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Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti

Dienstag, 18.8.2009 (1/2)
Wenn einer eine Reise tut


Nachdem mir am Samstag meine Frau Susanne und unser Sohn Simon im Biergarten beim Kirchenwirt alles Gute für die Reise gewünscht haben, ist es heute endlich soweit. Die Taschen sind gepackt und die Malaria-Prophylaxe wurde erfolgreich gestartet (auch nach zwei Wochen Lariam-Tabletten bin ich immer noch nebenwirkungsfrei). Trotz Reisefieber habe ich geschlafen wie ein Murmeltier. Heute früh heißt es dann nur noch mit Frau und Hund spazierengehen, etwas essen und dann kann´s losgehen um elf von Mering aus über Frankfurt zum Kilimanjaro.

Anfangs dachte ich ja, dass es echt doof ist, erst 367 km nach Nordwesten zum Flughafen Frankfurt fahren zu müssen, wenn man eigentlich genau in die entgegengesetzte Richtung will. Aber angesichts der 6549 km zwischen Frankfurt-Flughafen und dem Kilimanjaro-Airport sind 5 % Umweg eigentlich ein Klacks. Betrachtet man dies allerdings zeitlich (die reine Flugzeit beträgt nämlich nur 8½ Stunden), dann sieht das Ganze schon erheblich anders aus. Um ganz sicher rechtzeitig am Flughafen zu sein, fahr’ ich nämlich schon um 11:01 Uhr in Mering ab. Um 12:03 geht’s dann in Augsburg mit dem ICE 516 weiter und um 15:06 Uhr bin ich schließlich in Frankfurt.

Viel zu früh für jemanden, der erst um 20:15 Uhr fliegt. Doch auf die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn zu vertrauen, das ist mir in diesem Fall einfach zu riskant. Lass nur irgendwo unterwegs irgendwas passieren, dann hock’ ich da mit meinem Afrika-Ticket. Ich hab’ mich nicht 317 Tage vorgefreut, um dann gegebenenfalls im entscheidenden Moment den Flieger zu verpassen. Nee, nee. Die fünf Stunden im Flughafen werden sicher vergehen, und (so habe ich mir sagen lassen) dort soll’s auch Weißbier geben. So ein kühles, leckeres, allerletztes Weißbier vor Afrika, das ist doch was. 14 Tage werde ich auf so was nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach verzichten müssen. In Afrika, insbesondere auf Sansibar, sind – so habe ich recherchiert – 95 % der Bevölkerung Moslems und 3 % Hindus. Der Rest bin ich. Weißbiertechnisch steht also eine harte Zeit bevor.

Genaue Vorab-Planung ist das A und O eines gelungenen Fotos


Weil ich unbedingt ein Foto vom Kilimanjaro im Sonnenaufgang machen will, habe ich mir bereits bei der Buchung im Oktober 2008 einen Sitzplatz auf der linken Seite des Fliegers reserviert (Platz 28 A). Das kostet bei CONDOR zwar 15 € extra, doch das ist mir ein Bild von der Morgenstimmung am Kilimanjaro schon wert. Wenn wir nämlich um 20:15 Uhr starten und knapp 8½ Stunden fliegen, sind wir um 4:35 Uhr MEZ dort. Eine Stunde Zeitverschiebung dazu und es ist 5:35 Uhr. Und was ist um 5:35 Uhr noch? Genau! Exakt um 5:35 Uhr geht am 19. August 2009 bei 3° 25’ 46’’ südlicher Breite und 37° 4’ 28’’ östlicher Länge die Sonne auf. Die Zeit vorher ist aber auch schon recht interessant. Um 4:24 Uhr beginnt nämlich die „astrologische Dämmerung“, d.h. das Himmelsgewölbe wird zunehmend heller, so dass die Sterne darin mehr und mehr verschwinden. 25 Minuten später kann man die Sterne zwar immer noch erkennen, aber auch bereits den Horizont (die Kimm). Weil Seefahrer sich an beidem orientierten, nennt man diese Phase des Sonnenaufgangs „nautischen Dämmerung“. Um 5:13 Uhr schließlich beginnt die sogenannte „bürgerliche Dämmerung“. Dann ist es schon so hell, dass man draußen bereits ohne Licht Zeitung lesen kann. Das wär’ auf dem Tragfläche wohl etwas ungemütlich, doch darum geht’s mir nicht. Ich will fotografieren, von drinnen! Bis zu planmäßigen Landung wären dann noch 22 Minuten Zeit. Mal sehen, ob da ein brauchbares Foto vom zustande kriege. Unter 1/100 s möchte ich nämlich nicht gehen und über 400 ASA auch nicht. Ob dafür das Licht reicht?

Anmerkung:

Manche mögen eine derart detaillierte Planung möglicherweise lächerlich finden. Ich kann aber nicht jedes Jahr nach Afrika reisen, deshalb ist es mir wichtig, solche Berechnungen anzustellen, zumal wenn ein so überwältigendes Ereignis wie einem Sonnenaufgang am Kilimanjaro genau mit dem Zeitpunkt unseres Landeanflugs zusammenfällt.

