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AHBF-Adventskalender – 05. Dezember 2025


Die Fernbahnbrücke am Landwehrkanal im Original


Wenn man sich auch nur ansatzweise mit dem Anhalter Bahnhof beschäftigt, kommt man nicht umhin, sich auch mit den Brücken am Landwehrkanal zu beschäftigen. Wie keine andere architektonische Anordnung spiegeln diese 5 ineinander geschachtelten Verkehrsebenen – zumindest für mich – eine historisch einzigartige Ingenieursleistung wider.

Das Hallesche und das Tempelhofer Ufer, die beiden Straßen, die unter der geplanten Fernbahnbrücke hindurchführen, befinden sich auf einer Höhe von 33,70 m über Normalnull (NN). Der Askanische Platz, wo der Eingang zum Bahnhof geplant ist, liegt bei 34,60 m ü. NN, also nur 0,90 m höher. Da Gleise in Bahnhofsbereichen aus technischen und betrieblichen Gründen in der Regel horizontal verlaufen, würde das bedeuten, dass auf Halleschem und Tempelhofer Ufer Fahrzeuge mit maximal 90 cm Höhe fahren können. Das ist natürlich ein Unding.

Die übliche Durchfahrtshöhe von Brücken, beispielsweise für Doppelstockbusse, liegt bei 4,40 m. Um diese Höhe zu gewährleisten, muss die Unterkante der Fernbahnbrücke auf mindestens 38,10 m ü. NN liegen (also 33,70 m + 4,40 m), zuzüglich der Stärke der Fahrbahn der Brücke. Auf dieses Niveau muss die Bahnsteighöhe in geplanten Bahnhof also mindestens angehoben werden.

Natürlich kann man – zumindest theoretisch – das gesamte Gelände zwischen der Brücke und dem Bahnhofseingang auffüllen. Auch lassen sich längere Treppen und ein höhergelegtes Hauptgeschoss realisieren. Allerdings bedeutet jede zusätzliche Höhenschicht erhebliche Materialkosten. Bei einer Fläche von 6,5 Hektar würde jeder zusätzliche Zentimeter aber 650 Kubikmeter oder etwa 1750 Tonnen Gestein erfordern.

Die Ingenieure mussten also – vor allem unter den finanziellen Druck – dafür sorgen, dass  die Fahrbahndicke der 14,50 m langen Fernbahnbrücke möglichst dünn, aber dennoch stabil genug ist. Letztlich gelang es ihnen, die Fahrbahndicke so zu reduzieren, dass die Bahnsteighöhe des Empfangsgebäudes schließlich auf auf 39,20 m ü. NN lag. Somit lag die Schienenoberkante der Fernbahnbrücke nur 53 cm über der Unterkante der Brückenträger. Diese Ingenieursleistung aus dem Jahr 1873 zeigt die sorgfältige Balance zwischen technischer Machbarkeit und wirtschaftlicher Effizienz – auch ohne Computer.


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