Freunde, Burgen und Erinnerungen-23
Zoo Neuwied II
Aber vielleicht gibt es die Höhepunkte ja weiter oben im Zoo. Doch bisher erwarten uns auf dem Weg nach oben rechts nur die Baustelle Australien und die Baustelle Südamerika und hoch geht´s wie in den Anden. Links ist ein Neubesatz in Planung.
Das sieht alles nicht so toll aus und so biegen wir nach einem Anstiegt von durchschnittlich 6% Steigung vor dem Tiger-Gehege links ab. Noch weiter hochzugehen, dazu habe ich einfach keine Lust. Bis zu den europäischen Wildvögeln wären es ja noch mal 52 Höhenmeter, dieses Mal aber mit 12% Steigung. Also, wie gesagt, links weg an den Tigern vorbei hin zu den Löwen. Tiger sehe ich keine, aber wenigstens geht´s zu den Löwen rüber ebenerdig.
Der Löwen-Käfig ist nicht gerade angetan, meine Euphorie zu steigern. Man kommt den Berberlöwen zwar sehr, sehr nahe, aber dadurch, dass die Gitterstäbe etwa 1,5 Meter vom Weg entfernt sind, die Löwen gleich dahinter liegen und zwei Meter dahinter gleich wieder Gitter sind, wird das Fotografieren recht schwierig.
Zoo Neuwied III
Die Enttäuschung bleibt, denn das Gehege der Kleinnager ist – wie zuvor auch andere Gehege – leider „vorübergehend geschlossen“.
Dann kommen wir zu den Vicuñas. Vicuñas gehören wie der Guanako zu den wildlebenden Spezies der höckerlosen Neuweltkamele, sind aber etwas zierlicher. Da sie bis auf Höhen von 5000 Metern vorkommen, sind sie quasi die „Messners“ unter den südamerikanischen Huftieren.
Gegenüber der Vicuñas kann man die Geparde wegen des gehege-umspannenden Maschendrahtzauns auch nur mit extrem offener Blende fotografieren.
Die vom Maschendraht verursachten „Abschattungen in den Bildern“ stören mich sehr.
Rechter Hand ist nun das Areal der – soweit ich weiß – auch in fast jedem Zoo beheimateten Humboldtpinguine. Drum herum jetzt „tausend“ Grundschulkinder, die mit ihren Lehrern offenbar einen Ausflug hierher gemacht haben. Diese sind aber – so kenn ich das gar nicht – äußerst diszipliniert. Susanne – selbst ausgebildete Lehrerin – meint, das sei bei Viertklässlern noch ganz normal.
Wir gehen weiter den Weg hoch – wieder mit über 12% Steigung – an der Seehunde-Anlage vorbei. Auch die wird gerade umgebaut und ist daher nicht besetzt.
Weiter geht es bis zu den Kleinen Pandas. Ein Katzenbär sitzt aber so hoch im Baum und dermaßen ungeschickt vor der blendenden Sonne, dass ich auch hier kein Foto machen kann. Damit ich wenigsten überhaupt Bilder vom Zoo mit nach Hause bringe, fotografieren ich die Blüten eines Obstbaumes.
Der Flachlandtapir ist die in europäischen Zoos mit Abstand am häufigsten gehaltene Tapir-Art und wurde so für viele Menschen zum Prototyp der Gattung.
Auf dem Rückweg kommen wir zum Exotarium, das aber erst um 10:00 Uhr aufmacht. So gehen wir einfach mal um das westlich davon liegende Freigehege mit dem Schimpansen herum, wo wir zwei der vier Schimpansen beim Frühstück beobachten können.
Was wir richtig toll finden, sind die Bilder von Schimpansen und die daneben angebrachten Spiegel, die dazu auffordern, die Gesichtsausdrücke der Affen nachzustellen.
Zoo Neuwied IV
Auf der anderen Seite des Affengeheges angekommen, macht ein Pfleger – die Zoomitarbeiter sind übrigens allesamt außerordentlich sympathisch – extra für uns das Exotarium etwas früher auf.
Obwohl Kurzohr-Rüsselspringer wie Mäuse aussehen, gehören sie nicht – wie Ratten und Mäuse oder gar Eichhörnchen und Biber – zur Ordnung Rodentia (Nagetiere), sondern zur Ordnung der Macroscelidea (was auf deren große [makros] Hinterbeine [skelos] hinweist). Dazu gehören beispielsweise auch Elefanten- und Blassfußspitzmäuse. Der Name „Elefantenspitzmaus“ bezieht sich übrigens auf die lange rüsselartige Nase.
