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… und hinterher nach Sansibar



Sonntag, 30.8.2009 – Teil 2/2

Spaziergang mit Mbaraka



15:00 Uhr war ausgemacht. Ich sitze erneut im Starfish und trink ne Cola. Irgendwann wird Mbaraka sicher kommen. Ich hab mich auf ihn eingestellt und bin gespannt, was heute auf mich zukommt. Mehr als dass ich 15 $ in den Sand setze, kann ja nicht passieren und Geister, so red ich mir jetzt einfach mal ein, gibt’s ja eh nicht.

Ich hab meine Cola noch nicht fertig, da kommt der Meister: „Jack Sparrow“. „Wo gehen wir hin? Was wirst Du mir zeigen? Sehen wir einen Handwerker oder sonst jemanden, der irgendeiner Beschäftigung nachgeht?“ Mit Mbarakas Antwort „My sister likes to show you, what my brother has to do” kann ich so gar nichts anfangen. So trotte ich eben mit, ohne was verstanden zu haben. Die Tour mit Mbaraka beginnt ähnlich wie die am Freitag mit Fadhil. Der konnte mir ja gar nichts zeigen. Wir gehen Richtung Südwesten und dann rüber in das Gebiet zwischen alter Straße (dem zentralen Sandweg von Jambiani) und der neuen asphaltierten Straße. Der Korallenstein-Boden ist so karg, dass es bei jedem Schritt knirscht, als ob man über ausgelegtes Knäckebrot liefe. „This is a holy area.“, weiß Mabaraka. Er erzählt von Djinnies, die in den Bäumen wohnen, von Mama Wati und was weiß ich, von was allem noch. Hoffentlich fängt er nicht wieder von seiner Großmutter an, der 95jährigen, die er mir gestern unbedingt zeigen wollte.


„Wenn das ein heiliger Ort ist und die Ahnen hier wohnen, wo sind dann deren Gräber?“ „Hier, das hier ist ein Grabstein.“, meint Mbaraka und zeigt auf eine kleine, hochkant stehende Steinplatte. „Ja schon, aber das ist doch nur einer.“ „Hier ist der zweite. Der eine zeigt an, wo das Grab anfängt, der andere, wo das Grab aufhört.“ Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann ist Mbaraka auch der Totengräber hier. „I have to put another body. Every two minutes somebody has to die.” Ich versteh wohl die Worte, aber ich versteh wieder mal deren Sinn nicht. Es ist eine komische Führung und so richtig wohl ist mir bei dem Geister- und Voodoo-Zeugs auch nicht.

„Look a lizzard!“„A very, very small lizzard. I will show you a bigger one”. „No, no, Mbaraka, it’s okay. I like this small lizzard.“ „Do you have lizzards in Germany?” „No, not really, but we have animals very similar to lizzards.” „How do you call them?” Ich versuchs, ganz deutlich auszusprechen und sag „Eid-Echse” wohl wissend, dass so in Deutschland kein Mensch spricht – es sei denn, er hat gekifft …

„Mumba, Mumba“, ruft uns einer hinterher, scheint wohl Mbarakas Spitzname zu sein. Hab das Gefühl, Mbaraka ist hier bekannt, wie der sprichwörtliche „bunte Hund“. Die zwei reden etwas miteinander, wovon ich aber noch weniger versteh als vorhin von Mbarakas englischen Sätzen.

„Giftgarten“ der Local Plantation of Coral Stone


Inzwischen hat sich Mbaraka einen ortsansässigen Führer von Eco Culture Tours gekrallt, er selbst ist anscheinend nur der Vermittler. Wenn da mal nicht ein weiterer Haken dabei ist. Aber mehr als die 15 $, die ausgemacht waren, drück ich auf keinen Fall ab. Der Guide erklärt mir auf der „Local Plantation of Coral Stone“ allerlei Pflanzen, die ich mir aber nicht merken kann. Sein und mein Englisch passen wenigstens einigermaßen zusammen, sodass ich das meiste verstehe. Ich bin verwundert, dass auf dem steinigen Boden überhaupt etwas wächst. Für mich ist aber alles nur mehr oder weniger Unkraut. Planmäßig gepflanzt ist das sicher nicht – oder doch?

„This is the most famous tree for me”, erzählt mir der Guide, (für mich ist der hier der interessanteste Baum), „wir nennen ihn ‚natural clue’. Er hält allerlei Tiere und andere Gefahren ab. Schau dir mal diesen Saft an. Nein, nicht anfassen, nur anschauen! Wenn der Saft auf deine Haut kommt, brennt es wie Feuer. Und wenn der Saft auf deine Hand gekommen ist, ist er auch schnell in deinem Gesicht und in deinen Augen. Du kannst dann versuchen, den Saft auszuwaschen, aber es wird dir nicht gelingen. When you are unlucky, you get blind!“ Der haut ganz schön auf den Putz! Ich trau mich dann aber doch nicht, die Schnittstelle, an der der Saft austritt, anzufassen und belasse es beim Fotografieren.

Auch bei dieser Pflanze sollen alle Teile giftig sein, Stengel, Blätter, Früchte, einfach alles. Richtig eingesetzt, so der Guide, sind die Gifte aber Medizin! Hört, hört! So soll die Pflanze gut sein gegen Rheuma, die Abwehrkräfte stärken und natürlich auch den Sexualtrieb. (Das musste ja kommen!) Weiter sollen die getrockneten Beeren bei Kindern als Wurmmittel eingesetzt werden können und frisch sollen die Blätter zur Herstellung von Seife und Haaröl dienen. Auch das Baumharz wird verwendet: Zur Heilung bei Milzproblemen.

So zeigen Sie mir eine Pflanze nach der andern, die ich alle nicht kenne und die ich auch gleich wieder vergessen werde. „Habt ihr auch irgendwas, das nicht giftig ist?“ „Of course we have!“

Nutzgarten


Wie kommen an ein kleines Gärtchen, das ein etwa 60 cm hoher Zaum aus senkrecht in den Boden gerammten Zweigen schützt, bzw. schützen soll. Die Ziegen, Enten und Gänse kümmert das wenig. „We grow Aubergines and eggplants.““ Ist das nicht das gleiche? „We also grow green peppers, bananas, and papayas. Look at this, this is a coconut. Wir verwenden alles von der Kokosnuss. Aus den Zweigen machen wir Dächer und Wände, das Fleisch wird getrocknet und gegessen, die Milche getrunken. Aus den Fasern machen wir …“ Ich hör gar nicht so genau hin, weil ich das alles schon mal auf einer Farm in Thailand gehört hab.

Der Muganga


Gegen halb fünf erreicht die Führung ihren Höhepunkt, im Haus des „Muganga“. Ein „Muganga“ ist so eine Art Zauberer oder Schamane. Wir blicken durch die Tür und ich kram meine ganzen Kisuaheli-Künste raus. „Hodi?“ (Darf ich reinkommen?) „Jambo! Jambo habari! Kommt rein!” Nachdem mir ein Stuhl angeboten wird, Mbaraka, der Guide und der Medizinmann aber am Boden sitzen, wünsche ich, ebenfalls am Boden sitzen zu dürfen, was mir dann auch erlaubt wird. Da hocken wir nun und lauschen dem „Muganga“.

Einen „Muganga“ hab ich mir ganz anders vorgestellt, so mit Knochen durch die Nase o.ä.. Der Medizinmann hier aber ist ein ganz normaler dunkelhäutiger Mann in einem gelben T-Shirt mit „Football“-Aufdruck. Er stellt sich als „Mr. Suleiman Haddschi“ vor. Er sei bereits in der vierten Generation Medizinmann und auf der Insel so bekannt, dass selbst Menschen aus Stonetown zu ihm nach Jambiani kommen. Es ist beruhigend, dass wir jetzt beim Medizinmann sind, denn inzwischen zeigt Mbaraka alle Symptome, die ich eigentlich nur noch einem Zugekifften zuschreiben würde.

Mbaraka meint, er sei so kaputt, weil er den ganzen Tag noch nichts getrunken habe. „Dann trink halt was!“ Das in Bayern anschließende „Depp“ verkneif ich mir. Ich wüsste auch nicht, wie das auf Englisch oder auf kisuaheli heißt. Mbaraka meint nur, das ginge nicht, wegen Ramadan. „Dann kann ich dir auch nicht helfen.“ Also wenn ich dermaßen in den Seilen hinge, wäre mir alles egal, auch das, was uns irgendwelche Glaubensapostel überstülpen wollen. Da würde ich in allererster Linie mal an mich denken. Aber – andere Länder andere Sitten.

Derweil wendet sich der Medizinmann uns zu: „We have many tradional healers in sansibar.“ (Damit es für euch leichter wird, das zu lesen, will ich versuchen, das Wesentliche zu übersetzen, auch wenn dabei das Magische, das Dämonische, das Wilde und Surreale wohl auf der Strecke bleibt.) „Manche sind auf besondere Leiden spezialisiert, aber ich bin Spezialist für alle Beschwerden, für Massagen, ja selbst für Kinder- und Frauenleiden. Für jedes Leiden wächst bei uns eine Pflanze. Ich beginne mit dieser hier.“ Sobald er die Pflanze aus einem Korb genommen hat, muss ich meinen Fotoapparat weglegen, was ich zähneknirschend akzeptieren muss. Wohl so eine Art Betriebsgeheimnis.

„Diese Medizin benutzt man, wenn jemand an Blutarmut (Anämie) leidet. Man nimmt die Wurzel dieses Baumes, kocht sie zusammen mit Soja-Bohnen und Fisch und verabreicht es als Suppe. Bald schon kommt das Blut in deinen Köper zurück.“ „Und warum funktioniert das?“ „Frag nicht, nimm einfach zur Kenntnis, dass es funktioniert.“

„When a Mamma will give birth and the baby is breech, d.h. wenn eine Frau vor der Geburt steht und das Kind verkehrt herum liegt, dann musst du dies hier zusammen mit einem Ei kochen, aber nur den Dotter (the yolk). Gib es der Mamma zu trinken und das Baby dreht sich.“ „Echt?“ „Yeah und die Mamma kann das Kind ganz normal auf die Welt bringen.“ „Das glaub ich nicht!“ „Wenn ich’s dir sage!“ „Okay, du hast mehr Erfahrung!“

„Das hier nehmen wir bei Hämorrhoiden. Du kennst Hämorrhoiden? Wenn Blut im Stuhl ist.“ „Und wie heißt das Zeug?“ „Wir nennen es parsnip tree.“ Pastinaken hab ich schon mal gehört, ich glaub´, das sind so ne Art Kartoffeln oder Möhren, aber Baum? Die kochst Du zusammen mit Chillis.“ Also Chillis zu essen, wenn man Hämorrhoiden hat, mag ich mir jetzt nicht so ganz vorstellen und wie Pastinaken schmecken und wirken, weiß ich nicht.

„Dann haben wir auch noch diese Blumen, wir nennen sie trompet flowers. Wenn Du alt bist und Asthma hast, trocknest du die Blume in der Sonne, zwei Tage lang. Dann rollst Du die getrocknete und zerriebene Pflanze in ein Blatt und rauchst es wie eine Zigarette, aber nur in kleinen Zügen. Deine Lungen öffnen sich und deine Atmung kommt zurück.“ Inzwischen hab ich aufgehört „echt?“ zu sagen.

„Das hier ist auch gegen Asthma, aber nicht für Erwachsene, sondern für Children.“ „Für Kinder“, wiederholt er in deutsch. „Wenn sie Asthma haben, nimmst Du ein paar von diesen Blättern und mischt sie mit Honig. Die Mischung verabreichst Du mit einem Teelöffel und das Asthma verschwindet.“

„Was ist das?“ „We call it Guava , it´s a prege-nant tester.““ Ein Schwangerschaftstest? Mir haut’s die Fragezeichen aus den Hirn, doch „Mr. Suleiman Haddschi“ fährt unbeirrt fort. „Wenn die Mamma nicht sicher ist, ob sie schwanger ist oder nicht, koch ihr eine Guave.“ „Und wie soll ich damit erkennen, ob sie schwanger ist?“ „Jetzt wart halt, ich erzähl’s ja gleich! Du kochst also die Guave mit gewöhnlichem Salz und gibst es der Mamma zu trinken. Wenn sie schwanger ist, erkennt man das daran, dass sich das Baby dreht.“ Ich glaub eher, dass es der armen Frau dem Magen umdreht.

