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Freitag, 27. Juni 2025



Pizza, Plackerei und Partylärm

Il Bastione Focacceria


Unten an der Hauptstraße gibt es eine Focacceria. Google z.B. übersetzt das mit „Bäckerei“, aber so eine Focacceria ist mehr! In der Focacceria „Il Bastione“ gibt es traditionelles italienisches Fladenbrot, außen knusprig, innen weich. Hergestellt mit Olivenöl, Salz, Rosmarin und belegt mit Oliven, Tomaten oder Zwiebeln. Natürlich gibt es auch Pizza. Ich nehme eine feurig gewürzte Salami-Pizza und Susanne Focaccia mit Mozzarella, Tomaten und Rucola.

Dazu hätte Susanne gerne Spremuta, frisch gepressten Orangensaft, aber da muss das „Il Bastione“ leider passen. Doch in der Kühle, wo man sich selbst bedienen kann, gibt es Heidelbeersaft. Susanne greift den, ich greif mir eine Flasche Moretti-Bier. Doch halt, was sehr ich da? Hier gibt es Pils vom Fass! Schleunigst die Flasche zurückgestellt und ein großes Glas bestellt. Und jetzt steht es vor mir. Eiskalt, das Glas außen beschlagen. Ich greife zu, setze es an, und dann…

Auch wenn ich gerne schreibe und der Meinung bin, dass mir auch meistens die richtigen Sätze einfallen – dieser Wohlfühlmoment, wenn nach einem ganzen Tag bei 32 bis 36 °C abends der erste Schluck Pils durch die Kehle rauscht, ist mit Worten einfach nicht auszudrücken.

Das Essen vor der kleinen Focacceria ist so was von lecker (unsere vier – alle nach oben gerichteten Daumen reichen gar nicht aus, um die Qualität zu bewerten) und mit 3,00 bis 3,50 € (was man dafür bekommt, siehst du auf dem Bild) unverschämt preiswert! Was noch dazu kommt: Die Focacceria hat von 07:30–15:00 Uhr auf und dann nochmal von 17:30–22:00 Uhr.

Ich geh rein und hol mir noch eine zweite Pizza, zum Mitnehmen.

Stufenkrieger


Nach dem Essen wagen wir den beschwerlichen Aufstieg durch die Altstadt Cervos hinauf zu unserem Quartier. 322 Meter sind‘s bis dorthin. Wenn du jetzt glaubst, das sei ein gemütlicher Verdauungsspaziergang, dann warst du noch nie in Cervo. Denn – zu diesen 322 Metern kommen noch 68 dazu (in Worten: achtundsechzig), die aber senkrecht nach oben gehen.

Wir beginnen in der Via Aurelia, am unteren Ende der Salita al Castello. Wer sich diese Treppenstufen ausgedacht hat – gepflastert, unförmig, schief, schräg, wellig, mal Stiege, mal Rampe, mal rutschiger Stein und plötzlich wieder Kopfsteinpflaster – hat definitiv keinen ergonomischen Tag gehabt. Und vor allem eins ist die Salita: steil.

Die erste Etappe bringt uns 28 Meter weit und 14 Meter höher. Weißt du, was das heißt? 50 % Steigung! Das ist nicht „Gehen“, das ist „Leiber hochwuchten“. Jeder Schritt fühlt sich an, als würdest du einen vollgepackten Rucksack auf einem Laufband bergauf tragen. Die Beine brennen, der Kreislauf klopft an die Schädeldecke und der Schweiß auf deinem Rücken läuft wie ein tropischer Wasserfall.

Nach fünf Metern wollen wir bereits umdrehen, nach zehn fragen wir uns, ob wir noch ganz dicht sind, aber wir ziehen das durch. Geschafft! Am oberen Ende des ersten Teilabschnitts bleiben wir keuchend stehen und wischen uns mit dem Unterarm den Schweiß aus dem Gesicht. Mein Puls klopft wie ein besoffener Schlagzeuger. Ich beiße in meine Pizza-Ecke und Susanne schüttelt nur den Kopf: „Lass das, das scharfe Gewürz macht’s doch nur schlimmer.“ Ich kaue trotzig weiter. Ich lass die Pizza doch nicht kalt werden.

In der Via Guglielmo Marconi machen wir unsere erste Rast. Fünf Minuten durchatmen, abkühlen, die Lungen mit Sauerstoff füllen. Dann geht es weiter. Die 27 Meter bis zur Via San Nicola sind nicht mehr so schlimm, nur noch 25 % Steigung. Eigentlich wollte ich ja zählen, wie viele Stufen wir hochgehen, aber mein innerer „Stufomat“ meldet jetzt schon „Systemfehler“.

In der Via San Nicola selbst fast schon holländische Verhältnisse: Auf 34 Meter Weg nur sechs Meter Höhenunterschied. Dann aber die 180°-Kehre und der kurze Weg hoch zur Via G. Matteotti. 31 % Steigung! Die sind doch nicht ganz dicht! Und in der Via G. Matteotti selbst? Du glaubt es nicht: Stufen! Und nicht die netten, flachen, höflichen wie in der Via Guglielmo Marconi. Nein. Die gemeinen, die „Du willst hier rauf? Dann zeig, was du kannst-Stufen“ .

Etwa zwanzig Minuten nach Beginn der „Expedition“ erreichen wir das Serafino. Streckenmäßig knapp die Hälfte, in der Höhe auch. Dabei dachten wir immer, das Serafino sei viel weiter oben. Das war wohl ein falscher Wunschtraum! Aber dann – ein Glücksmoment. Vorm Serafino sitzen Viktor und Monika, die hier ihren letzten Urlaubsabend verbringen. Und wie sich das für anständige Nachbarn gehört, laufen wir natürlich nicht einfach weiter. Nein. Wir bleiben und plaudern. Aus purer Höflichkeit.

Eine Viertelstunde später geben wir uns den Rest. Der Schweiß ist inzwischen Teil unserer Persönlichkeit geworden.

Bis zur Kirche San Giovanni Baptiste ist es noch mal heftig, aber die letzten 130 Meter bis zum „Eco del Mare“ sind angesichts des bereits zurückgelegten Wegs – mit lediglich noch 12 % Steigung – nur noch entspanntes Bummeln.

Um dreiviertel neun, eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, zeigt uns die leuchtend violette Bougainvillea an der Wand des Castello dei Clavesana – gleich gegenüber dem „Eco del Mare“ – an, dass wir es geschafft haben. Über die letzten 26 Stufen hoch ins Zimmer können wir jetzt nur noch lachen. Wenn du den „Weg in Cervo hoch“ überlebt hast, dann haut dich hausstufenmäßig nichts mehr um.

Abends auf der Dachterrasse


Erst mal müssen die durchgeschwitzten Klamotten vom Körper – ein Akt, der stehend im Bad schon mal gleich gar nicht möglich ist. Ich leg mich aufs Bett und ziehe und zerre an den Jeans. Irgendwo hängt sie immer noch fest, am Oberschenkel, an der Wade und schließlich am Fußgelenk. Aber jetzt, geschafft. Bei so einer Prozedur fragt man sich doch gleich: „Warum im Urlaub eigentlich keine weite Leinenhose oder – besser noch – eine kurze?“ 

Fuzz


Jetzt aber: Wir duschen, ziehen uns was Leichtes an und gehen – Susanne Biergläser, ich Bierdosen und Foto in der Hand – raus auf die Terrasse – nochmal sechs Stufen hoch.

Frisch geduscht ist es dort angenehm. Dann startet das Ritual: Stühle Richtung Meer ausrichten, setzen, dann dieser dumpf-knackige Sound, wenn der Zapfring der Bierdose nachgibt und ein Hauch von Kohlensäure aufsteigt. Wie gesagt: Im Urlaub trinken wir immer aus unseren mitgebrachten Pils-Gläsern. Aus-der-Dose-trinken ist prollig. Die Schaumkronen sind perfekt. Zum Naschen gibt’s noch den Rest meiner Pizza.