Mit den Verwechslungsmöglichkeiten geht´s grad so weiter. Der Hardun ist nämlich auch keine Eidechse, wie man denken könnte, sondern die einzige in Europa natürlich vorkommende Agame.
Bei den Netzpythons bahnt sich etwas Langes an. Schlangen dieser Art haben wir zwar schon oft gesehen in Zoos, aber so lang ausgestreckt noch nie. Ich frage mich, ob die Schlange weiß, dass der 9 Meter entfernte Schwanz zu ihr gehört. Was passiert eigentlich, wenn man auf den Schwanz ein Python-Gesicht aufmalt? Würde die Schlange ihr Hinterteil dann als andere Python ansehen und sich verlieben oder eventuell gar als Feind ansehen und angreifen?
Auch das nächste Tier hat man schon irgendwo gesehen,. Der Krokodilkaiman ist in europäischen Zoos mit Abstand der am häufigsten gehaltene Vertreter er Familie Alligatoren (Alligatoridae).
Der Kaiserschnurrbarttamarin ist ebenfalls keine gefährdete Tierart aber mit seinem Bart einfach putzig anzusehen. Daher wird auch er praktisch in jedem Zoo gehalten,
ebenso die Klammeraffen mit ihren großen Guck-Augen oder die farbenfrohen Prevost-Hörnchen. Man zeigt halt, was relativ leicht zu halten ist, aber putzig aussieht.
Jetzt kommt doch tatsächlich mal ein Exot, denn man nicht so häufig sieht, der Guatemala-Schwarzleguan. Dessen Haltung und Zucht soll – wie man lesen kann – spezielle Einrichtungen und Fachkenntnisse erfordern, weshalb man ihn in deutschen Zoos nur selten sehen kann.
Der Blaue Felsenleguan dagegen ist eine nicht-gefährdete, Echse, die typisch ist für die Trockengebiete im Südwesten Nordamerikas. Wenn man im ersten Stock in den anderen Bereich des Exotenhauses geht, kann man noch mal die Schimpansen sehen, zum Greifen nah aber durch die Spiegelungen in den Scheiben sehr schwer fotografierbar.
Dass es nichts Aufsehenerregendes gibt und dass man schlecht fotografieren kann, ist das eine, viel ärgerlicher aber sind die überdimensional vielen Leerstände. Picknickplatz, Stachelschwein-Gehege, Huftierstall, die Anlage der Kraniche, Robbenbecken, alles „vorübergehend geschlossen“.
Zoo Neuwied V
Das mit den überall gezeigten Tieren geht weiter. Totenkopfäffchen, von denen Pipi Langstrumpfs „Herr Nilson“ wohl der bekannteste ist, sieht man auch in jedem europäischen Zoo. Die Scheiben spiegeln derart, dass nichts Gescheites dabei ´rauskommt. Lediglich, wenn ich mit der Linse ganz nahe an die Scheibe gehe, kann ich die Spiegelung vermeiden.
Ketchup kostet extra
Langsam macht sich Hunger breit. Weil der Kiosk geschlossen ist, müssen wir zwangsweise ins Zoo Restaurant gehen. Die Preise dort sind gesalzen. 0,3 l Cola und Apfelsaftschorle kosten dort 3,90 €, Apfelstrudel 5,50 €. Das wär alles noch zu akzeptieren, aber Currywurst mit Pommes für 9,90 € ist schon heftig. Und jetzt kommt der Oberhammer: Es ist nämlich wirklich ärgerlich, wenn man für eine Currywurst mit Pommes bereits einen Preis von 9,90 € bezahlt und dann für Ketchup noch zusätzlich 50 Cent extra verlangt wird. Das erscheint mir als unfair und unverhältnismäßig, besonders wenn man bedenkt, dass Ketchup eine gängige und preiswerte Beilage ist.
Es wäre wünschenswert, dass solche zusätzlichen Kosten transparent kommuniziert werden, bevor man die Bestellung aufgibt, nicht, dass man hinterher überrascht wird, wenn die Rechnung höher ausfällt als erwartet. So aber bleiben negative Gefühle.
Auch in Neuwied gibt es, wie in jedem Zoo, Erdmännchen oder einfach nur schön aussehende Diamanttäubchen.
Als wir uns um halb eins anschicken, den Zoo zu verlassen, weiß ich nicht, wer dümmer aus der Wäsche guckt, ich oder einer der Marabus, denn man geht nicht dort raus, wo man reingekommen ist, sondern muss noch etliche Meter hin zu einem Drehkreuz und draußen dann wieder zurück zum Auto, das natürlich in der Nähe des Eingangs steht.