Entweder glaubt der das wirklich oder die drei, er, der Guide und Mbaraka, nehmen mich nach Strich und Faden auf den Arm. Ich weiß es nicht.

„Das hier hat man dir auf der Coral Plantation gezeigt. Wir nehmen es bei Magenkrämpfen. Du kochst es zusammen mit Ingwer und machst einen Tee daraus.“ „Ist das Chinin?“ „Ja, das ist Chinin!“ „Ist Chinin nicht auch gut bei Malaria?“ „Exactly, wenn sich jemand eine Malaria gefangen hat, muss er nur Blätter, Wurzel oder die Rinde abkochen, eine Tasse davon trinken und die Malaria ist weg! Wenn du vorsorgen willst, trink täglich eine Tasse Chinin-Tee und du wirst niemals Malaria bekommen. Etwas anderes hilft auch noch: Wenn Du den Tee an Tür- und Fensterrahmen streichst, kommt den ganzen Tag kein Moskito herein. Manchmal benutzen wir Chinin als Schädlingsbekämfungsmittel in unseren Toiletten. Alle Moskitos und alle Kakerlaken sind auf der Stelle tot. Darüber hinaus gibt es noch mindestens 40 andere Anwendungen für Chinin.“

Ich kann nur noch staunen „Amazing, perfectly” und „wunderful“ sagen, „but I can’t believe …” Das mag Mbaraka so gar nicht hören. „Look man! All you he-yaar and all you see is …“ (und noch ´n Anlauf) „is …“ (und noch einer) „is … absolute re-jall-ityyy!“

Ich muss mich so zusammenreißen, dass ich keinen Lachkrampf bekomme. Der „Muganga“ und Mbaraka meinen das tatsächlich ernst, was sie sagen. Ich mach den Erstaunten und lobe immer wieder die herausragende Fachkenntnis des Medizinmannes. Zum Schluss gibt´s dann das obligatorische Abschiedsfoto, für das ich meine Kamera dem Guide ausleihe, der uns vorhin durch den Coral Stone Plantation geführt hat. Zwanzig nach fünf verlassen wir das Haus des Medizinmanns wieder. Seine Darbeitung war hochinteressant, auch wenn ich „zweimal die Hälfte“ nicht glaube.

Der ganze Nachmittag war irre. Dabei wollte ich ja eigentlich ganz was anderes sehen: Menschen bei „normaler“ Arbeit, Menschen, ähnlich wie wir sie kennen, einen Bäcker vielleicht, einen Schuhmacher, einen Bauern oder einen Schneider. Doch das alles aber gibt es hier nicht.

Zu dritt machen wir uns auf den Weg Richtung Blue Oyster. Nachdem der Guide von Eco & Culture Tours sich verabschiedet hat, kommt Mbaraka wieder zum Zug: „And now we want to see my grandmother“, sagt er und zeigt sein mächtiges Gebiss. „I told you and I guide you.” Zum Glück kann ich dieses Treffen abwimmeln. Ich bedanke mich herzlich bei Mbaraka. Zwischen Starfish und Blue Oyster trennen sich dann unsere Wege. Wahrscheinlich werd´ ich Mbaraka, ein sansibarisches Original, wie es im Buche steht, nie mehr wiedersehen.


Der letzte Abend in Afrika


Vom letzten Abend in Jambiani habe ich weder Fotos, noch Tonaufzeichnungen, noch Aufschriebe. Vielleicht war ich ja in einer anderen Welt. Zu meinem Schutz nehme ich aber an, dass ich den Abend gemeinsam mit Elisabeth und Gerhard im Restaurant des Blue Oyster verbracht habe. Ich kann mir gut vorstellen, dass es da Dinge gab, die weitaus wichtiger waren als fotografieren und schreiben.

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MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA