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… und hinterher nach Sansibar

Vorm Arusha Airport (25. August 2009)


Vorm Flughafengebäude parken nur ein paar wenige Autos, sodass wir keinerlei Parkprobleme haben. Man ist aber noch kaum ausgestiegen, dann stehen schon „tausend“ gelbe Warnwesten um dich rum, die unbedingt deine Tasche die 4 m bis zum Eingang des flachen Gebäudes tragen wollen (gegen Bezahlung versteht sich). Das ist so penetrant, dass es richtig nervt.

Links neben dem Eingang steht auf einer Tafel, den „Arusha Airport Flights Imformations“, der komplette Flugplan des ganzen Tages übersichtlich aufgelistet. Wenn ich den Anschrieb richtig interpretiere, kommt unsere Maschine, wir fliegen mit Precision Air, um 15:30 als PW 430 an und fliegt um 15:50 Uhr als PW 431 zurück nach Sansibar. Soweit ist das alles ganz okay. Was mich allerdings ein bisschen irritiert, ist die Tatsache, dass heute doch der 25. August ist, der 24. war gestern. Aber so genau scheint man’s in Afrika nicht zu nehmen.

Check-In auf afrikanisch


Helmut, Werner und ich stehen mit etwa 30 anderen Fluggästen und deren Gepäck in einem etwa 40 m² großen Raum. Das ist die Abfertigungshalle, konnte man ja draußen lesen: „Arusha Airport Departure Lounge“. Von eifrigen Mitarbeitern werden unsere Gepäckstücke und wir diagonal durch den Raum geschoben. Hinten rechts ist nämlich die Waage und dahinter ein Schalter. Dort hängt heute ein Schild mit der Aufschrift „Counter 2“. „Counter 1“ gibt es heute wohl nicht, aber dort drüben am Regal lehnt ein Schild, das diese Aufschrift trägt. Wahrscheinlich werden die Schilder bei Bedarf umgehängt. Hinter uns steht noch eine ganze Reihe Passagiere draußen. Für alle auf einmal reicht die Abfertigungshalle nicht.

Jetzt sind Helmut und Werner dran mit Wiegen. Ich hab’s mir noch gedacht, als sie drüben im „Rock Shop“ dem Kaufrausch verfallen sind, ob das nicht ein bisschen schwer werden könnte. Jetzt haben sie’s. 57 kg zeigt die Waage, 40 kg sind erlaubt. Das macht kurz mal 45.000 TSh (knapp 25 €) für Übergepäck. Grummelnd greift Helmut ins Portmonee. Jetzt bin ich dran. 20 Kilo. So was von exakt 20 Kilo, exakter geht’s gar nicht. Ein gewisses Grinsen gegenüber den Friedbergern kann ich mir jetzt natürlich nicht mehr verkneifen.

Am Counter wird in großen Lettern darauf hingewiesen, dass Scheren, Messer und Schusswaffen, sollten sie im Handgepäck sein, ohne Rückfrage konfisziert werden. Eine Pass- oder Personenkontrolle dagegen findet nicht statt. Hier könnte auf meinem Flugticket-Computerausdruck auch „Rumpelstilzchen“ stehen, dann wäre eben „Rumpelstilzchen“ mitgeflogen. Der Name wird nun händisch in eine Liste eingetragen.

Das große Warten


Nachdem die Formalitäten erledigt und das Gepäck gewogen ist, wird dieses von der Diagonale weg links an der Wand entlang zum Ausgang gezogen. Dort hält der Boy die Hand auf. 1 $ will er für seine Tätigkeit. Nur zur Erinnerung: Der durchschnittliche Monatslohn in Tansania liegt bei 50 €. Als ein zweiter sieht, wie leicht man hier zu Geld kommt, will er auch einen Dollar haben. Er habe die Aktion schließlich beaufsichtigt. Ich fall vom Glauben ab!