Morgenspaziergang in Mering


Wie jeden Morgen bin ich auch heute um 6 Uhr aufgestanden. Rasiert, geduscht, gewogen. 87,8 kg sind es heute. Und heute habe ich es auch an (nicht nur zum Training), das T-Shirt, das ich von meinen Schülern extra für diese Reise bekommen habe, das mit dem Schriftzug „Löwenzahn und Zebrastreifen“ und den ganzen wichtigen Überlebens-Sätzen in Kisuaheli und Englisch auf dem Rücken.

Noch vor dem Frühstück steht der kurze Morgenspaziergang mit Susanne und Chicco „ums carré“ an. Um 7:00 Uhr dann Frühstück. Heute ausnahmsweise mal mit Camembert und Schwarzbrot (beides wird’s in Afrika wohl auch nicht geben).

Gegen halb neun, wie jeden Sonntag oder auch sonst, wenn wir gemeinsam zuhause sind, gehört zu unserem morgendlichen Ritual der große Spaziergang mit unserem Hund Chicco. Das hat sich in den neun Jahren, die wir unsere „Ratte“ nun haben, einfach so eingebürgert. Das möchten wir auch heute nicht missen. Außerdem wollte ich für den Auftakt meines Afrikaberichts ja unbedingt noch ein Foto aus Mering machen, nur um zu zeigen, dass es bei uns „auch nicht ohne“ ist.

Bahnhof Mering


Susanne hat mich mit dem Auto zum Bahnhof und dann (natürlich zu Fuß) zu Bahnsteig 3 gebracht. Der Zug um 11:01 (es ist ein Doppelstock) kommt total pünktlich. Eine letzte Umarmung noch, ein letztes Küsschen und los geht’s. Es ist für mich jedes Mal ein komisches Gefühl, so ein Abschied. Und das, obwohl er nur für zwei Wochen ist. Der Zug ist angefahren und langsam verschwindet Susanne winkend am Bahnsteig. Das Abenteuer Afrika hat angefangen. Doch zunächst wartet auf mich noch das viel nervenaufreibendere Abenteuer Deutschland.

Ich hätt’s mir denken können. Auch im Zug ist man nicht sicher vor ewig quasselnden Handy-Benutzern. „Ja Schatz, ich bin im Zug und wir fahren grad in Augsburg ein.“ Als ob das draußen am Bahnsteig ihr Typ nicht auch so würde erkennen können. „He, ich seh dich! Nee, die Tür geht noch nicht auf. Also dann, bis gleich!“

Augsburg Hauptbahnhof


„Augsburg Hauptbahnhof, hier Augsburg Hauptbahnhof. Sie haben Anschluss zum ICE 588 nach Hamburg Altona über Würzburg, Fulda, Göttingen, Hannover. Abfahrt 11:32 vom Gleis 1.“ Mein Zug wird nachher auch auf Gleis 1 abfahren. Aber bis 12:03 Uhr hat’s noch etwas Zeit .

Natürlich ist es auch wieder typisch für Augsburg, dass am Bahnhof die Gepäckbänder nicht funktionieren und so muss ich (bandscheibengeschädigt) meine schwere Reisetasche am Gleis 4 die Treppen runter und am Gleis 1 die Treppen wieder hoch wuchten. Nicht sehr kundenfreundlich, was die Bahn da in Augsburg bietet. Ich schwitze jetzt schon wie ein Bauarbeiter. Also wenn’s danach geht, dann hat Afrika schon hier begonnen. Es ist ein brütend heißer Tag, dieser 18.8.2009.

ICE 518


Ich habe Platz Nr. 41 im Wagen 21. Das ist in Fahrtrichtung der allerletzte Wagen. Der hält ganz am Süd-Ende von Gleis 1. Während der ICE 518 bereits angezeigt wird, trudelt auf Gleis 4 gemächlich der Zug ein, mit dem ich ursprünglich kommen wollte. Drei Minuten zum Umsteigen hätte u. U. knapp werden können. Es ist schon gut, dass ich in Mering den früheren Zug genommen habe und hier nicht hetzen muss. Die Zeit (eine Stunde ist schon rum) ist wirklich wie im Flug vergangen.

„Bitte Vorsicht auf Gleis 1, es fährt ein der ICE 518 nach Dortmund Hauptbahnhof über Ulm, Stuttgart, Mannheim, Abfahrt 12:03. Die Wagen der ersten Klasse befinden sich in den Abschnitten A und C. Nächster Halt Ulm Hauptbahnhof. An Gleis 1 bitte Vorsicht bei der Einfahrt des Zuges.“

Ich bin froh, dass ich das Gepäck endlich hinter einer Sitzbank verstauen konnte und nun sitze. Fensterplatz. Ab Ulm werde ich dann noch einen Nebensitzer bekommen, der bis Dortmund weiterfährt, so die Reservierungsanzeige oberhalb der Sitze. Bis dahin aber reise ich aber noch alleine. Als der Zug losgefahren ist, kann ich dann endlich aufs Klo. Hatte schon die ganze Zeit so einen Druck. Das ist sicher die Aufregung.