Auf dem Display meiner Kamera schauen wir uns die Bilder der heutigen Delfintour an. Prost, was für ein Tag! Und dann: Wie aus dem Nichts: Ein Bassstoß – dumpf, heftig, beinahe körperlich. Der Schuldige: Ein gewisser DJ Fuzz, der zehn, fünfzehn Meter unter uns, im Café Ariel, auflegt. Das war’s dann. Dorf-Idylle war gestern – jetzt ist Rave und Remix angesagt. „Wumm, wumm, wumm!“ Und dann ist da noch dieser verfremdete ABBA-Song, in dem die Dancing-Queen in regelmäßigen Abständen durch das Bassgewitter stampft. Das kann ja eine laute Nacht werden.

Ich könnt mich ja aufregen, aber – wir hatten einen so grandiosen Tag, haben Delfine gesehen, mit Männern, die unsere Enkel sein könnten, geblödelt, die beste Focaccia ever gegessen und den „Himalaya“ bezwungen. Was soll uns da noch drausbringen? Und ehrlich: Wir waren auch laut und wild in den Siebzigern.

  • Rolling Stones „Sympathy for the Devil“ (allein schon der Titel!)
  • Pink Floyd „We don’t need no education…“
  • AC DC und wie sie alle hießen.

Für unsere Eltern war das auch Lärm. Für unsere Eltern war das „Der Untergang des Abendlandes“.

  • „Macht den Krach aus!“
  • „Ihr Langhaaraffen – macht die Negermusik aus!“ (heute natürlich völlig inakzeptabel, aber historisch leider verbürgt, der Ausdruck)
  • Kein Wunder, dass ihr in der Schule nicht mehr mitkommt – bei dem Gedröhne fliegt einem ja das Gehirn raus!“

Susanne und ich würden es laut nicht zugeben, aber in unseren Köpfen passiert was. Wir sitzen wir da mit unserem Feierabendbier auf der Terrasse, der Himmel glüht noch leicht – da fangen die Füße plötzlich und ganz von allein zu wippen an, nicht wild, nicht jugendlich, eher: altersgerecht. Ein Hauch von: „Geht eigentlich auch noch ganz gut rein.“

Vielleicht sind wir ja gar nicht so weit weg von den drei Jungs aus der Bar „La Peppina“ oder den Ravern im Café Ariel? Nur dass wir nicht auf dem Tisch tanzen, sondern rhythmisch mit den Biergläsern anstoßen – mit einem dezenten „Pling“ statt „Wumm“. Thank You for the Music!

Nachtrag
Zu Hause google ich „DJ Fuzz“, um herauszufinden, wer uns da am Donnerstagabend das Zwerchfell so massierte. „DJ Fuzz“, eigentlich Farshwa De‑Attaher Emir bin Farit, ist ein DJ aus Malaysia, offenbar nicht ganz unbekannt, ist Produzent und Hip-Hop, Remixer, der weltweit Auftritte bei hochwertigen Events, Festivals und Privatveranstaltungen auftritt. Und am 26.6. war er eben im „Ariel“ in Cervo.

Nachtruhe


Pünktlich um zehn – zack, Ruhe, als hätte jemand den Stecker gezogen. Kein Wummern mehr, kein Bass, kein „Utz-utz-utz“. Einfach nur: Stille. Und das auf die Minute genau. Respekt!

Da könnten sich unsere Dorf-Burschen daheim in Bayern mal ’ne dicke Scheibe von abschneiden. Bei denen geht’s ja nach zehn erst richtig los – mit Gartengrill, Bluetooth-Bummskasten und Festzelt-Mentalität auf dem Garagendach. „Ruhezeiten“? Eher was für Warmduscher. Und wer sich beschwert, ist gleich der „Grantler vom Reihenhaus“.

Hier in Cervo dagegen: Italienische Disziplin, wie aus dem Bilderbuch. Man tanzt, man feiert, aber wenn Schluss ist, ist Schluss. Kein Gemecker, kein Nachgeschiebe, kein „Einer geht noch“. Ein Hoch auf mediterrane Rücksichtnahme! Prost!

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