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3. Wilhelmshavener Schweinswaltage (2019)

Mittwoch, 17.4.2019

Norden – Waloseum


Heute fahren wir rund 75 km von Wilhelmshaven nach Westen zu einem – für mich – legendären Ort, nach Norden-Osterloog. An einer Stelle, wo sich Hasen offenbar „Gute Nacht“ sagen, steht ein rotes Backsteingebäude, in dem sich – bis zu dessen Stilllegung 1998 – die Funkstelle des legendären Norddeich Radios befand.

In der Zeit vor Handy und Computer war Norddeich Radio die einzige Stelle, die es ermöglichte, Seeleute weltweit mit Informationen aus der Heimat zu versorgen. Viel wichtiger aber war, dass zweimal pro Stunde, immer zwischen der 15. und 18. Minute und der 45. und 48. Minute einer Stunde der allgemeine Funkverkehr auf der 500-kHz-Welle komplett unterbrochen wurde und man nur nach einem einzigen Signal lauschte: · · · − − − · · · oder, wie wir es kennen, S.O.S. Ist irgendwo ein Mensch in Seenot?

Ich selbst kenne Nordeich Radio noch aus den 50er-Jahren. Damals gab es an Weihnachten immer die Sendung „Gruß an Bord“ in der Familien, Freunde oder Reedereien Weihnachtsgrüße an Seeleute in aller Welt verschickten und wo Seeleute Grüße zurückschickten. Das hat mich seinerzeit tief berührt, vielleicht deshalb, weil mein Vater im Krieg ebenfalls Seemann war.

Heute spielt das Signal · · · − − − · · · im Gebäude noch immer eine wichtige Rolle – zumindest ich sehe das so – denn im Gebäude befindet sich seit 2006 die Quarantänestation der Seehundstation Norddeich.

Hier werden kleine Seehunde – und manchmal auch Kegelrobben – tierärztlich versorgt und beobachtet, bevor sie soweit wiederhergestellt sind, dass sie zu den anderen Tieren in die große Seehundstation nach Norddeich gebracht werden können. Es versteht sich von selbst, dass wir diese Seehundstation nachher auch noch besuchen werden.

Aber zunächst mal zum Waloseum. Schwerpunkt des Museums ist im Erdgeschoss eine Ausstellung von rund 80 Walmodellen, alle im Maßstab 1:10 und im ersten Stock die Ausstellung Vogelwelt der Nordseeküste. Daneben gibt es auch noch ein paar Skelette von echten Tieren, u. a. einem Weißschnauzendelfin und einem Schweinswal. Highlight aber ist das Skelett eines 15 Meter langen Pottwals, der im 2003 vor Norderney gestrandet ist.

Ich weiß nicht, warum mich das Museum – im Gegensatz zur Quarantänestation – einfach nicht ansprechen will. Liegt es daran, dass etliche Ausstellungsräume – nach meinem Empfinden – einfach viel zu dunkel sind, und dass man die kleinen und lieblos angepappten Hinweisschilder kaum lesen kann oder liegt es daran, dass Günthers Führung am Montag durch die Wilhelmshavener Ausstellung einfach DAS Highlight war. Dagegen verblasst die Ausstellung hier – zumindest nach meinem Dafürhalten – etwas.

Toll finde ich auf jeden Fall aber die Quarantänestation, deren Arbeit ich nicht hoch genug einschätzen kann, und die Tatsache, dass am Tresen Ersttagsbriefe zur Schweinswalmarke verkauft werden, einer Marke zu der Susanne bestimmt auch beigetragen hat, als sie nämlich 2017 ihren Vorschlag an das Bundesfinanzministerium schickte, dem einzigen in deutschen Gewässern lebenden – und extrem gefährdeten – Wal doch auch ein Postwertzeichen zu widmen. Wie man sieht, gibt es die Marke jetzt. Im Januar 2019 kam sie raus.

Eine Stunde ist inzwischen auch schon vergangen, die wir hier gewesen sind. An Windrädern und blühendem Raps vorbei fahren wir weiter zum Hauptziel unseres heutigen Ausflugs, zur Seehundstation Norddeich. Für beides, das Waloseum und die Sehundstation gibt es übrigens auch eine Kombi-Eintrittskarte.

Norddeich – Seehundstation


Die Seehundstation liegt in einem Wohngebiet mit Wellenpark, Erlebnispark, Abenteuergolfplatz und Kinderspielhaus, einem Tourismus-Tiegel in dem eine Ferienwohnung neben der anderen liegt. Hier hätte ich eine derartige Einrichtung bestimmt nicht erwartet.

