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… und hinterher nach Sansibar



Stone-Town – Teil 1/3


Um halb vier erreichen wir endlich Stone-Town – so dachte ich zumindest: Ein Gewusel von Menschen, Autos und Mopeds. Selbst das nervtötende Handy-Gebimmel ist hier allgegenwärtig. Es ist hektisch, es ist eng. Wie ruhig war es da doch letzte Woche in der Serengeti. Wir sind gar nicht in Stone-Town, sondern in Sansibar-Stadt, der größten Stadt der Insel, ganz im Westen der Hauptinsel Unguja. Stone-Town ist aber auch nicht weit, Stone-Town ist nämlich die Altstadt von Sansibar-Stadt. 1988 wurde Stone-Town der Titel „Weltkulturerbe“ zuerkannt, was aber nichts daran ändert, dass die Altstadt zusehends verfällt.

Church of Christ


Nachdem unser Kleinbus abgestellt wurde, geht’s zunächst auf das Gelände des ehemaligen Sklavenmarkts, wo der anglikanische Bischof Edward Steere im Jahr 1873, dem Jahr, in dem Sklavenhandel in Sansibar offiziell verboten wurde, mit dem Bau einer Kirche begann. Die „Church of Christ“ ist heute eine der beeindruckendsten Beispiele frühchristlicher Architektur in Afrika.

Die Kirche entstand komplett aus einem Gemisch aus Korallengestein und Zement. Das Zeug erschien Steere haltbar genug, um – nachdem er mit morschen Dächern in englischen Kirchen schlechte Erfahrungen gemacht hatte – daraus auch das Gewölbe des Daches herzustellen. Holz schied für Steere schon von vornherein aus, da er befürchtete, Termiten könnten das Dach zernagen; außerdem fängt Holz leicht Feuer. Für eine Stahlkonstruktion war kein Geld da. Also entschied sich Steere, ein Bauwerk für die Ewigkeit zu erstellen. Was lag also näher, auch das Dach fest zu zementieren.

Die arabischen Moslems waren sicher, dass das niemals hält, und den Christen früher oder später die Decke auf den Kopf fällt. Das Dach aber hält auch heute noch, 135 Jahre nach der offensichtlich falschen Prophezeiung!

Wie sehr das Bauwerk Steeres Handschrift trägt, zeigt sich auch an anderer Stelle. Passten beispielsweise die Pläne aus England nicht, entschied man vor Ort, was, wie und wo passte. Beispielsweise auch bei den Säulen, die das Dach des Hauptschiffes tragen. Unglücklicherweise wurden diese nämlich gerade in der Zeit aufgestellt, als Steere in Kirchenangelegenheiten auf den Festland zugange war. Die Handwerker haben die Säulen zwar präzise und senkrecht gesetzt, so wie es der Bischof ihnen geheißen hatte, leider aber „upside down“, also kopfüber. Als Steere zurückkam, überprüfte er die Arbeiten und als er erkannte, dass die Säulen auch kopfüber stehend ihren Zweck erfüllten, ließ er sie einfach stehen. Schließlich wollte mit seinem Bau vorankommen, frei nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“, und so stehen die Säulen auch heute noch so.

Steere, der von 1874 bis 1882 Bischof in Sansibar war, war auch ein strikter Gegner der Sklaverei. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Altar der Kirche just an dem Platz platziert wurde, an dem zuvor der Platz war, an dem „nicht gehorsame“ Sklaven ausgepeitscht wurden. Links vom Altar befindet sich ein Kreuz, das angeblich aus dem Holz jenes Baums geschnitzt sein soll, unter dem Livingstone 1873 im Örtchen Chitambo in Sambia starb und unter dem man damals auch sein Herz begraben haben soll. So was kenne ich schon von den Philippinen, dort steht auf einem Platz in Cebu City das Magellan-Cross, jenes Kreuz, unter dem Magellan begraben sein soll. Mag jeder mit seinen Reliquien glücklich werden. Ich persönlich hab da so meine Zweifel. Aber zurück zu Steere. Nachdem er in einem Nebengebäude der Kathedrale an einem Herzanfall starb, wurde er 1882 hinter dem Altar der „Church of Christ“ begraben.

Sklaverei


Der Sklavenhandel auf Sansibar reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Damals wurde Sansibar noch von den Portugiesen regiert. Dass man mit Sklaven (unter Vernachlässigung jeglicher menschlichen Moral) ordentlich Geld machen konnte, wusste man hier auch unter dem Sultanat Oman und unter dem Sultanat Sansibar. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der europäische Einfluss in Sansibar wieder stärker und die Sklaverei wurde mehr und mehr zurückgedrängt.