Zum Rollfeld hin ist das Gelände mit Maschendrahtzaun abgegrenzt und die Fluggäste sitzen wie im Hasenstall eingepfercht auf ein paar Campingstühlen. Warten ist angesagt. Helmut meint, er guckt mal, ob er noch irgendwo ein Bier herbekommt. Derweil schieben zwei „Warnwestenträger“ jenseits des Zauns eins ums andere Wägelchen mit unserem Gepäck Richtung Rollfeld.

Der Flughafen von Arusha ist, auch was Start- und Landebahn angeht, eher ein kleiner Flughafen. Diese misst mit 1,6 km gerade mal 1/3 von denen in München oder Frankfurt, d.h. dass beispielsweise eine Boeing 737 hier gar nicht mehr starten oder landen könnte. Die häufigsten Flugzeuge hier sind daher kleine Cessnas o.Ä., die zu Hunderten am Rollfeld rumstehen.

ATR 72


Inzwischen ist unsere Maschine gelandet. Die Passagiere sind ausgestiegen und dann sind wir dran. Gegenüber der Normalausführung der ATR 42 ist die ATR 72 um 4,5 Meter nach hinten verlängert, sodass anstatt der üblichen 42 Passagiere nun 70 in den Flieger reinpassen.

Durch diese Maßnahme neigt die Maschine aber auch dazu, nach hinten wegzukippen, vor allem, wenn sie falsch beladen ist oder wenn die Fluggäste nach der Landung alle gleichzeitig aufstehen und zum rückwärtigen Ausgang gehen (vorne gibt’s nämlich keine Türen). Und genau dafür gibt es die gelb-weiß umringelte „Zuckerstange“ unterm Heck. Die soll das Wegkippen nach hinten verhindern. Zu allem Überfluss müssen wir beim Einsteigen zwangsläufig genau an diesem „Wegkippverhinderer“ vorbei. Das schafft nicht unbedingt Vertrauen.

Wenn man dann noch weiß, dass Anfang Juni eine Maschine der Air France (AF 447) über dem Atlantik und am 4. August (vor drei Wochen!) eine ATR 72 bei der Landung auf Ko Samui von der Landebahn abkam und gegen einen Kontrollturm krachte, könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich fühle. Hoffentlich ist kein Hund in der Nähe, der gerne Stöckchen apportiert.

Alles einsteigen!


Ganz so schwarz, wie ich das jetzt ausgemalt habe, sollte ich das Fliegen dann aber doch nicht sehen. Immerhin konnte man vor 6 Wochen, am 5. Juni 2009, in der Augsburger Allgemeinen (AZ) lesen, dass pro Jahr 4,5 Milliarden Passagiere ein Flugzeug benutzen und die Wahrscheinlichkeit eines Absturzes bei 0,000 040 % läge. Weil sich diese Zahl aber keiner so richtig vorstellen kann, hat’s die AZ dann auch noch erläutert. Demnach müssten 1000 Menschen drei Jahre lang ununterbrochen fliegen, bevor einer von Ihnen durch einen Absturz zu Tode käme. Wir sind drei und wir fliegen ca. 1½ Stunden.

Drei Schwaben im Himmel


Der Start ging an uns ebenso vorbei wie die Sicherheitsunterweisung auf Kisuaheli, die 99 % der Passagiere, allesamt Touristen, sicher nicht verstanden haben. Was nicht an uns vorbeigehen darf, ist, auf Reiseflughöhe angekommen, die nette Stewardess mit ihrem Wägelchen.

„Habt ihr gesehen, was oben auf dem Wägelchen drauf steht? Nehmen wir noch eins?“

„Klar doch, aber wär’ a ‚Kilimanjaro’ jetzt net ’s bessere Bier? Gucket doch amol links naus.“

Zum ersten Mal im Leben seh ich ihn, den höchsten freistehenden Berg der Welt. Da muss fotografiert werden, auch wenn die Licht- und sonstigen Verhältnisse alles andere als optimal sind.