Die Hauptaufgabe der Seehundstation, die für die Tiere des gesamten Niedersächsischen Wattenmeers zuständig ist, besteht darin, verwaiste Jungtiere gesundzupflegen, aufzupäppeln und dann in der Nordsee wieder auszusetzen. Hier kann man die Seehunde nicht nur auf den Liegeflächen, im und sogar unter Wasser beobachten, sondern auch eine große Ausstellung über das Leben der Seehunde und das Weltnaturerbe Wattenmeer besuchen.

Als Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Seehundebestände an der Nordsee stark zurückgingen, war das für einige Jäger (!), insbesondere für Winhold Schumann und Erwin Manninga 1971 Anlass – mit großzügiger Unterstützung der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. – die Seehundeaufzuchtstation zu gründen. Beide hatten das Ziel, verwaiste Heuler aufzuziehen und sie hernach wieder in die Freiheit zu entlassen. Seit 1978 wird die Station vom „Verein zur Erforschung und Erhaltung des Seehundes e.V.“ betrieben. Was daraus geworden ist, ist Geschichte – eine tolle Geschichte, wie ich finde!

Bei rund 4000 jährlich im Wattenmeer geborenen Seehunden kommt es naturgemäß vor, dass manche davon – wodurch auch immer – den Kontakt zu ihrer Mutter verlieren. Das kann durch Stürme passieren, durch den Tod des Elterntiers, durch menschliche Störungen (beispielsweise auch durch Möchtegern-Naturfotografen) oder einfach nur dadurch, dass die Mutter für ein krankes oder verletztes Tier eh keine Chance sieht und es verlässt. Sind die Tiere weniger als 3 Wochen alt, besteht die Gefahr, dass sie verhungern, weil sie in dem Alter eigentlich noch gesäugt werden müssten.

Die Seehundstation hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Tiere aufzunehmen, aufzupäppeln und dann wieder in die Nordsee zu entlassen. Während der „Strand“ links noch heile Welt vorgaukelt, sehen andere in den Gehegen (Bild rechts) durchaus Gefängniszellen. Dazu kommt, dass sich junge Seehunde oftmals weigern zu fressen und deshalb zwangsernährt werden. Da bei diesem Prozedere auch schon mal Jungtiere starben, kann man so eine Seehundaufzuchtstation durchaus auch kontrovers sehen. In Dänemark beispielsweise werden kleine Seehunde gar nicht mehr aufgenommen, sondern gleich getötet.

Wenn ich mir die Tiere in Norden ansehe, würde ich aber auch versuchen, sie aufzupäppeln und auszuwildern, ganz egal, was andere „Tierschützer“ sagen.  Liest man die Pläne, wurden in der Saison 2018/2019 neben Prinz, Femke, Snorre und 185 andereTiere ausgewildert und Shenzi, Karl und Flecki werden sicher auch bald dran sein.

Vielleicht sollte man diese Tiere fragen, ob sie sich vorstellen können, statt im Ostfriesischen Wattenmeer eher an der dänischen Küste gefunden worden zu sein. Ich für meine Person stehe voll hinter den Aktivitäten der Seehundstation.

Die Seehundstation ist übrigens auch DER Ansprechpartner für Lebendstrandungen von Schweinswalen an der niedersächsischen Küste. Doch anders als bei Seehunden, denen das Jagen angeboren ist, und die – nachdem sie genesen sind – wieder ausgewildert werden können, ist dies bei Schweinswalen schwierig. Schweinswale können erst dann ausgewildert werden, wenn sie von ihrer Mutter gelernt haben, wie Jagen funktioniert. Um das zu wissen, müssen sie einige Monate auf dem Buckel haben.

13.00 Uhr und wir haben alles gesehen, was es in Norddeich zu sehen gibt. Was tun? Eigentlich müssten wir erst um 14:30 Uhr zurückfahren, um rechtzeitig bei Jan Herrmanns Vortrag „Walfang weltweit“ (https://www.schweinswaltage.de/programm-17-april.html) zu sein, der um 16:30 Uhr beginnt, und den er im Rahmen der 3. Schweinswaltage im Wattenmeer Besucherzentrum in Wilhelmshaven hält. Warum nicht irgendwo ein Käffchen? – Gute Idee, und welches Lokal wäre da besser geeignet als das Bootshaus am Stadtpark in Wilhelmshaven, das inzwischen zu unserem Lieblingslokal geworden ist. Wir fahren zurück.

Wilhelmshaven – Bootshaus am Stadtpark


Im Bootshaus am Stadtpark ist nicht nur das Abendessen lecker sondern auch der Nachmittagskaffee. Zudem haben wir hier Zeit und Muse – nach total altmodischer Art – unseren Freunden zu Hause Postkarten zu schicken. Da lacht nicht nur der Milchschaum auf dem Kaffee.

Oh Mann, vertrödelt. Jetzt aber Hopp zu Jan Herrmanns Vortrag.

Schweinswaltage, Wilhelmshaven – Jan Herrmanns Vortrag


Interessant ist am Besucherzentrum auch der neu gestaltete Zugang in einem der oberen Stockwerke. Man erreicht ihn über eine Brücke direkt vom Südstrand aus. Gerade noch rechtzeitig kommen wir an.

Jan Herrmann, den wir gestern schon auf der Harle Kurier trafen, ist Tiermediziner und Walexperte. Gebannt lausche ich seinen Ausführungen, insbesondere – und vor allem deshalb -, weil Jan Herrmann – völlig frei von Populismus – die Hintergründe und die Einordnung des Walfangs in Bezug auf Tier- und Artenschutz beleuchtet.

Nun beginne ich zumindest darüber nachzudenken, dass ganz offenbar nicht die direkte Jagd, welche – wohl um die Gunst von Massen zu gewinnen – von Tierrechtlern dramatisch übersteigert im Netz verbreitet wird, die Wurzel allen Übels ist, sondern dass wir es sind mit unserem Luxus: Unsere Kreuzfahrtschiffe, unser Fisch auf dem Tisch, unser Plastik, unsere Gifte.

Es hilft also keinem einzigen Wal oder Delfin, wenn fanatische Tierrechtler zum Boykott aufrufen oder Walfänger mit Shitstorms überziehen. Das führt nur zu Trotzreaktionen. Aus Sicht Herrmanns kann Tierschutz nur daraus erwachsen, dass man die Tiere immer besser kennenlerne. Es ginge also nichts über Naturbildung, die letztendlich – so Herrmann – auch zu einem Stopp des Walfangs führen wird.

Zurück zum immer noch betriebenen Walfang. Den muss man nicht gut finden. Mitnichten! Aber arten-bedrohend ist Walfang nicht. Es gibt also keine Veranlassung, nach „Artenschutz“ zu rufen. Vielmehr geht es um „Tierschutz“, was manche Verblendeten aber allesamt in einen Topf werfen.

Man kann nicht gut heißen, dass Wale und Delfine mitunter stundenlang leiden, nachdem sie getroffen wurden. (Nebenbei bemerkt: In Netzen, die gar nicht für sie gedacht waren, oder an Plastik -dieses gefressen oder darin verheddert – leiden sie oft monatelang). Insofern sind die heutigen – aus der Sicht mancher – „brutalen“ Abschussmethoden mit Explosionsharpunen aus Tierschutzsicht „humaner“ als die traditionelle Weise, wie sie von manchen Völkern noch vorgenommen wird.

Schweinswaltage, Wilhelmshaven – Abschied von den Jadewalen


Da wir morgen wahrscheinlich den ganzen Tag in Texel (Holland) sein werden, müssen wir uns bereits heute von Michael, Tina und Wilfrid (Jade-Wale) verabschieden.

19:00 Uhr. Eigentlich zu früh, um ins Hotel zu gehen.

„Mühle Accum“ in Schortens


Für den Abend habe ich mir die Mühle von Schortens ausgesucht. Unter dem Namen kennt sie aber niemand. Dem Navi folgend kommen wir aber dennoch an einer Mühle an – und, was soll ich euch sagen? Die „Mühle Accum“ ist die Mühle von Schortens.

„Waldschlösschen“ in Jever


Zum Abendessen wollen wir zum Waldschlösschen nach Jever. Jever kannte ich bisher nur von einem Bier, das mit seiner – im Vergleich zu vielen anderen Pilsmarken – deutlich höheren Hopfenbittere (Gehalt an Iso-Alphasäure im fertigen Bier) zu meinen Favoriten gehört.

In Jever – die Einheimischen sagen Jefer mit „f“ – gibt es das Ausflugslokal „Waldschlösschen“, in dem sich gerne auch Biker und Wohnmobilfahrer treffen. Das ist nicht schlecht, dachte ich mir.

Ich bestelle mir Ofenkartoffel mit Putenbrust und Susanne Matjesfilet Hausfrauenart. Dazu gibt´s (ich bin ja mit dem Auto da) Apfelschorle und Mirinda – und das in Jever!

Wir hätten noch ewig sitzen können, da ich – wenn ich Auto fahre – aber nichts trinke, fahren wir fürs Feierabendbier zurück ins Hotel.


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3. Wilhelmshavener Schweinswaltgage (2019) – INHALTSVERZEICHNIS
HAUPTGRUPPE BERICHTE

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