Einer, der die Sklaverei ebenso verabscheute wie Bischof Steere, war David Livingstone. Er nutzte seinen Einfluss auf den ersten Minister Sansibars, Sir Lloyd Mathews. 1873 zwang Mathews den Sultan von Oman, eine Erklärung zu unterzeichnen, in der er sich für die Abschaffung das Sklaverei einsetzte. Wenigstens ein Anfang! Allerdings erlebten weder Livingstone noch Steere tatsächlich das Ende der Sklaverei.

Wie menschenverachtend die Sklaven untergebracht waren, könnte man theoretisch im Keller der benachbarten Missionsstation sehen, die im gleichen Jahr gebaut wurde wie die „Church of Christ“. Aber es ist stockdunkel. Man stößt überall an. In der Mitte des Raumes ist ein Gang, in dem ich mit 1,86 nur mit gebeugtem Oberkörper mehr schlecht als recht aufrecht stehen kann. Seitlich des Gangs, auf einer Art Podest, ist die Raumhöhe vielleicht 1,20m. Man fühlt die Enge. Sechzig, siebzig Menschen seien hier eingepfercht gewesen, meint der Guide, angekettet, ohne Tageslicht nur darauf wartend, dass sie verkauft werden. Zwischen den Podesten, d. h. in dem Gang, in dem wir jetzt stehen, wurden, wenn die Flut kam, die Exkremente der Eingekerkerten weggespült.

Inwieweit Deutschland an der Sklaverei beteiligt war, hat unser Guide Deutschen gegenüber natürlich nicht gesagt. Wenn ich aber in Wikipdia nachschlage, stoße ich unvermittelt auf einen (Zitat)grimmigen Arier, der alle Juden vertilgen will und in Ermangelung von Juden drüben in Afrika Neger totschießt wie Spatzen und zum Vergnügen Negermädchen aufhängt, nachdem sie seinen Lüsten gedient.“ (Das Zitat stammt aus damaligen SPD-Zeitung Vorwärts, aus einer Zeit, in der in Deutschland schon Autos fuhren.) Es ist so beklemmend und ich bin dermaßen ergriffen und wütend, dass sich ob dieser Gräueltaten alle Gedanken in meinem Kopf überschlagen. Ich muss hier wieder raus!

Draußen, ein bisschen abseits, erinnert ein 1998 aufgestelltes Denkmal an die Gräueltaten dieser Zeit. Geschaffen hat dieses beeindruckende Werk die schwedische Bildhauerin Clara Sornas gemeinsam mit Studenten des Bagamoyo College of Arts. Aus diesem Grund betrachtet sie die Skulpturen auch nicht als „ihr“ oder gar ein „schwedisches Denkmal“. Selten hat mich ein Monument so berührt. Die Steine sprechen, die Skulpturen leben, die Augen schauen dich an und fragen „warum?“. Lebensechter kann man (in Stein gehauen!) Menschen nicht mehr darstellen. Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass die Ketten, wie unser Guide sagt, die Original-Ketten aus dem 19. Jahrhundert seien.

Markt


Nicht weit von der Kirche, in der Creek Road, befinden sich die Markthallen. Es ist inzwischen 16:15 Uhr, eigentlich recht spät, um einen Markt zu besuchen. Insofern ist vom hektischen Markttreiben, insbesondere bei den Metzgern und den Fischern, nichts mehr zu sehen. Deren Ware ist schon lange weg. Die Gerüche und die hygienischen Bedingungen kann man nur noch erahnen. Man müsste den Markt, will man echt was sehen, unbedingt morgens besuchen.

Lediglich die Gewürz- und Obststände haben noch etwas zu bieten. Vielleicht hätte der Veranstalter doch die Stadt-Tour vorher und die Spice-Tour im Anschluss daran machen sollen (Gewürze laufen schließlich nicht weg!), aber darauf haben wir leider keinen Einfluss. Müssen wir eben mit dem Vorlieb nehmen, was uns geboten wird.

So kurz vor Feierabend ist wenig los. Ein paar einsame Verkäufer versuchen den Touristen noch was anzudrehen. Irene und Gaby könnten noch stundenlang shoppen, den Rest der Truppe aber zieht’s nach draußen, wir wollen ja schießlich auch von der Stadt noch was sehen.

 

< Spicetour Stonetown (Sansibars Altstadt) >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA