließlich gibt’s in der Lobo Area sogenannte Loops, Rundwege, die prädestiniert sein sollen für Tierbeobachtungen: Im nördlichen Bereich sind dies der Lobo- und der Grumeti-Loop, im Süden dann der Ngara Naironya Loop und der Bololedi Game Drive Circuit. So weit runter schaffen wir’s heute aber dann doch nicht mehr und so zeigt uns Lazaro die nördlichen Schleifen.

Es dauert nicht lange und wir sehen am Oberlauf des ausgetrockneten Grumeti-Rivers die ersten Weißbartgnus (Connochaetes taurinus albojubatus), Burchell- oder Steppenzebras (Equus quagga) und Anubis-Paviane (papia anubis).

Alle drei Tierarten haben wir im Tarangire Nationalpark schon gesehen und deshalb habe ich das Wichtigste über sie bereits dort geschrieben.

Falbkatze


Dann werden die Bäume dichter, sodass es schwierig wird, überhaupt irgendwelche Tiere zu sehen. Doch kaum eine halbe Stunde später gibt’s linker Hand im Unterholz eine Katze zu sehen. Der Unbedarfte könnte meinen, okay, eine große, getigerte Hauskatze. Dem ist aber nicht so. Wir haben das Riesenglück, eine der seltenen und überaus scheuen Falbkatzen (Felis silvestris lybica) vor uns zu haben, die Stammmutter aller Haus- und Rassekatzen. Das Gehör dieser Katze ist ausgezeichnet und ihre Augen sollen sechsmal lichtempfindlicher sein als die unseren. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht, warum sie vor uns nicht davongelaufen ist. Sie hockt einfach da, glotzt uns an, und ich hab‘ die Chance, sie einige Male ablichten zu können. Das ist gar nicht so selbstverständlich, denn Falbkatzen sind normalerweise erst nach Sonnenuntergang unterwegs und da könnt’ ich sie eh nicht mehr fotografieren. Falbkatzen fressen so ziemlich alles, was ihnen über den Weg läuft: Nagetiere, Vögel, Echsen und – wenn es sich lohnt – auch mal größere Insekten.

Weißrückengeier


Auf der Krone des höchsten Baumes der ganzen Gegend entdecken wir einen Weißrückengeier (Gyps africanus). Er kommt sehr häufig vor in Tansania und man kann ihn deshalb eigentlich auf jeder Safari erleben. Er ist etwa 80 cm groß und rund 5 Kilo schwer. Weißrückengeier leben monogam. Einmal „verheiratet“ hält die Ehe ein Leben lang. Ihr mit Minimalst-Aufwand errichtetes Nest bauen sie in den Kronen hoher Bäume. Normalerweise legt das Weibchen ein einziges Ei, das dann 56 Tage bebrütet wird. Danach dauert’s noch weitere drei Monate, bis das Küken dann endlich flügge wird. Doch auch dann wohnt „Junior“ noch zu Hause. Insgesamt wird das Küken bis zu sechs Monate von beiden Eltern mit Aas versorgt.

Eine besondere Angewohnheit des Weißrückengeiers möchte ich noch erwähnen. Man weiß ja, dass es in Afrika mitunter sehr heiß sein kann. Vögel schwitzen aber nicht. Um sich dennoch Kühlung zu verschaffen, pinkeln sie sich auf die Beine oder sie kacken d’rauf. Verdunsten die flüssigen Anteile der Ausscheidungen, werden die bedeckten Bereiche gekühlt. Verdampfungskühlung nennt man das. Sie ist immer noch die wirkungsvollste Art, einen Körper wohl temperiert zu halten. Mit Urin und Kot zwar etwas unkonventionell, aber wirksam.

Serengeti – Das weite Land


Der Wald lichtet sich und das Gebiet wird immer offener. Überall gibt es jetzt nur noch einen goldgelben Teppich aus verdorrtem Gras zu sehe mit Akazien drauf. So, und genau auch in den Farben, habe ich mir „die große Ebene“ immer vorgestellt.

Kongonis


In diesem Gebiet treffen wir auf Kongonis (Alcelaphus buselaphus cokei), eine ostafrikanische Unterart der Kuhantilopen. Kongonis sind sehr große Antilopen, die man auch als Laie sehr leicht erkennen kann: Zum einen wegen des außergewöhnlichen Geweihs, das aus einem einzigen Stamm mitten aus dem Kopf herauswächst und (von vorne gesehen) dann wie der Rahmen einer Lyra aussieht, zum andern durch die stark abfallende Rückenlinie, die sich dadurch ergibt, dass die Hinterbeine dieser Antilopen eben kürzer sind als die vorderen.

In Ostafrika nennt man Kongonis, weil sie trotz ihrer unterschiedlich langen Beine beim Laufen ungewöhnlich ausdauernd sind, auch Hartebeests (zähe Rinder). Kuhantilopen sind gesellige Grasfresser. Man trifft sie häufig zusammen mit anderen Antilopen, Zebras und Straußen. Sie können auch lange ohne Wasser auskommen. Ihre hauptsächlichen Feinde sind Löwen. Ob wir einen zu Gesicht bekommen?

Kaffernbüffel


Je weiter wir in die Serengeti hineinkommen, umso wasserreicher muss das Gebiet sein, denn jetzt sehen wir zum ersten Mal auch Kaffernbüffel (Syncerus caffer). Obwohl, „Kaffern“-Büffel sollte man eigentlich gar nicht mehr sagen, weil „Kaffer“ im letzten Jahrhundert eine wüste rassistische Bezeichnung der europäischen Kolonialisten und Einwanderer für Schwarze war. Politisch korrekt werden die Tiere daher heute auch Steppen- oder Schwarzbüffel genannt und das obwohl der Name „caffer“ in der lateinischen Bezeichnung verankert blieb.

Nach dem Afrikanischen Elefanten und den Löwen (vorgestern im Tarangire) ist der Büffel schon der dritte der sogenannten „Big Five“. Für Großwildjäger waren diese fünf das Hauptziel einer jeden Jagdsafari. Wir sind zwar auch auf Jagd, aber keine Großwildjäger, sondern Hobbyfotografen. Ein tolles Gefühl wär’ es aber schon, wenn wir die ganzen „Big Five“, also Elefant, Löwe, Büffel, Leopard und Nashorn zu Gesicht bekämen. Bisher ist uns Tansania da nichts schuldig geblieben. Drei von fünf ist eine super Ausbeute und bis Dienstag kann sich noch viel tun.

Steppen- oder Schwarzbüffel sind riesige Tiere, mit Schulterhöhen von bis zu 1,70 Metern und einem Gewicht von bis zu einer Tonne. Sowohl Kühe als auch Bullen tragen ausladende Hörner. Die Ohren sind unter den Hörnern angesetzt. Beim Bullen sind beide Hörner noch durch einen auf dem Kopf sitzenden Knochenschild verbunden. Büffel fressen Gräser, Kräuter und Laub, aber auch Schilf gehört auf ihren Speiseplan. Obwohl Steppen- oder Schwarzbüffel von Haus aus friedlich sind, wird von ihnen behauptet, sie seien das „gefährlichste Wild“ Afrikas. Wahrscheinlich aber nur dann, wenn sie geärgert werden, von Farmern, die sie von ihrem Land vertreiben wollen oder von Leoparden und Löwen, die ihnen nach dem Leben trachten. Dabei haben beide Katzen bei gesunden Büffeln nicht die Spur einer Chance. Ich bin wohl der Letzte, der dem Büffel was antun will, aber so formatfüllend, nur der Kopf in meinem Sucher, da ist auch mir nicht ganz wohl dabei.

Afrikanische Büffel sind tagaktiv. In der größten Mittagshitze allerdings ziehen sie sich in den Schatten oder in Schlammkuhlen zurück. Dort kann man sich herrlich wälzen und suhlen. Wenn der Schlamm nach dem Bad trocknet, sind lästige Parasiten, die zahlreich auf der Haut der Büffel sitzen, darin „festgepappt“ und man kann sie mitsamt Schlamm an einem „Scheuerbaum“ abschubbern.

Schwalbenschwanzspint


In Büchern ist zu lesen, dass im Umfeld von Büffeln auch immer Kuhreiher (Ardeola ibis) zu finden seien, welche die von den Büffeln aufgescheuchten Insekten und Kleintiere fressen, ebenso Madenhacker (Buphagus), welche die Haut der Büffel nach lästigen Bewohnern absuchen. Beide, sowohl Kuhreiher als auch Madenhacker, konnte ich in der Lobo Area nicht finden. Dafür aber einen etwa 20 cm großen smaragdgrünen Vogel mit gebogenem spitzem Schnabel, schwarzer Zorro-Maske, zitronengelber Kehle, blauem Halsband und blauem, gegabeltem Schwanz. Ich dacht’ ja, so bunt, das muss ein Papagei sein, doch da stimmt der Schnabel nicht. In einem Vogelbestimmungsbuch fand ich dann die Bezeichnung Swallow-tailed Bee-eater (Merops hirundineus). Ein Bienenfresser also, ein schwalbenschwänziger. Erst in „wer-weiss-was“ konnte mir dann ein Vogelkundler den deutschen Namen des Vogels nennen: Schwalbenschwanzspint. Schwalbenschwanzspinte ernähren sich, wie alle Bienenfresser von Insekten, in erster Linie Bienen, Hornissen und Wespen, welche sie (zunächst auf einem Ansitz wartend) im Flug erbeuten.

Siedleragame


17:00 Uhr, wir machen uns langsam auf Richtung Campsite, schließlich wollen wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unsere Zelte aufgestellt haben. Auf der Fahrt zur Campsite sehen wir auf einem Felsen liegend ein Siedleragamem-Männchen (Agama agama), welches gerade dabei ist, noch die letzten Sonnenstrahlen einzufangen. Ein paar Minuten später und aus wär’s mit der Farbenpracht. In der Nacht sind die rot und blau schimmernden Männchen nämlich, ebenso wie ihre Weibchen es den ganzen Tag über sind, grau.

Public Campsite – Lobo Area


Gegen 17:30 Uhr erreichen wir unterhalb eines Kopjes ein Stückchen „vertrockneter Wiese“ mit zwei vergitterten Häuschen drauf, eins zum drin kochen und eins zum drin essen. Wäre da kein Schild, ich würde das winzige Gelände niemals als Campsite erkennen. Und doch: Wir sind in der Campsite der Lobo-Area. Zum ersten Mal richtig in der Wildnis. Es gibt weder Zaun noch Hecke, nur ein Plumpsklo und etwas abseits einen 5m³-Wassertank mit einem einzigen Wasserhahn dran – in 30 cm Höhe. Einen Kochtopf für Nudelwasser oder Tee kann man grad noch drunter stellen, aber wie man sich dort waschen soll, bleibt mir ein Rätsel.

Dennoch ist die Lobo-Area Campsite etwas Besonderes. Man hat einen großartigen Blick auf die Kopjes hinter uns, wo vorwitzige Paviane „Hasch mich“ spielen, und auf eine endlose Ebene im Osten, wo Büffel gerade ihr „Abendbrot“ zu sich nehmen.

Das Ritual


Ich weiß nicht, ob es euch auch schon mal so ergangen ist, mich jedenfalls durchströmt ein eigenartiges Gefühl. Es gibt Orte auf der Welt, die auf Menschen eine geheimnisvolle Kraft ausstrahlen: Stonehenge in Südengland, die Osterinseln im Südost-Pazifik oder Machu Picchu in Peru. Für mich ist es heute die Lobo-Area in der Serengeti. Hier zelebriere ich ein Ritual, von dem ich schon lange geträumt hatte: Im Sonnenuntergang in der Serengeti sitzen und Bernhard Grzimeks 50 Jahre alten Bestseller lesen: „Serengeti darf nicht sterben“.

Klippspringer


Während Alouis das Essen zaubert, seh ich mich im Camp noch etwas um. Villeicht gibt’s ja noch etwas zu fotografieren. Und ich hab wieder Glück! Im letzten Abendlicht sehe ich auf dem Kopje einen Klippspringer (Oreotragus oreotragus) liegen. Die Hufe der Kippspringer sind so dünn wie ein Bleistiftabsätze, allerdings mit Gummisohle. Nur so wird verhindert, dass sie beim Springen von Fels zu Fels nicht ausrutschen. Zudem sind die Augen der Klippspringer viel weiter vorne angeordnet als bei anderen Antilopen, sodass sie, ähnlich wie wir, auch räumlich sehen können. Das ist beim Springen von Fels zu Fels sehr wichtig, will man nicht plötzlich einen Meter vorm Ziel aufkommen.


Afrika – gefühlt 5°C


Während man beschäftigt ist, ist man emotional so „aufgedreht“, dass man die Kälte gar nicht spürt, außerdem denkt man in Afrika gar nicht an Kälte. Hier aber ist es lausig kalt. Dazu bläst ein heftiger Wind. Gefühlt sind’s hier maximal 5°C und ich im T-Shirt. An Alouis‘ Kochstelle versuche ich mich notdürftig ein bisschen aufzuwärmen, doch es hilft alles nichts. Helmut und Werner waren da nicht so blöd wie ich. Sie haben vernünftigerweise bereits was übergezogen, Kleidung, die sie noch von ihrer Kilimanjaro-Besteigung dabei haben. Dass ich mir einen „abfrier“, kann doch wohl nicht sein. Schließlich sind wir in Afrika! Es hat alles keinen Sinn, ich muss mir auch etwas zum Überziehen holen, sonst sterb´ ich tot …

Alouis ruft zum Essen. Auch wenn er uns heute Abend „warme Küche“ kredenzt, nützt das nichts, mir wird nicht warm, und wenn ich mir Helmut und Werner so eingepackt ansehe, dazu Lazaro und Alouis genauso, dann glaubt man nicht, dass wir uns in Afrika befinden, 2° südlich des Äquators. 2° auf der Karte (!), nicht 2° „südlich“ des Gefrierpunkts! Ein Grog wäre jetzt genau das Richtige, ein Glühwein wär’ auch nicht schlecht oder ein Jägertee. Doch nichts davon. Und wieder mal „hakune matata“. Alouis kocht nen Tee und Helmut zaubert von irgendwoher Hochprozentiges. Wo hat der Flasche bloß her? Boah, das tut gut! Trotzdem, oder gerade drum, geht’s schon recht früh in die Heia, nicht ohne dass Lazaro uns noch eindringlich ermahnt, das Zelt nachts auf gar keinen Fall zu verlassen. Das sei (ohne Zaun und ohne Hecke um die Campsite) lebensgefährlich.

Auf keinen Fall das Zelt verlassen


„Auf keinen Fall das Zelt verlassen“. Was so ein Satz bei einem sensiblen Menschen auslösen kann, erlebe ich jetzt am eigenen Leib. 1:08 Uhr in der Nacht! Aus ist`s mit lustig! Nicht, dass es reichen würde, dass draußen der Wind am Zelt zerrt, nein, jetzt bekomme ich auch noch Magenkrämpfe und Schüttelfrost. Ich schaffe es gerade noch raus aus meinem Schlafsack und mit spitzem Hintern rein in eine blaue 120-Liter-LDPE-Mülltüte (feste Qualität) . Die Tüten habe ich ja eigentlich dabei, um meine Sachen bei Regen oder später auf den Booten in Sansibar vor Meerwasser zu schützen, an solche Kinkerlitzchen kann ich jetzt aber nicht denken …

Gottseidank, die Situation ist überstanden, und das Zelt hat nichts abbekommen.Doch nun habe ich ein anderes Problem: Wohin mit der Tüte, wenn man das Zelt „auf gar keinen Fall“ verlassen darf (gilt das auch für Durch-Fall?)? Zum Glück habe ich mit Chiccos Hundehäufchentüten schon so viel Erfahrung, dass ich meine Mülltüte einigermaßen geruchsdicht verknoten und vor das riesengroße Fliegengitterfenster hängen kann.Zudem hat das Zelt auch noch eine größere Fliegengittertür, sodass man trotz „Einschränkungen“ praktisch dennoch „an der frischen Luft“ liegt.

Mir ist’s hundeelend. Der Unterbauch rebelliert. Noch fünf Stunden bis zum Sonnenaufgang. In meiner Verzweiflung schieb ich mir trocken eine Imodium in den Rachen und um mich abzulenken, seh‘ ich auf meinem Epson P 2000 Werner W.s Film von dessen Tour im Februar an. Werners Film zeigt genau das, was ich bisher auch erlebt habe. Einen Tag nach der Lobo-Area hatte seine Truppe dann sogar einen Leoparden gesehen, den vierten der Big Five. Heute noch ’nen Leoparden, das wär’s doch!! Bei seinem Kommentar „… wir können unser Safari-Glück überhaupt nicht fassen…“ mach’ ich das Gerät dann doch aus und sprech‘ mir autosuggestiv selbst Mut zu: „Mensch Hengl, davon hast Du geträumt, von der Serengeti, und nun bist du da! Mit allen Highlights: Vorgestern unterm Wasserfall und gestern Abend mit dem Serengeti-Buch in der weiten Savanne, da geht doch nichts mehr drüber! Vielleicht sehen wir heute auch einen Leoparden. Das ist es, was zählt! Sch*** doch auf den Durchfall!“

Nach etwa einer Stunde zeigt das Medikament seine Wirkung und Magen und Darm beruhigen sich. Voll Vorfreude auf den Sonnenaufgang wickel ich mich in meine „Erste-Hilfe-Rettungsdecke“, kuschel mich samt „Alu-Umhüllung“ in meinen Schlafsack und schlaf‘ dann irgendwann tatsächlich ein.


 

< Klein´s Gate (Eingang zur Serengeti) Serengeti – Lobo Area >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA