AHBF-Adventskalender – 02. Dezember 2025
Das Vorbild löst den Virus aus
Eines Tages, um die Zeit totzuschlagen, bin ich auf dem Heimweg von der Uni nicht mit der U-Bahn gefahren, sondern zu Fuß gegangen. Mein Weg führte durch den Großen Tiergarten, vorbei an der Philharmonie und der Nationalgalerie in Richtung Landwehrkanal. Und dieser Tag im Juli 1980 war entscheidend: Ich kam zum „Anhalter Bahnhof“ – oder besser gesagt, zu dem, was nach der Sprengung 1958 davon übrig geblieben war.
- Detail der Ruine des Anhalter Bahnhofs
- Die Ruine des Anhalter Bahnhofs
Der Anhalter Bahnhof war einer der prächtigsten Bahnhöfe Deutschlands. Wer 1958 den Auftrag gab, diesen einst mächtigen Berliner Bahnhof zu sprengen, weiß ich nicht – aber der Gedanke daran machte mich fassungslos. Es war zwar „nur“ ein Bahnhof, doch beim Anblick der Überreste standen mir die Tränen in den Augen.
- Ingenieurwerke in und bei Berlin
- Schema des Gleisvorfelds
Diese von Menschen verursachte Vergänglichkeit nahm mich so mit, dass ich mehr über den Bahnhof erfahren musste. Ab 1980 verbrachte ich daher jede freie Minute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Dort stieß ich auf das Buch „Ingenieurwerke in und bei Berlin“ von 1906, das mir klare Vorstellungen gab: Die 600 Meter Gleise zwischen dem Landwehrkanal und dem Bahnhof, das ist es, was ich auf meiner Modellbahnanlage haben wollte. Der Plan stand, dieses Areal möglichst detailgetreu nachzubilden. – Wegen der gewaltigen Abmessungen natürlich nur in Spur N.
Doch schon bei der Planung stieß ich auf Probleme: Die Abzweigwinkel der Weichen aller damals bekannten Hersteller wie Minitrix, Fleischmann oder Arnold waren viel zu groß, um ein originalgetreues Gleisbild zu realisieren. Also blieb nur der Selbstbau. Die Hobby-Ecke Schumacher in Steinheim lieferte die notwendigen Schienenprofile und Schwellen, die ich per Hand mit Stahlnägeln montieren sollte. Das Ganze war pure Strafarbeit und so gab ich entnervt auf.