Alles in allem konnte der Neuwieder Zoo nicht überzeugen.
Fazit zum Zoo
Der relativ keine Zoo ist zwar nett, aber nicht berauschend. Die Tiere machten einen gesunden Eindruck und die meisten Gehege waren auch gut gepflegt, häufig aber auch eng und begrenzt.
Was die Kosten betrifft, war der Zoo für mich für das, was er zu bieten hatte, völlig überteuert. Das betrifft insbesondere auf Essen und Getränke im Zoorestaurant zu und den Eintrittspreis, bei dem es für Senioren keine Ermäßigung gibt und bei dem – völlig ungefragt -ein „freiwilliger!“ Artenschutz-Euro zu bezahlen ist.
Was auffallend günstig ist, sind Parkgebühren (2 €/Tag) und die Preise für Kühlschrankmagnete – 2 € – und Postkarten – 1€. Plüschtiere dagegen rangieren wieder in dem hier anscheinend üblichen Hochpreis-Niveau.
Insgesamt war der Zoo also so lala. Die Kombination aus beengten Gehegen, begrenzter Tierauswahl und hohen Kosten hat mich schlussendlich aber nicht überzeugt.
Burgruine Grenzau
7 km östlich des Zoos – Luftlinie wohlgemerkt – bei Höhr-Grenzhausen befindet sich die Burgruine Grenzau. Auf der Straße sind es aber über 18 km. Trotzdem fahren wir hin.
Die Geschichte der Burg geht zurück bis ins 13. Jahrhundert, wo sie vermutlich als Grenzbefestigung zwischen dem Erzbistum Köln und dem Herzogtum Nassau diente.
Die Burg Grenzau wurde auf einem Hügel errichtet und besteht aus verschiedenen Gebäudeteilen, darunter Wohntürmen, Verteidigungsanlagen und Wohngebäuden. Der Bau der Burg spiegelt die mittelalterliche Bauweise und Verteidigungsarchitektur dieser Zeit wider.
Im Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) wurde die Burg schwer beschädigt und blieb danach weitgehend unbewohnt. Seitdem ist sie zusehends zur Ruine verfallen
Runkel
Noch 27 km Rheinland-Pfalz, dann überschreiten wir zwischen Görgeshausen und Niedererbach die Grenze nach Hessen. Ich weiß nicht, warum, aber plötzlich fühle ich mich irgendwie entspannter.
Bei Limburg Süd verlassen wir die A 3 und fahren über die B 8 und anschließend Landstraße nach Runkel. Kurz nach der Stadtgrenze sieht man, wenn man den Berg runterfährt, linker Hand die Burg und dort kann man auf der linken Seite in einer Bucht auch halten. Wir schießen unser Foto und fahren dann runter zum Schlossplatz, wo nun rechts von uns die Burg liegt. Parkgebühren zahlt man hier – anders als bei der Burg Eltz – keine.
Im Altstadt-Café in Runkel
Nachdem wir die Burg – von außen – angesehen haben, gehen wir ins Altstadt-Café, 50 Meter westlich, grad ums Eck und trinken Cappuccino und Latte Macchiato. Die Preise sind – zusammen 4,90 € – fast wie aus dem vergangenen Jahrhundert.
So geht´s nämlich auch. Weil nicht nur der Preis stimmt und die Bedienung sehr zuvorkommend ist, fühlen wir uns hier richtig wohl. Entsprechend gibt´s auch ein großzügiges Trinkgeld.
Von Runkel nach Heddesheim
Jetzt aber auf zur nächsten Etappe. Auf der A3 geht’s zügig voran bis Griesheim, dann fahren wir, weil wir noch viel Zeit haben – unsere Freundin Sylvia in Heddesheim muss noch bis 18:30 Uhr arbeiten – über Bundesstraßen nach Süden. Durch Darmstadt hindurch ist es eine Katastrophe und ich frage mich, warum ich nicht auf der Autobahn geblieben bin.
Kurz hinter Darmstadt, als der Sendersuchlauf unseres Radios endlich wieder unseren Heimatsender Bayern 1 findet, läuft dort gerade „Someone like you“ von Adele. Jetzt ist wieder alles okay. Als „Sahnehäubchen“ obendrauf sieht Susanne dann auch links von uns Störche. Meist rastet sie bei deren Anblick ja aus, aber jetzt verhält sie sich vergleichsweise ruhig, wohl daher, weil sie sieht, dass ich mich sehr auf die B 3 konzentrieren muss.