Zurück am Platz spricht mich ein junger Mann an, der am Gang gegenüber sitzt. Ihm ist mein „delfin-foto@gmx.de“ auf meiner Fotojacke aufgefallen. Er sagt, er sei Tauchlehrer und wohne nun in Ägypten. „Ich hab sie bei ‚Auswanderer’ gar nicht gesehen“, frotzel ich. „Bei ‚Auswanderer’ war ich auch nicht. Ich war bei Kabel 1 ‚Mein neues Leben’. Die haben lang und breit berichtet.“

„Die Fahrausweise bitte!“ Ob das jetzt klappt mit meinem selbst ausgedruckten Fahrschein? Der Schaffner scheint damit absolut kein Problem zu haben. Er scannt das komische karierte Feld rechts oben ein, verlangt nach meiner Mastercard und das war’s dann auch schon. Wie einfach das heute geht mit Internet. Fast schon unglaublich.

Handy-freie Zone


Obwohl ich mir extra einen Platz in der sogenannten Handy-freien Zone mit dem hübschen Symbol an der Wand ausgewählt habe, nervt mich auch hier eine Handy-Tusse: „Hallo, ja hallo, ich seh’ grad, dass ich in Mannheim einen Zug direkt nach Heidelberg nehmen könnte, da wär’ ich dann schon um 14:45 dort. Könnt ihr mich da eventuell abholen? Wie? Das geht nicht? Schade! Da kann man nichts machen. Tschüß!“ Zweiter Versuch: „Hallo Frank, ich seh grad, dass ich in Mannheim auch einen Zug direkt nach Heidelberg nehmen kann, da wär’ ich dann schon um 14:45 dort, kannst du mich abholen?“ Pause. „Na, dann kann man nichts machen. Schade!“ Sie gibt nicht auf, doch außer „Hallo, hallo“ kann sie jetzt gar nichts mehr sagen. Das Handynetz ist zusammengebrochen. Glücklicherweise regelt sich manches so ganz von alleine, hihi. Hakuna Matata.

Sitznachbarn


In Ulm ist dann eine mit Spachtelmasse auf jung getrimmte Frau des Typs „Von hinten Lyceum, von vorne Museum“ eingestiegen und setzt sich ausgerechnet neben mich. Nicht nur dass das meinen Augen weh tut, sie nebelt mich auch noch ein mit ihrem „lautem“ Parfüm. Bei sich trägt sie stapelweise Zeitschriften der Art „Das neue Blatt“, „Bild der Frau“, „Das Neue“, „Echo der Frau“, „Freizeitwoche“, „Frau mit Herz“, aber auch „Frau im Leben“. So erfahre ich eigentlich rein zufällig und völlig ungewollt, dass diese Woche „Norwegens Nesthäkchen“ heiratet. Das halte ich nicht aus bis Frankfurt. Augenschmerz, Enge, Atemnot.

„Brrrrr, brrrrr, brrrrrrrr“. Der Klingelton wird immer lauter. (Geh doch endlich ran, du dumme Nuss!) „Jaaaah, Karlheinz, wir sind im ICE kurz vor Stuttgart. Du kommst doch heute Abend? Ach manno, ich hab’ mich schon so gefreut! Du kommst also doch? Kommt Gerlinde auch mit? Subber! Wir melden uns dann nochmal, wenn wir in Kaltental sind. Tschüüüüß“. Ruhezone bei der Deutschen Bahn. Das muss ich nächstes Mal wieder buchen.

Zwei Stunden habe ich nun schon hinter mir. Die „Dame“ neben mir ist immer noch so in ihre Lektüre vertieft, dass sie alles um sich rum wohl vergessen hat. Reden tut sie nichts. Kein „Guten Tag“ kein „Wo fahren Sie hin?“. Nichts. Das ist stinklangweilig. Allmählich schlafen mir auch die Füße ein und ich muss schon wieder Pipi. Ich probier’s mal mit „Mann mit Herz“ und frag, ob ich kurz raus kann. Ahh! Endlich wieder Beine bewegen. Endlich wieder pinkeln. Endlich weg.

Die Chance war noch nie so günstig. Ich geh nicht wieder auf meinen Platz zurück und bleibe stattdessen lieber zwischen zwei Wagen im Gang stehen. Ich werde heute Nacht im Flugzeug noch viel und auch beengt sitzen müssen.

Zwischen Stuttgart und Mannheim ist die Fahrerei auch im Gang nicht angenehm. Die hohe Geschwindigkeit und die ständigen Tunnel-Ein und –Ausfahrten verursachen heftigen Druck auf den Ohren.


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MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA