Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti
Oldonyo Lengai (20.8.2009)
Nur noch zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang, dabei wollen wir doch auch noch zum Lake Natron, Flamingos fotografieren. Da wird’s langsam Zeit. Andererseits, gestern, als Lazaro und Alouis ihr „pole, pole“ (langsam, langsam) an den Anschlag steigerten und wir von der Zion Campsite einfach nicht weg kamen, hab’ ich auch schon so ’ne Hektik gemacht und was war dann? Wir haben Tiere gesehen ohne Ende. So ähnlich wird’s heute sicher auch wieder sein, da kann man fast von ausgehen. Also abwarten und … nein, nicht Tee trinken, sondern Wasser. Zum Glück gibt’s davon im Landrover genügend. Da hat Elefant Tours gut vorgesorgt. Am Wasserfall vorhin oder auf dem Weg dorthin und zurück, wär’ der eine oder andere Schluck allerdings auch nicht zu verachten gewesen. Keiner hat ’nen Pieps gesagt, wie lang das dauert und wie schweißtreibend die Wanderung sein wird. Was auch nicht schlecht wäre, wären ein paar Kekse gewesen oder sonst irgendwelche Energiespender. Nun denn, beim nächsten Mal wissen wir’s.
Der Toyota nimmt Kurs Richtung Nordosten. Es geht leicht bergab und rechts vor uns erkennen wir im prächtigen Spätnachmittaglicht die Silhouette des Oldonyo Lengai. Oldonyo Lengai ist ein sogenannter Strato- oder Schichtvulkan, d.h. dass er aufgrund von vielen Ausbrüchen im Lauf der Zeit schichtweise aus Asche und Lava aufgebaut wurde. Auch heute noch ist der Vulkan sehr aktiv. Der letzte Ausbruch war 2006. Mit seiner nahezu idealen Kegelform ist der Anblick ein Traum und mit dem typischen Massai-Runddorf Engare Sero davor ein fotografisches Gedicht.
Lake Natron
20 Minuten später erreichen wir auf etwa 610 m Meereshöhe Lake Natron. Er liegt an der tiefsten Stelle des ostafrikanischen Grabenbruchs. In der Regenzeit kann der See bis zu 59 km lang und 24 km breit werden und ist dann fast doppelt so groß wie der Bodensee. In der Trockenzeit ist er erheblich kleiner, so dass es bis zu seinem „Trockenzeit-Ufer“ doch ein ganz schönes Stück hin ist. In der Trockenzeit verdunstet ob der Hitze so viel Wasser, dass weder die Zuflüsse Ewaso Ngiro, Peninj und Ngare Sero, in dem ich vorhin gebadet habe, noch die hydtrothermalen Quellen diesen Verlust wettmachen können. Natürlich könne man auch jetzt noch hinlaufen, aber da es schon recht spät ist, nehmen wir auf dem ausgetrockneten Teil des Sees den Landcruiser und gehen nur noch die letzten Meter zu Fuß.
Wegen des hohen Gehalts an Natriumkarbonat ist sein Wasser stark alkalisch. Ich wollte noch ein pH-Papier mitnehmen, hab’s dann aber doch vergessen. Das alkalische Wasser ist so aggressiv, dass es Proteine, die Grundbausteinen aller Zellen, auflösen kann. Hautkontakt sollte daher unbedingt vermieden werden.
Auch Lederschuhen setzt die Brühe erheblich zu. Da aber kaum Wasser vorhanden und der Schlick nur wenige Zentimeter dick ist, fahre ich mit meinen Trekking-Sandalen recht gut. Schakale und Löwen allerdings haben keine Sandalen, insofern haben sie nicht den Hauch einer Chance, sich durch den ätzenden Schlick an die vermeintliche Beute heranzukämpfen. Weil die Flamingos ihre Eier auf sogenannte Brutkegel (kleine Hügel im Wasser) ablegen, wird der Zugriff noch schwieriger, denn dort – so Koringa – soll das Wasser auch noch besonders ätzend sein.
Zwergflamingos
Lake Natron ist der weltweit wichtigste Brutplatz und die Heimat von abertausenden Zwergflamingos, die sich diesen lebensfeindlichen Bedingungen in der glühend heißen Senke vorzüglich angepasst haben und die dem See schon aus der Ferne seinen rosa Schimmer verleihen.
Obwohl man die Massen nicht übersehen kann, steht der Zwergflamingo dennoch auf der Roten Liste der Welt-Naturschutz-Behörde. Da der Vogel vorrangig aus Hals und Beinen besteht, wiegt er trotz einer Körpergröße von bis zu einem Meter gerade mal 2 Kilogramm. Zwergflamingos kann die Brühe nichts anhaben. Ihre nackten Beine trotzen dem ätzenden Wasser und sie sind auch lang genug, die Körper der Flamingos weit genug über der Salzlauge zu halten. Problematischer wird’s für die Jungen. Sind die Nester nämlich nicht hoch genug gebaut, werden sie mit Beginn der Regenzeit überflutet und die Jungen ertrinken, bevor sie das Nest verlassen können.
Auch nahrungstechnisch ist der alkalische See für die Flamingos geradezu ideal. In der ätzenden Lauge des Sees gedeihen spiralförmige Blaualgen, die dem Vogel als Grundnahrung dienen und die er mit seinem großen hakenförmigen (kopfüber, d. h. Oberschnabel nach unten) aus dem Wasser siebt. Das Menü wird ergänzt durch kleinen Krabbe, die dem Vogel seine rosa Farbe verleihen.
Jeden Abend erheben sich Tausende der rosa Flamingos in den Himmel, breiten ihre schwarzumrandeten, im Zentrum rot gefärbten Flügel aus und drehen ein paar Runden.
Massai-Händler sind überall
Man kann fast schon drauf wetten. Wo immer man als Tourist inne hält und seine Kamera auspackt, sind kurze Zeit später auch mindestens doppelt so viele Massai-Frauen und -Kinder da. Nicht weil sie etwa fotografiert werden wollen (das mögen Massai überhaupt nicht), sondern weil sie sich von den „wageni“ (Fremden) ein Geschäft erhoffen.
Schmuck und andere Utensilien werden auf dem Boden ausgebreitet und in absolut „unstolzer“ Weise angeboten. Ich habe immer gelesen, die Massai seien ein stolzes Volk und jetzt hocken Massai-Frauen und -Kinder bei den Waren am Boden und blicken unterwürfig nach oben, ob sich nicht etwa einer der „wageni“ herablässt, irgendetwas bei ihnen zu kaufen. Obwohl ich überhaupt nichts brauche, habe ich bei einer Frau für 2500 TSh (1,36 €) einen Armreif gekauft und bei einer andern gegen zwei Kugelschreiber, die in meiner Brusttasche steckten und die sie unbedingt haben wollte, eine Halskette eingetauscht.
Sonnenuntergang am Lake Natron
Allmählich neigt der Tag sich seinem Ende zu. Es ist 18:15 Uhr, als hinter dem Mto-wa-Mbagai-Segment mit dem Berg Mosynik die Sonne untergeht. Ein orangeroter Himmel über einer pechschwarzen Silhouette. Ein weiter Höhepunkt an diesem zweiten Tag. Lazaro bringt uns zurück zur Lake Natron Campsite, wo wir in der lauen Abendluft noch lange sitzen, erzählen und bei einer Dose „Kilimanjaro-Bier“ und unser Leben genießen. Auch der zweite Tag in Afrika, obwohl ganz anders als der erste, war abermals ein Traum.
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REISEBERICHTE AUS AFRIKA |
Am 7. Juni 2014 um 12:12 Uhr
Das letzte Foto derweil ist ein allerbestes Postkartenmotiv! Unglaublich.