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Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti

Wanderung zu den Engare-Sero-Waterfalls (20.8.2009)


Nachdem uns Lazaro gegen halb vier mit dem Defender an den Eingang der tief ins Hochplateau eingeschnittenen Schlucht gefahren hat, übernimmt fortan der junge Massai Koringa die Führung. Lazaro ist Fahrer, kein „Wanderer“, das wird mir sofort klar. Alouis ist und bleibt „verschollen“, seit der Ankunft im Camp habe ich ihn nirgendwo mehr gesehen.

Zunächst wandern wir durch leicht hügeliges Gelände. Hier gibt es nur Ziegen und – eben „beknackte“ Touristen. Niemand anders würde auf die Idee kommen, sich bei glühender Sonne und Dürre zu Fuß auf den Weg zu machen. „Take at least 1 litre of water and snacks with you” (Nimm wenigstes 1 Liter Wasser und ein paar Snacks mit), empfiehlt ein ehemaliger Engara-Sero-Erwanderer im Internet. Diese Seite ist mir zum Zeitpunkt der Wanderung allerdings noch gar nicht bekannt. So hatten wir außer digitaler Spiegelreflex und wasserfester Analogkamera natürlich nichts dabei, nur unseren grenzenlosen Optimismus und eine ebenso grenzenlose Naivität. Wenigstens waren wir aber schlau genug, jeder einen Hut aufzusetzen.

Obwohl die wüstenähnlichen Felsen staubtrocken sind, wachsen hier sehr interessante Pflanzen. Die Wüstenrose beispielsweise (Adenium obesum) ist eine Pflanze, die Wasser in ihrem Stamm speichern kann. Auch sie ist (wie heute früh schon die Candelabra trees) giftig. In weiten Teilen Afrikas wird der aus Wurzeln oder Stämmen gewonnene Milchsaft als Pfeilgift verwendet. Getroffene Tiere kommen dann allenfalls noch 2 Kilometer weit. Ob man die Tiere hernach dann (mit dem ganzen Gift in sich) noch essen kann, weiß ich nicht. In Mauretanien soll man den Saft sogar für Hinrichtungen verwendet haben.

Der Weg am Fluss entlang ist zwar steinig und zunächst auch noch begehbar. Doch dann hört die Sache plötzlich auf. Der Fluss, wenn auch nicht sehr breit, versperrt uns den Weg. „Es gibt keinen andere Möglichkeit, wir müssen da rüber“, meint Koringa, und so bleibt uns nichts anderes übrig.

Im Grunde gibt es zwei Alternativen: Schuhe aus und barfuß. Dann hat man aber keinen Halt mehr auf dem rutschigen Untergrund. Oder aber Trekking-Sandalen anlassen, dann hat man keinen Halt mehr in den Trekking-Sandalen. Ich entscheide mich trotzdem für Letzteres. Wie und wo soll ich schließlich meine zwei Kameras halten, wenn ich auch noch Schuhe in der Hand hab’?

Auf der andern Seite geht’s dann auf Geröll weiter, mal flacher, mal steiler. Jeder Führer versucht, für sich und seine Leute den besten Weg zu finden. Weiter hinten wird die Schlucht immer schmaler. Trockenen Fußes sollten jetzt nur noch selbstsichere Kletterer weitergehen. Für alle anderen heißt’s „Wasser-Marsch“. Aber alles ist machbar. Dennoch, in Deutschland wäre so ein Weg sofort gesperrt worden (zumal für „Schläppchenträger“). Was wir hier machen, ist mehr als leichtsinnig. Eine weitere Flussüberquerung folgt. Dieses Mal ein bisschen tiefer, dieses Mal mit noch weniger sicheren Trittstellen.

Mit einem Stock stochert Koringa „im Nebel“ und markiert unter Wasser die Punkte, wo wir den Fuß am besten hinsetzen sollen. Blindes Vertrauen, denn den Grund sieht man an manchen Stellen wirklich nicht mehr. Schon bin ich ’nen halben Meter tiefer, verlier’ den Halt, taumel’ und kann die Kamera gerade noch über Wasser halten. (Die Aufnahmen sind alle mit der Spiegelreflex gemacht, deshalb ist diese naturgemäß auf den Fotos nicht zu sehen). „Kann man die Kamera mitnehmen?“, hab ich ihn vorhin noch gefragt. „Hakuna Matata (kein Problem)“, war die Antwort. Nun, es ist ja nicht seine Kamera. Wenn die jetzt „reingeplotzt“ wäre … Koringa, ich hätt’ dich ersäuft. (Bitte nicht ernst nehmen!)

Hatte ich eben noch (von einem fußfeuchten Beobachtungsplatz) Helmuts Kletterkünste über mir bewundert, wird nun auch von mir alpinistisches Geschick abverlangt. Das mir, der noch nie in den Bergen war. In einem schmalen, senkrechten Teil, das ich als Berg-Laie locker als Kamin bezeichnen würde, müssen wir zwei Meter hoch klettern. Für den Helmut ist das nichts. Für mich als Nichtkraxler ist das ganz schön anstrengend, in dem 70 cm breiten Teil zwei Meter hochzuklettern. Links, rechts, links, rechts. Koringa zeigt mit dem Stock immer dorthin, wo ich beim nächsten Schritt meinen Fuß hinsetzen soll. Der nächste einen halben Meter höher. Dorthin musst du deinen Fuß aber erst mal bringen, wenn du, wie ich, total unsportlich bist.

