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Sonntag, 8. Januar 1989

Auf dem Weg nach Las Piñas


Bald schon geht es zurück nach Deutschland. ‘Ne größere Tour, weiter weg von Manila, kann ich jetzt nicht mehr machen. Das wäre viel zu riskant. So will ich mir heute noch eine Besonderheit in Manila ansehen: Die Bambus-Orgel von Las Piñas.

Die Philosophie der Jeepneys


Auf dem Weg nach Las Piñas sitz ich heut vielleicht das letzte Mal in einem jener unglaublichen Fortbewegungsmitteln, die es meines Wissens so nur auf den Philippinen gibt. Die Jeepneys. Die Fahrt wird so um die zwei Stunden dauern und ich hab Zeit, über diese Art zu reisen zu philosophieren. Hier ein Paar Gedanken.

Es ist nicht gleich, wo Du Dich hinsetzt, in diesem Gefährt. Die Wahl des Sitzplatzes sagt viel aus über den Fahrgast. Die meisten bevorzugen das offene Heck, zum einen um gemütlich in der Eckpolsterung lehnen und den dichten Verkehr im Kielwasser beobachten zu können, zum andern, um bei Bedarf abspringen zu können. Diejenigen, die mit ihrem Bestimmungsort nicht so recht vertraut sind, halten sich lieber in der Nähe des Fahrers auf, so dass sie zusammengekauert aus der Windschutzscheibe sehen können, was aber dadurch erschwert wird, dass das Glas häufig mit allerlei Aufklebern und Aphorismen bedeckt ist. Auch die verbissenen, nervösen Typen bevorzugen einen vorderen Platz, weil sie dann den Fahrer wegen seiner wilden Raserei ermahnen können.

Der beste Platz ist also vorn am offenen Seiteneinstieg. Von hier aus lässt sich die wilde Fahrt am sichersten verfolgen, da man die Möglichkeit hat, in kritischen Momenten eventuell noch aus dem Wagen zu springen. Das Privileg dieses Platzes muss jedoch hart erkämpft werden. Es steht eine Menge auf dem Spiel. Wenn man unterliegt, muss man mit dem Platz direkt neben dem Fahrer vorlieb nehmen, der unbequemsten Alternative. Der Ganghebel drückt dir dann in die Hüfte, ständig wird dir das Fahrgeld über den Kopf gereicht und die vertrockneten Sampaguita-Girlanden baumeln dir vor der Nase. Während du die heilige Jungfrau Maria anstarrst kannst du nur hoffen, dass der Typ neben dir bald aussteigt. Erhört dich die Jungfrau nicht, musst du dich mit dröhnender Beatles-Musik begnügen oder du kannst die Graffiti studieren: „A woman without a lover is like a Jeepney without a driver.“. „God is my co-pilot.“. „Sit properly, girls, so the driver can see the road.“. „Always ready?“.

Der Fahrer ist im Allgemeinen ein Macho, der seinen linken Arm lässig auf dem abgefahrenen Ersatzreifen ruhen lässt. Er ist durchaus berechtigt, den starken Mann zu mimen. Denn wie ein Kunstflieger kennt er die möglichen Gefahrenzonen der Fahrt, seiner routinemäßigen Glanzleistung. Er trägt große Verantwortung, und er weiß es. Jeden Tag schließt er aufs Neue einen Pakt mit dem Schicksal. Nachdem er sich bekreuzigt hat, startet er den Motor, den Rest überlässt er dem Allmächtigen.

Dann gibt es noch den Platz für mich, in der gewöhnlichen Mitte. Man fühlt sich wohl, eingequetscht zwischen den Rundungen des anderen Geschlechts.

Die Fahrt geht von Manila aus zuerst nach Baclaran. Dort muss ich umsteigen. Der „Zapote-Jeepney“ nach Las Piñas wartet schon. Mit ihm geht es zunächst nach Paranaque, das bekannt sein soll für spezielle Stickereien, und dann sind wir auch schon in Las Piñas.

Die Bambus-Orgel von Las Piñas


Obwohl es von der Adriatico-Street bis hierher nur 30 km sind, hat die Fahrt hierher fast zwei Stunden gedauert. Jetzt bin ich also in Las Piñas, wo 1816 der Pater der San Jose Church, wegen Geldmangels die Kirchenorgel vorwiegend aus Bambus gebaut haben soll.

Karte des Villa Manila Restaurants

Die San Jose Church sieht fast wie eine Festung aus. Das schmiedeeiserne Tor ist offen, aber die Fenster vergittert und das große Holzportal verschlossen. Niemand ist da, den man fragen könnte. Vielleicht erfahr ich beim Mittagessen mehr. Im Restaurant „Villa Manila“ treffe ich Eulogia Manila (hat nicht mit der Hauptstadt zu tun), die mir viel über die Kirche und den Missionar Diego Cerra erzählt. Sie will versuchen, die Frau mit dem Schlüssel zu finden. Dann stellt sie mir Kaffee hin und sagt, ich soll warten. Nachdem ich drei Kaffees getrunken habe, kommt Eulogia gegen 14:00 Uhr zurück. Sie hat die Frau gefunden, die Kirche sei jetzt offen, aber sie selbst kann nicht mitkommen. Sie wünscht mir viel Glück und Gottes Segen.

Das Tor der Kirche ist jetzt offen, aber die Frau mit dem Schlüssel ist nicht zu sehen. So gehe ich vorsichtig eben alleine rein. Hinter einer Empore, etwas erhöht, hängt sie nun, die weltberühmte Bambus-Orgel, vielleicht 5 m hoch und 4 m breit. Irgendwie bin ich enttäuscht. Ich hatte mir was viel Größeres vorgestellt. Auch hatte ich gehofft, dass man das Ding hören kann. Eine Frau (ist das die mit dem Schlüssel?) bietet mir eine Kassette zum Kauf an, auf der die Orgel zu hören sei. Ich will aber keine Kassette kaufen, obwohl sie mir eindringlich erzählt, dass es Deutsche waren, die die Orgel gerettet haben.

Ich weiß nicht warum, aber irgendwie bin ich genervt vom heutigen Tag. Ich habe jetzt auch keine Lust mehr, mir die Jeepney-Fabrik anzusehen.

Zurück nach Manila


Missmutig fahr ich nach Manila zurück. Den Abend verbringe ich damit, durch die Kaufhäuser in der „Mabini-Street“ und der „Del Pilar-Street“ zu streifen. Danach geht’s nach Hause in „Naber’s Biergarten“.


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