Heddesheim
Um kurz nach fünf kommen wir beim Hotel Gramlich in den Gänzgräben in Heddesheim an. In diesem Hotel waren wir nun schon dreimal. Es ist einfach das ideale Hotel, wenn wir unsere Freundin Sylvia besuchen.
Der Schwiegersohn der Besitzerin und sein Dalmatiner Finley lassen uns rein. Wir bekommen das Zimmer 14. Der in Gelbtönen gehaltene Raum ist groß und sehr freundlich eingerichtet. Wir bringen unsere Sachen rein, machen uns kurz frisch und nehmen anschließend den Weg zu Sylvias Buchhandlung. Mit unserer Freundin wollen wir uns nach Ladenschluss treffen und dann zum Italiener gehen.
Bis wir zu Sylvia kommen, kann es aber noch eine Weile dauern, denn Susanne hat eine ganz besondere „Marotte“, nämlich ihre Vorliebe für Blüten. Sobald sie irgendwo eine entdeckt, die ihre Aufmerksamkeit erregt, bleibt sie stehen, neigt den Kopf und atmet tief ein. Jetzt hat sie einen violett blühenden Flieder entdeckt. Der blüht normalerweise erst so um den Muttertag herum, und das ist Mitte Mai. In diesem Jahr ist er – wie alles – vier Wochen früher dran. Susanne kann nicht umhin, ihre Nase in de Blüte zu stecken. Man kann förmlich spüren, wie sie die Zartheit und Schönheit der Blume in sich aufsaugt.
Trotz etlicher „Schnupperproben“ sind wir dennoch viel zu früh bei Sylvia. Klar können Finn und Susanne noch die neuesten Delfin-Bücher ansehen, die Susanne dann auf Finns Website bespricht, und wir können uns auch über das Plakat „Sing mit Simon“ lustig machen, weil unser Sohn Simon wohl niemals mit irgendjemandem singen würde. Aber, es ist trotzdem noch lange hin bis halb sieben.
Aus diesem Grund machen wir noch eine kleine Runde die Unterdorffstraße hoch und um die St. Remigius-Kirche herum.
Übrigens, in Heddesheim gibt es jetzt auch einen Barbershop. Diese sind uns 2020 bei unserem „Fährtle“ nach Hamburg erstmals aufgefallen, als Individuen reingingen und alle, die rauskamen, den gleichen Haarschnitt hatten: Kurz rasierte Seiten und oben einen Deckel aus längeren Haaren. Ganz offensichtlich ist diese „Mode“ jetzt auch „auf dem Land“ angekommen.
Um halb sieben hab ich mir an der Eisdiele nebenan noch eine Waffel mit einer Kugel Kirsch und einer Kugel Zitrone geholt, dann holen wir Silvia ab.
Dann geht’s zum Italiener. Der befindet sich im ehemaligen Ratskeller (https://ratskeller-heddesheim.jimdofree.com/). Die Beinstraße hoch sind das gerade mal 5 Minuten. Sylvia hat einen Tisch reserviert und wir bestellen verschiedene Getränke, Pizzen, Salat und Silvia einen speziellen Vorspeisenteller. Es schmeckt super lecker.
Gegen neun machen wir uns auf den Nach-Hause-Weg. Über uns – in nordwestlicher Richtung – liegt die flache, schmale Sichel des zunehmenden Mondes und links davon der Jupiter. Eigentlich müsste dort – etwas unter dem Mond – gerade jetzt der „Teufelskomet 12P / Pons-Brooks“ zu sehen sein, der nur alle 71 Jahre an der Erde vorbeikommt. Wegen des Saharastaubs und der Lichtverschmutzung in Heddesheim sieht man den mit bloßem Auge allerdings nicht.
Abend bei Sylvia
Silvias Wohnung ist noch genauso, wie wir sie kennen. Total heimelig. Dann gibt´s – wie jede Mal – noch ein Glas Wein – einen guten Rotwein, den Sylvia speziell für diesen Abend ausgesucht hat. Nachdem wir angestoßen haben, geht´s los. Wir plaudern und erzählen und erzählen. Komisch, wie schnell sich alles wieder so vertraut anfühlt, als wären wir nie getrennt gewesen.
In der Truppe ist es auch leicht, sich zu unterhalten. Die Themen reichen von den verrückten Erlebnissen wie damals bei Alzey, als ich mit meiner Ente die ihre abschleppte, von der Freundschaft unserer Söhne, bis hin zu den Herausforderungen des Älterwerdens. Es fühlt sich an, als würden wir die Zeit zurückdrehen und wieder diese unbeschwerten Tage erleben.
Gegen elf und einem weiteren Glas Wein wird es dann aber Zeit, sich zu verabschieden. Wir versprechen, uns nicht wieder so lange aus den Augen zu verlieren und öfter solche Abende zu verbringen.