Unterm Engare-Sero-Waterfall


Etwa eine dreiviertel Stunde nach Beginn unserer Wanderung geht unter normalen Umständen gar nichts mehr. Für viele ist daher die Wanderung hier zu Ende. Doch das war nicht mein Ziel. Ich frage Helmut und Werner, ob sie auf meine Spiegelreflex aufpassen können, wenn ich rübergeh’ zum Wasserfall. „Klar doch!“ Ich zieh’ mein T-Shirt aus, schnapp meine AS 1 und mach’ mich auf den Weg. Erst durchs Wasser watend, das kenn’ ich ja schon. Doch das Wasser wird immer tiefer, reicht erst bis zum Bauch, dann bis zur Brust, dann heißt es schwimmen. Begrenzt wird der Fluss links und rechts von steilen Felswänden. Eine enge, wassergefüllte Schlucht. Doch das interessiert nicht. Ich will zu dem Wasserfall hin, ich will einfach!

Die Strömung allerdings ist nicht von schlechten Eltern und ich habe alle Mühe voranzukommen. Manchmal reicht meine Kraft zum Schwimmen nicht mehr aus und ich muss mich Meter für Meter an den Felswänden entlang hangeln. Ist doch egal, wie lächerlich das aussieht. Sind ohnehin nur noch wenige, die hier hinten sind. Ich hoffe, ich trete keinem zu nahe, wenn ich sage: „Allesamt Verrückte“. Koringa dagegen schwimmt, als ob das überhaupt nichts wäre, und erreicht lange vor mir den Wasserfall. Ich selbst hab’ ganz schön zu kämpfen. Parallel mit mir schwimmt eine Belgierin oder Französin. Ich frag’ sie, ob sie eventuell Bilder machen kann, wenn ich voraus schwimme und dann unterm Wasserfall steh’. Sie kann! Endlich komme ich an einen Stein, auf den man vorm Wasserfall hochklettern kann. Die steilen Felswände sind mit Moos und allerlei tropischen Pflanzen bewachsen. Leider schafft der schwache Blitz der AS-1 nicht, das richtig auszuleuchten.

Aber ich bin da! Genau das wollte ich! Das Wasser ist herrlich weich und es ist Donnerstag 20.8.2009, 16:20 Uhr. Ich breit’ meine Arme aus und schrei’ meine Freude hinaus. Gleichzeitig kommt die Freude aber mehr und mehr in mich hinein! Nach einem einzigen Foto will die Frau schon aufhören, ich rufe aber nur „again and again“ und mache wohl auch die entsprechenden Handbewegungen (Französisch kann ich leider nicht). Aber die Frau versteht mich und schießt den Film durch. Tuto completto: 36 Bilder! Ich hoffe, dass wenigstens ein oder zwei Bilder dabei sind, die brauchbar genug sind für die Homepage. Dass ich hier stehe, hätte ich nie zu träumen gewagt. Es ist einfach nicht wahr. Heute Morgen noch in der Zion Campsite, dann in Mto wa Mbu, stundenlang in der Dürre und jetzt hier. Zwischen steilen, moosbewachsenen Felswänden, wilden Bananen und allerlei anderen tropischen Pflanzen, in einem Wasserfall aus weichem, leicht sodahaltigem, aber total erfrischendem Wasser (man muss es ja nicht trinken!). Noch niemals zuvor hatte ich ein vergleichbares Glücksgefühl. Fünf Minuten genieße ich das, dann lass’ ich mich von der Strömung dorthin treiben, wo ich Werner und Helmut vor ’ner Viertelstunde mit meiner Digitalkamera zurückgelassen hab’. Werner meint nur, was war denn los? Du guckst, als ob’s dahinten Drogen gab. Drogen nicht, aber ich habe unter dem Wasserfall ein Glücksgefühl, wie ich es noch nie zuvor in meinem Leben erlebt hab. (Was am Engara Sero-Wasserfall abgeht, kann man übrigens auch sehr gut in einem Film bei You Tube sehen.)

Eine dreiviertel Stunde später sind wir wieder zurück an unserem Ausgangspunkt. Lazaro wartet schon, denn wir wollen heute Abend noch (vor Sonnenuntergang und dann in den Sonnenuntergang hinein) am Lake Natron sein und Flamingos fotografieren.


< Lake Natron Campsite Oldonyo Lengai und Lake Natron >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA


Eine Reaktion zu “Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti”

  1. Stephan

    Ich bewundere Dich, dass Du Dich mit Trekkingsandalen da durch gewagt hast. Ich hab ne gepflegte Phobie was solch offene Schuhe betrifft und wenn man Dich so reden hört, braucht es vor allen wasserdichtes Equipement (Rucksack vor allen!) und sehr festes Schuhwerk. Gut zu wissen!

    Derweil sind Momente wie der unterm Wasserfall genau die, für die es sich zu leben lohnt, und wofür man auch zu arbeiten weiß UND an denen man sehr sehr lange zehren kann.