Zum 30. Jahrestag – Unsere Hochzeitsreise nach Thailand
Mann, war das ´ne Nacht.
Dienstag, 4. Januar 1994
Mann, war das ´ne Nacht. Gegen halb drei am Morgen weckt mich eine total hysterische und in Panik geratene Susanne. Das ist völlig ungewohnt bei ihr. Sie jammert nur noch und klagt über Bauchweh und Durchfall.
So, wie sie aussieht, hat sie sicher auch Fieber. Sie glüht regelrecht. Aber was soll ich machen? Ich bin – so aus dem Schlaf gerissen – total überfordert und weiß nicht, was ich tun soll mit dem Häufchen Elend. Immer wieder frag ich, ob ich sie nicht ins Krankenhaus bringen soll. Doch in ein asiatisches Krankenhaus will Susanne partout nicht. Das einzige, was sie akzeptiert, ist Cola mit Mekong (oder umgekehrt). Um halb vier ist sie dann erschöpft eingeschlafen. Was ist, wenn sie nicht mehr aufwacht?
Jetzt kann ich nicht mehr schlafen. Gewissensbisse plagen mich und ich wälz mich im Bett hin und her. Wie soll das mit der Hochzeitsreise weitergehen? Wie kommen wir wieder zurück nach Deutschland? Ich bin in der Situation total überfordert.
Gegen 9:00 Uhr wacht Susanne auf. Ihr erster Weg ist der zum Klo. Spucken (Erbrechen) kann sie nicht, auch wenn sie den Finger noch so tief in den Hals steckt.
Ich frag Susanne, ob ich sie kurz alleine lassen kann und geh zur Rezeption. Dort sagt man mir, dass die Hotelklinik – so was gibt es auch? – ab 14:00 Uhr Sprechstunde habe. So lange müssen wir noch durchhalten.
Hotelklinik
14:00 Uhr. Wir sind im Wartezimmer des Hotel-Arztes. Aber gewonnen haben wir dadurch noch nichts. Susanne reihert am Stück, hat Durchfall und klappt zwischendurch immer mal wieder zusammen. Beide sind wir in Sorge, was uns hinter der Sprechzimmertür wohl erwartet.
Nachdem wir einige Zeit im Wartezimmer verbracht haben, wird Susanne schließlich aufgerufen. Ich muss bei der Behandlung draußen bleiben, weshalb ich hier nur wiedergeben kann, was mir Susanne später erzählt hat.
„Der Arzt war eigentlich sehr nett, was mich aber genervt hat: Da erzähle ich ihm, dass ich heute Nacht fast eingegangen bin und er lächelt. Aber das machen Asiaten – unabhängig von ihren Emotionen – wohl immer.“
Dann die Diagnose: „The symptoms are clear: nausea, vomiting, diarrhea and dizziness. – That’s food poisoning!“, grinst er. „Food poisoning often happens with Farangs. That’s no problem.“
„Dann hat er aus seinem Medikamentenschrank eine Schachtel „Cibrobay“ geholt und mir eine Tablette davon gegeben. Die habe ich gleich nehmen müssen.“
„Zusätzlich gab’s Verhaltensmaßregeln:„ „Because of dehydration you have to drink – exclusively water! – but only small sips. Don’t eat soup or any other fatty foods! Prefer bananas and toast. But the most important: Try to rest and get enough sleep. Give your body time to recover.“ „Das war’s dann. Die Behandlungskosten kommen dann auf die Hotelrechnung“
Besonders viel frischer – als vorhin, wo sie zum Doktor reinging – sieht Susanne jetzt auch nicht aus. Wir fahren mit dem Fahrstuhl runter, gehen in unser Zimmer und Susanne legt sich – nachdem sie wieder auf dem Klo war – sogleich ins Bett. Ich frag sie, ob ich sie alleine lassen kann, dann würde ich versuchen, in Kata Village Bananen und Toastbrot zu bekommen. Außerdem habe ich selbst auch Mordshunger.
Einkaufen und Essen in Kata Village
Bananen sind schnell gefunden, aber Toastbrot scheint es hier nirgendwo zu geben, so kaufe ich stattdessen ein Päckchen Cracker. Wird wohl ähnlich sein.
Anschließend gehe ich in eine Pizzeria. Was Thailändisches zu essen ist mir – nach dem Vorfall heute Nacht – irgendwie zu heikel. Das Essen ist zwar italienisch, aber die Kultur ist thailändisch. So wie Susanne heute Nachmittag mit dem Dauerlächeln des Arztes (das ist eben thailändische Kultur) zu tun hatte, habe ich’s nun mit einer anderen Auswirkung thailändischer Kultur zu tun, mit dem Verhalten thailändischer Frauen. Die haben nämlich überhaupt keine Skrupel, Männer anzumachen. Bevorzugte Angriffsobjekte sind – so habe ich später erfahren – Männer, die tagsüber schon Bier trinken. Aber warum sollte ich zur Pizza kein Bier trinken?
Wie soll ich mit der übertrieben freundlichen, ja sogar fast schon anmachenden Art umgehen? Einesteils schmeichelt’s mir, andererseits muss ich auch Grenzen setzen. Wie macht man das in Thailand, ohne gleich auf Konfrontation zu gehen? Ich fühl mich irgendwie gar nicht wohl, ess meine Pizza – die wirklich gut ist -, trink mein Bier und geh – ohne Trinkgeld. Vielleicht ist das ein Signal?
Rosen für die Dame
Wie ich so durch Kata Village schlendere, springt mich spontan der Gedanke an, dass ich Susanne ja nicht nur Bananen und Cracker mitbringen kann, sondern ihr auch zeigen sollte, dass ich mir Sorgen um sie mache, ich sie mag und sie irgendwie unterstützen möchte. Was würde dazu wohl besser geeignet sein als ein paar Blümchen? Natürlich nicht irgendwelche Blümchen – Jasmin, Orchideen, Lotos und sogar Sonnenblumen bekommt man hier ja zuhauf – nein, wenn schon, dann müssen es rote Rosen sein, waren diese doch schon bei den Römern Symbol für Liebe, Leidenschaft und Romantik.
Die Idee ist ja an sich nicht schlecht, aber find mal in Thailand rote Rosen, zumal in einem kleinen Dorf wie Kata Village. Hier kann man nicht einfach mal in einen Blumenladen gehen und ein paar Baccara kaufen. Schließlich finde ich in einem Laden drei kleine rote Rosen. Es waren die letzten. Okay, es sind nicht die schönsten, aber darum geht es nicht. Ich hoffe, Susanne freut sich und weiß, was ich ihr damit sagen will.
Gegen halb sechs komme ich wieder im Hotel an – mit meinen Bananen, meinen Crackern und meinen Blümchen. An der Rezeption habe ich mir dann noch ein Trinkglas geholt. Das muss fürs Erste als Blumenvase taugen. Susanne sieht zwar noch krank, aber irgendwie glücklich aus. Möglich, dass „Cibrobay“ (das Medikament) und „ramulus rosarum“ (das Rosensträußchen) schon wirken.
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