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Vorbemerkung


Immer, wenn ich davon erzähle, dass ich als N-Bahner am „Anhalter Bahnhof Berlin“ herumexperimentiere, werd‘ ich gefragt, wie groß denn die Anlage werden soll.

Über solche Fragen kann ich nur den Kopf schütteln, denn Träume kann man meines Erachtens nicht in Metern bemessen.

Angefangen hat alles vor rund 60 Jahren. Da haben wir vom Vater eine Märklin-Eisenbahn bekommen haben. Die wurde allerdings nur Weihnachten aufgestellt, denn so eine Bahn war was Besonderes.

Als Teenager habe ich meine Vorlieben dann auf ein eher anderes Terrain verlegt. Eisenbahn war für mich damals so was von out.

Als Kind eine Weihnachtseisenbahn


Wer hat sich als Kind nicht gewünscht, irgendwann eine Modell-Eisenbahn unterm Weihnachtsbaum vorzufinden? Ich glaube, ich war etwa fünf Jahre, als der Traum für mich dann endlich Wirklichkeit wurde. Eine große Acht mit zwei Bergen, einem Dorf mit Kirche – und was das Besondere war – einem Trolley-Oberleitungsbus von Eheim. Ich kann mich noch sehr gut an die Weihnachtsabende erinnern, als alles nach „Ampere“ roch. Bis heute weiß ich nicht, ob der Geruch von Inhaltsstoffen des Trafo-Kunststoffgehäuses kam oder ob tatsächlich irgendwo Funken entstanden, so dass Ozon freigesetzt wurde. Jedenfalls kam mir genau derselbe Geruch Jahre später, als ich in der Lehre die Ozonfestigkeit von Scheibenwischergummis prüfte, wieder in die Nase. Aber ich schweife ab.

Die Eisenbahn, die uns unser Vater Mitte der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts baute, war ein Traum. Alles, außer den Fahrzeugen, hatte mein Vater selbst gemacht. Die Häuschen aus Sperrholz (schließlich war Papa Schreiner) und die Berge aus Stoffbahnen, die er in Gips getränkt hatte. Die Anekdote, dass Papa für die Berge sein Hochzeitshemd opferte („Ich werd‘ wohl kein zweites Mal heiraten“) haben wir Kinder von unserer Mutter immer wieder zu hören bekommen.

Schulzeit


Ich wurde älter und ging dann irgendwann schon zur Schule. Weil ich damals glaubte, alles besser zu können, habe ich die „primitive 8“, die mein Vater seinerzeit gebaut hat, im Rahmen meiner geistigen Höhenflüge umbauen wollen. Vielmehr sollte auf der Platte untergebracht wer-den. „Tausend“ Züge sollten fahren und die Brücken sollten 5-fach übereinander liegen. Die Fanta-sie spielte verrückt und heraus kam nur noch etwas, das aussah wie ein „Schweizer Käse“. Die Steigungen waren so groß, dass kein Zug sie jemals hätte bewältigen können und die D-Züge, die we-gen Platzmangels natürlich auf Industrie-Radien fuhren, sahen in ihrer Zick-Zack-Form aus wie ein noch nicht ganz aufgeklappter Zollstock. Das war die Zeit der Misserfolge. Zustande kam bei meinen Höhenflügen nichts. Die Eisenbahn meines Vaters war zerstört und für meine „Fantasie-Eisenbahn“ war es besser, wenn man sie niemandem zeigte. Modellbau (wenn man meine damaligen Aktivitäten überhaupt jemals so nennen konnte) wurde „zu den Akten“ gelegt.

Studium


Viele, viele Jahre später, während meines Studiums in Berlin, brach der „Eisenbahnvirus“ dann plötzlich wieder durch.

Weil das Geld für andere Aktivitäten nicht reichte und man trotzdem „unter Leute“ wollte, habe ich meine Netzkarte, die ich als Student billig bekam, seinerzeit voll ausgenutzt. Ich kannte jede U-Bahn-Linie in Berlin und jede Haltestelle. Eine ganz besondere U-Bahn-Linie war „Linie 1“, die zwischen Schlesischem Tor (Kreuzberg) und Ruhleben. Hier konnte man auf nur 15 km (fast) alle Berliner Bezirke kennenlernen und man sah sehr interessante ; Menschen, die man vielleicht gerne kennenlernen wollte, mit denen man aber niemals in Kontakt kam (wie sang doch Natalie im Musical von Volker Ludwig und Birger Heymann noch? „Du sitzt mir gegenüber und schaust an mir vorbei“) und solche, mit denen man vielleicht auch niemals in Kontakt kommen wollte. Ich habe damals in Neukölln gewohnt und musste dann, wenn ich zur Uni fuhr, immer bei der Möckernbrücke umsteigen, das war damals von der Linie 7 in die Linie 1.

Das Vorbild löst den Virus aus


Die Ruine des Anhalter Bahnhofs


Eines Tages – man musste die Zeit ja irgendwie totschlagen – habe ich auf dem Heimweg von der Uni mal nicht die U-Bahn genommen, sondern hab den Tag genutzt und bin durch den Großen Tiergarten an der Philharmonie und an der Nationalgalerie vorbei Richtung Landwehrkanal zu Fuß gegangen.

Was sich schlimm anhört, dauert gerade mal 45 Minuten und am „Halleschen Ufer“ am Kanal entlang bis zur U-Bahn-Station „Möckernbrücke“ dann noch mal 20 Minuten, wenn man unterwegs nicht links abbiegt.

Ich weiß nicht, wer oder was mich zum Abbiegen bewogen hat, jedenfalls war dieser Tag im Juli 1980 entscheidend. Ich kam zum „Anhalter Bahnhof“, bzw. zu dem, was sie bei der Sprengung 1958 davon übrig gelassen haben.

Wenn man bedenkt, dass der Anhalter Bahnhof in seiner Hochzeit einer der prächtigsten Bahnhöfe Deutschlands war, dann kommt beim Anblick der Ruine nur noch Beklemmung auf. Ich weiß nicht, wer der Irre war, der 1958 den Auftrag gab, den einstmals mächtigsten Berliner Bahnhof zu sprengen? Klar, es war nur ein Bahnhof, aber beim An-blick der Ruine standen mir Tränen in den Augen.

Dieser Ein-druck der Vergänglichkeit, der von Menschen verursachten Vergänglichkeit, hat mich so mitgenommen, dass ich mehr wissen musste über diesen Bahnhof. Um dem Ganzen dann auch noch einen seriösen Anstrich zu geben, sah man mich ab 1980 häufiger im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, wo ich in jeder freien Minute recherchierte, u. a. kam mir dabei auch das Buch „Ingenieurwerke in und bei Berlin“ aus dem Jahre 1906 in die Finger. Vor meinem geistigen Auge sah ich genau, wie die 600 Meter Gleise zwischen dem Landwehrkanal und dem Bahnhof auf meiner Anlage aussehen sollten. Da spielt es dann auch gar keine Rolle, dass so eine Anlage in H0 mindestens 7 m und in Spur N um die 4 m lang sein muss.

Natürlich war mir klar, dass so etwas in einer Studentenbude in Berlin zu bauen schlichtweg unmöglich war. Aber träumen darf man doch und schließlich werde ich nicht ewig Student bleiben. So fertigte ich bereits früh meine ersten Prinzip-Skizzen. So wie auf der Skizze oben rechts müsste das Gleisvorfeld bei mir einmal aussehen.


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