Saharastaub
Heute ist bereits unser letzter Tag. Das Frühstück im Gramlich ist – wie immer – gut, die Wirtin aber ist heute etwas konfus. Das liegt – wie sie uns sagt – an schwierigen Niederländern, die sie ebenfalls als Gäste hatte.
Als wir morgens kurz vor acht beim „Hotel Gramlich“ losfahren wollen und ich rückwärts aus der Parklücke will, sieht man überdeutlich, warum wir gestern Abend den Teufelskometen nicht sehen konnten. Der Saharastaub hat alles, aber auch wirklich alles total eingenebelt. Die Scheiben unseres Pandas sehen aus wie Sau. So zu fahren ist unmöglich. Zum Glück habe ich im Auto immer Zewa-Wisch-und-weg und Sidolin dabei.
Fahrt zum Buchenbachtal bei Affalterbach
Auch wenn das Navi sagt, dass man bis zum Buchenbachtal 1 Stunde 33 bräuchte, haben wir die Erfahrung gemacht, dass das bei unserer Art zu reisen nicht hinhaut. Der Faktor 1,3 hat sich bei uns – moderate und spritsparende Fahrweise und kleine Pausen eingeschlossen – als ideal erwiesen.
Um kurz vor zehn sind wir dann planmäßig am Mühlenweg. Der liegt zwei Kilometer östlich von Affalterbach. Hier wollen wir den 3,7 km langen Rundweg durch das Buchenbachtal machen. Da aber alle Wege hier nur für Anlieger sind, parken wir etwas außerhalb des Weilers an der Hauptstraße (48.9169373, 9.352564).
Und schon wieder geht‘s los: Susanne und Blüten. Aber was soll’s? Wir sind im Urlaub.
Eigentlich wollen wir den dreieinhalb Kilometer langen Rundweg machen. Der Weg beginnt auch vielversprechend. Der Tag ist sonnig, die Natur um uns herum strahlt in sattem Grün und seitlich von uns plätschert beruhigend der Buchenbach. Wie immer auf diesem Vier-Tages-Fährtle sind wir auch hier mutterseelenallein. Idealer kann es nicht sein. Doch bei der steinernen Bogenbrücke ist plötzlich „Ende Gelände“.
Die Brücke über den Buchenbach ist wohl aus Sicherheitsgründen gesperrt, sowohl für Radfahrer als auch für Fußgänger. Wir können also nicht weitergehen und müssen umkehren.
Trotz dieser unerwarteten Wendung genießen wir den Rückweg. Der Wald bietet auch auf dem Rückweg eine idyllische Kulisse, und wir nutzen die Gelegenheit, um die Umgebung noch genauer zu erkunden. Wir sehen uns die umliegenden Bäume und Pflanzen genauer an, hören den Vögeln zu – da hinten steigt ein Reiher auf – und erfreuen und einfach an der Natur.
Obwohl wir nicht den geplanten Rundweg abschließen können, ist die Wanderung dennoch ein schönes Erlebnis. Wenn man in der Natur unterwegs ist, muss man einfach flexibel sein und sich den Gegebenheiten anpassen. Manchmal führen eben auch unvorhergesehene Ereignisse zu Entdeckungen und Eindrücken, die so einen Tag zu etwas Besonderem machen.
Fahrt ins Remstal
Als nächstes Ziel steht Schorndorf auf dem Programm. Hier war ich oft vor 50 Jahren, als ich noch in Welzheim lebte und in Aalen studierte. In der Zeit habe ich irgendwann mal morgens im Zug ein Mädchen aus Geradstetten kennengelernt, mit der ich dann auch eine Zeitlang liiert war. Inzwischen bin ich aber bereits 32 Jahre mit Susanne verheiratet und Margit, das Mädchen aus dem Zug, ebenso lang mit Uwe. Nachdem Margit, Susanne, Uwe und ich uns letztes Jahr zum ersten Mal getroffen und sehr gut verstanden haben, wollen wir uns dieses Jahr wieder treffen. Also fahren wir von Affalterbach über Leutenbach, Waiblingen ins Remstal, wo wir uns um 12:00 Uhr beim Griechen in Schorndorf verabredet haben.
Margit hat vorgeschlagen, dass wir kurz vor 12 auf dem Parkdeck der Künkelin-Parkhalle sein sollen. Von dort aus sind es bis zum Griechen zu Fuß gerade mal zwei Minuten.
Als wir in Affalterbach losfahren, ist es kurz vor elf. Damit wären wir also viel zu früh in Schorndorf. Da ich von 1986 bis 1990 in Geradstetten gelebt habe und in der Zeit wieder mit Margit befreundet war, will ich die Erinnerung rauskramen und sehen, was in Geradstetten so passiert ist. Bei Grundbach biegen wir von der B 29 ab und fahren über die Schorndorfer und die Hauptstraße noch nach Geradstetten. In der Hauptstraße / Ecke Weinbergweg sehen wir uns das Wohnhaus von Helmut Palmer. In der Zeit, in der ich in Welzheim und im Remstal lebte, kam man an Helmut Palmer, dem „Remstalrebellen“ nicht vorbei. Palmer war bekannt für sein rebellisches Auftreten und seine unkonventionelle Art. Er vertrat vehement die Ansicht, dass die Natur und die Landschaft des Remstals geschützt werden sollten. Dabei kämpfte er mit Leidenschaft u.a. auch gegen große Bauprojekte, wie beispielsweise die Bundesautobahn 81, die er als Bedrohung für die Umwelt ansah. Er galt auch als eigenwillige Persönlichkeit, die sich oft gegen den Mainstream stellte. Sein Auftreten und seine Äußerungen polarisierten die Öffentlichkeit. Einige sahen in ihm einen mutigen Kämpfer für den Naturschutz, während andere ihn als sturen Idealisten betrachteten.
Wenn wir schon bei Wohnhäusern sind. Ob das Haus in der August-Lämmle-Straße noch steht, in dem ich einst gewohnt habe? Ich fahr den Weinbergweg hoch, durch die Kirch- und die Hirchgasse runter zur Marienstraße und dann hoch zur August-Lämmle-Straße. Das Haus steht noch und alles sieht noch genauso aus, wie damals, aber irgendwie kommt mir alles viel kleiner und enger vor als damals. Unvorstellbar wie ich damals mit meinem Ford Taunus 2.0/V6 da durchgekommen bin.
Nachdem wir an meinem alten Wohnhaus vorbeigefahren sind und uns vergewissert haben, dass alles noch da ist, fahren wir direkt nach Schorndorf. Um halb zwölf sind wir dann bereits im Künkelin-Parkhaus. Oben ist alles privat vermietet, sodass wir bis ins C-Deck runterfahren müssen, wo es aber „Platz zum Liegen“ gibt.
Eseleien
Ich rufe bei Margit an, melde, dass wir in Schondorf sind, und dann verabreden wir uns für zwölf im Νόστος, einem griechischen Lokal, dessen altgriechischer Name so viel wie „Rückkehr“ oder „Heimkehr“ bedeutet. Vom Parkhaus bis zum Restaurant sind es – wenn man es denn finden würde – zu Fuß gerade mal hundert Meter oder noch nicht mal zwei Minuten. Ich als alter Schorndorf-Kenner lauf dummerweise aber zur Evangelischen Stadtkirche und dort weiter zum Weißen Lamm und zur Rosengasse beim Bahnhof. Aber auch hier ist es schön und so kommen wir in den Genuss, den 1987 von Dodo Kalberer-Brenek geschaffenen „Eselsbrunnen“ zu sehen, den wir bisher auch noch nicht kannten. Und „Esel“ haben ja schließlich auch was mit Griechenland zu tun – und meinem erinnerungsbasierten Orientierungssinn.
Kein Esel darf man sein, wenn es darum geht, wie wichtig Wasser für uns alle ist. Würde auch nur ein Esel, die in alle vier Himmelsrichtungen stehen, vorwärts streben, fiele die Wasserschale, die auf ihren Rücken liegt, herunter. Was es mit der rechts daneben in einer Nische der (möglicherweise) aus römischer Zeit stammenden Stadtmauer auf sich hat, weiß ich nicht.
Wir irren noch weiter durch Schorndorfs Altstadt – verlaufen kann man sich nicht, denn es ist alles nahe beieinander – und sehen uns in der Hetzelgasse noch die fantastischen Fachwerkhäuser an und pünktlich – mit dem letzten Glockenschlag der Evangelischen Stadtkirche – treffen wir vorm Nostos unsere Freunde Margit und Uwe. Das ist timing!
Zammahogga beim Griacha
Es ist, als ob seit dem letzten Treffen gar kein Jahr vergangen sei. Nahtlos schließen wir an unsere Gespräche von damals an und bei Margit und Uwe geht es vor allem um Surri und Mowgli und … (ich weiß leider die Namen der anderen Katzen nicht, die noch bei Margit und Uwe leben).
Ich war schon in einigen griechischen Lokalen, aber das Nostos (Νόστος) = Heimkehr, Rückkehr) ist ganz anders als das, was wir sonst kennen. Nach meinem Empfinden sind die Gerichte griechischer, traditioneller, ursprünglicher und nicht touristisch geschmacksmäßig verändert.
Margit nimmt Kolokithakia und Rebithokeftedes (Zucchini- und Kichererbsenküchle), Susanne Saganaki (panierten Feta-Käse) und ich fetagefülltes Bifteki Gemisto (mit Feta und Gewürzen gefülltes griechisches Hackfleischküchle). Dazu gibt’s für alle einen kleinen Salat Choriatiki. Was Uwe genommen hat, habe ich vergessen, denn inzwischen kommt für jeden als Aperitif „Ένα ούζο με νερό“ (Ouzo mit Wasser). „Στην υγειά μας!“ (Auf unsere Gesundheit!).
Das Essen schmeckt super lecker, mein „Reis“, den ich mir mit Wonne in den Mund schiebe, ist höchstwahrscheinlich Hirse. Das rutscht bei mir nicht so. Aber mit einem guten Pils lässt sich auch Hirse runterspülen.
Während des Treffens tauschen wir auch Erinnerungen aus vergangenen Zeiten aus und erzählen uns außerdem gegenseitig vom aktuellen Leben. Hauptthema sind aber die „Katzen“.
Zom Absluss gangad mr no oms Karree
Nach dem Essen machen wir einen Verdauungsspaziergang die Gottlieb-Daimler-Straße hoch an der Kirche und an der Sackgasse „Im Sack“ vorbei, wo – als ich noch Kind war – mein Onkel und meine Tante wohnten. Bezeichnenderweise mit dem Nachnamen „Sackmann“. Das fand ich damals schon lustig und heute immer noch. Dann geht’s weiter zum oberen Marktplatz, an der Palmschen Apotheke und rechts am Rathaus vorbei in die Höllgasse rein, wo wir das Geburtshaus von Gottlieb Daimler besuchen.
Gottlieb-Daimler-Geburtshaus
Genau hier wurde Gottlieb Daimler am 17. März 1834 über einer Back- und Weinstube geboren.
Die Daimler-Benz AG hat das Haus irgendwann in den Siebzigern oder Achtzigern gekauft und aufwendig restauriert und saniert. Heute dient es als Museum und Tagungsstätte der Daimler AG. Im Museum sind zum Beispiel Gesellenstück, Zeichnungen und persönliche Gegenstände Gottlieb Daimlers zu sehen. Bis auf kleine Retuschen im hinteren Teil entspricht die heutige Raumaufteilung wieder der der Ursprungszeit.
Zum 100. Todestag von Gottlieb Daimler am 6. März 2000 wurde die Ausstellung im Erdgeschoss erneuert. Sie umfasst heute eine eindrucksvolle Sammlung an Exponaten, Modellen und Dokumenten zu Leben und Schaffen des Automobilpioniers.
Eiscafé Snack-Bar Santa Lucia
Nach dem Besuch beim Daimler gehen wir gleich nebenan in das Eiscafé Snack-Bar Santa Lucia, das bei diesem Wetter natürlich bumsvoll ist. Uwe meint lautstark „Mir wäret dann soweit!“ und wie auf Befehl steht ein Kellner da. Der Einfachheit halber nehmen wir alle vier je einen Schwarzwaldbecher, dazu Cappuccini für die „Bayern“ und Espressi für die „Schwaben“.
Die Schwarzwaldbecher stehen Daimlers drittem Versuchsmotor, der auch als „Standuhr“ in die Geschichte einging, abmessungsmäßig in nichts nach. Sie sind sehr hoch, haben geschätzt auch 70 mm „Kolbendurchmesser“ und sorgen mit dem mehr als üppigen Kirschwasser-Anteil für ganz schön „Umdrehungen“. Daimlers Motor hatte 600 min-1. Die Becher haben sicher mehr.
D´s Schorndorfer Burgschloss
Um das Eis zu verdauen und das Kirschwasser abzubauen, laufen wir noch etwas durch Schorndorf. Über Moser- und Archivstraße gelangen wir bald zum Burgschloss, einer viereckigen Festungsanlage aus der Zeit der Renaissance (15. / 16. Jhdt.), mit je einem trutzigen Rundturm an jeder Ecke.
Im Rahmen der Remstalgartenschau 2019, der ersten Gartenschau in Deutschland, die in sechzehn Städten und Gemeinden stattfand, hat man den Park ums Schloss ganz schön herausgeputzt. Eigentlich ein Platz zum Verweilen, aber das griechische Event mit Freunden und der anschließende Besuch beim Italiener zeigt Wirkung.
Knoblauch, Tsatsiki, Bifteki, Zucchini, Kichererbsen auf der einen Seite und Cappuccino, Kirschwasser, Vanille- und Schokoladeneis auf der anderen Seite stehen sich in mir irgendwie feindlich gegenüber. Alles in mir schreit nach einem „stillen Örtchen“, nicht nur laut, sondern vor allem schnell. In solchen Momenten wird einem klar, wie klein wir eigentlich sind, wenn es nirgendwo eine Toilette gibt. So völlig ohne Privatsphäre. Wo bleibt da die menschliche Würde?
Unterwegs hatten wir es ja mit einigen Toiletten zu tun. Sauber waren da nur die Bezahl-Toiletten entlang der Autobahn und die Toiletten im Zoo und in den Restaurants. Und hier? Bis runter zum Karlsplatz schaffe ich das auf keinen Fall. Außerdem waren die Toiletten vorm Schorndorfer Bahnhof schon vor 50 Jahren so versifft, dass man da auf keinen Fall hin wollte. Andere kenne ich nicht.
Aber Glück gehabt. Seit 2021 gibt es hier im Schlosspark eine brandneue behindertengerechte und makellos saubere Toilette. Diese Einrichtung ist nicht nur auf höchste Sauberkeit ausgelegt, sondern verfügt auch über eine spezielle Einheit, in denen Suchtkranke ihre gebrauchten Spritzen sicher ablegen können, ohne Gefahr für andere oder die Umwelt.
Gut, die Toilette kostet 50 Cent, dafür hebt sie sich aber deutlich ab von allen andern. Für mich ist sie die sauberste und fortschrittlichste Toilette, die ich je gesehen habe. So was hätte ich allenfalls in Japan, aber niemals in Deutschland erwartet.
Abschied
Erleichtert setzen wir unseren Schorndorf-Rundgang fort, gehen noch gemeinsam zum Künkelin-Parkhaus und fahren dann so gegen dreiviertel vier wieder nach Hause.
Damit ist unser Burgen-und-frühere-Freunde-treff-Fährtle eigentlich abgeschlossen, wäre da nicht rechts in die Rosenstraße – schräg gegenüber vom Bahnhof – „Connys Imbisständle“, an dem wir grad vorbeifahren.
Nun ist so ein Imbiss-Ständle eigentlich nichts Besonderes, es erinnert mich aber – so im Rückblick – an eine wesentlich einfachere und unbeschwertere Zeit. Wie oft habe ich damals, vor über 50 Jahren, als ich noch Lehrling beim Bosch in Waiblingen war, abends den Bahn- oder Postbus nach Welzheim sausen lassen, weil mir die Pommes bei Conny, also die mit der selbstgemachten Mayonnaise, einfach wichtiger waren als alles andere. Ich hab jetzt wieder ganz genau deren Geschmack im Mund und ich sehe die spitze Papiertüte, aus der ich versuchte, die Pommes heraus zu stochern ohne komplett verschmiert zu sein. Da kommt irgendwie ein Glücksgefühl auf.
Gleichzeitig wird man aber auch wehmütig. Man wird sich bewusst, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist und wie sehr sich die Dinge im Laufe der Jahre verändert haben. Was ist seither nicht alles passiert? Studium, Fernreisen, unzählige Umzüge, Hochzeit, ja sogar Silberhochzeit, aber auch Übergang in den Ruhestand und der Verlust von Eltern und anderen nahestehenden Personen. Wäre all das auch genauso gekommen, wäre ich damals nach der Arbeit gleich nach Hause gefahren, so ganz ohne Pommes?
Jetzt aber genug der Sentimentalität. Ich denk lieber an die Glücksmomente in den mehr als 30 Jahren „Fährtle“ – und das immer mit der gleichen Beifahrerin!
Da sind wir wieder beim Fährtle. Ich bin ja schon öfter aus dem Schwäbischen Richtung Mering gefahren, aber auf dieser Strecke wie heute, noch nie. Erst geht es aus Schorndorf über die Göppinger Straße raus nach Oberberken, Holzhausen, Uhingen, Hattenhofen und Zell am Aichelberg und dann am Aichelberg endlich wieder auf der gewohnten Route, die A 8 Richtung München.
Um 18:00 Uhr kommen wir zu Hause an. Das war wieder mal eine perfekte Kombination aus Kultur, Geschichte, landschaftlicher Schönheit, Freundschaften und Emotionen – ein weiteres unvergessliches Fährtle mit unserem feuerroten Panda.