“Dort senn m’r vorledschte Woch‘ droba gwea!“

„I glaub‘, i dät des net packa. Deswega han I au an großa Reschpekt! Da druff müsse m’r a’stoßa! Prost!“

Das Bier zischt, auch wenn’s das Falsche ist und man es aus einem Plastikbecher trinken muss. Zu essen gibt’s Cashew-Nüsse. Im Bordfernsehen laufen Bilder einer Safari. Doch darüber können wir drei nur lachen. Wenn wir nur dran denken, was wir vergangene Woche alles live gesehen haben, da ist dieses Werbefilmchen ein Witz. Und Witz ist genau das Stichwort. Wir sind dermaßen albern, dass es schon fast weh tut.

„Sag mal, ist der Druck in der Blase, wenn man das Bier im Flieger in 2000 m Höhe trinkt, eigentlich größer als wenn man es unten am Boden trinkt?“

„Nö, da der Druck in Flugzeugkabinen nur ein geringfügig niedriger ist als auf dem Boden, müsste der Druck in der Blase rein theoretisch eher kleiner sein, weil sich die Blase bei dem geringeren Umgebungsdruck ja ausdehnt.“

„Dann drückt es sie aber bei der Landung zusammen und dann musst du unten wie ein Stier.“

„Nö, glaub ich nicht. Ich muss jetzt schon.“

„Vielleicht liegt das auch daran, dass sich deine Blase in Stresssituationen verkrampft.“

„Hör auf, ich kann nicht mehr.“

„Guck mal, bei mir bläst der Druck schon die Backen auf.“

„Hör endlich auf, mich zerreist’s gleich!“

So geht’s noch einige Zeit weiter. Leider fehlt mir der Rest des Gesprächs, weil ich aus Versehen bei der ganzen Aktion die Stopp-Taste meines Voice-Recorders gedrückt hab.

Anflug auf Sansibar


Dass zwei kleine Bier aber dermaßen Druck verursachen können, hätt’ ich nie gedacht. Zum Glück beginnt schon der Landeanflug. Da wir von Norden kommen und Kisauni, der Flughafen von Sansibar, südlich von Sansibar Stadt ist, überfliegen wir in relativ geringer Höhe die ganze Stadt. Lange kann’s nicht mehr dauern. Selten habe ich mich mehr auf die Landung gefreut, vor allem, weil ich möglichst schnell ein Türchen mit der Aufschrift „wamume“ zu finden hoffe.

Gelandet


Um 16:22 Uhr schließlich berührt der Flieger sansibarischen Boden. Einen witzigeren und kurzweiligeren Flug hab ich in meinem Leben noch nicht gehabt. Wir lachen immer noch, wo Lachen im Moment wirklich nicht die optimalste Beschäftigung ist. Schon mal davon gehört, dass es Leute gibt, die sich „vor Lachen in die Hose gepinkelt“ haben? Eben!

Wir sind zwar unten, aber draußen sind wir noch lange nicht. Mann, geht das schleppend! Steht doch endlich auf! Ach ne, geht ja nicht, dann kippt die Maschine nach hinten über. Aber da ist doch das Stöckchen! Ja, wenn’s ausgeklappt ist.

Acht Minuten können ganz schön lang sein. So lang hat’s gedauert bis ich endlich selbst sansibarischen Boden unter die Füße bekam. Jetzt aber nichts wie hin zum Flughafengebäude. Hoffentlich steht dort irgendwo „wamume“.

Glück gehabt! Völlig erleichtert, kann ich mich jetzt endlich den Dingen zuwenden, denen man als „normaler“ Tourist nach einer Landung nachzugehen pflegt: Beispielsweise einem „Ich-bin-in-Sansibar-angekommen-Bild“. Dazu drück ich meine Kamera kurzfristig irgendeinem der Wenigen, die noch da sind, in die Hand. Die meisten Passagiere sind nämlich alle schon weg. Hoffentlich bekomm ich nachher noch mein Gepäck. Denn alles, was ich momentan bei mir habe, sind Kamera und Fotojacke und das nirgendwo verstaubare, in Zeitungspapier eingewickelte „Delfin-Gemälde“.


 

< Fahrt zum Arusha Airport Fahrt quer durch Sansibar zum Blue Oyster >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA