AHBF-Adventskalender – 01. Dezember 2025
Als Kind eine Weihnachtseisenbahn
Wer hat sich als Kind nicht eine Modelleisenbahn unterm Weihnachtsbaum gewünscht? Für mich wurde dieser Traum wahr, als ich etwa fünf Jahre alt war. Es war eine große Acht mit zwei Bergen, einem Dorf samt Kirche und – das Besondere – einem Trolley-Oberleitungsbus von Eheim. Ich erinnere mich noch genau an die Weihnachtsabende, an denen alles nach „Ampere“ roch. Ob der Geruch vom Kunststoffgehäuse des Trafos kam oder durch Funken Ozon freigesetzt wurde, weiß ich bis heute nicht. Jahre später begegnete mir dieser Geruch wieder, als ich in der Lehre die Ozonfestigkeit von Scheibenwischergummis prüfte. Aber ich schweife ab.
Die Eisenbahn, die unser Vater Mitte der 1950er-Jahre für uns baute, war ein Traum. Alles außer den Fahrzeugen hatte er selbst gemacht. Die Häuschen waren aus Sperrholz (Papa war Schreiner), und die Berge formte er aus in Gips getränkten Stoffbahnen. Besonders blieb uns die Anekdote in Erinnerung, dass Papa für die Berge sein Hochzeitshemd opferte: „Ich werd’ wohl kein zweites Mal heiraten“, pflegte er zu sagen – und unsere Mutter erzählte diese Geschichte immer wieder.
- Meine kleine Schwester vor unserer Modellbahn
- Wir Kinder vor unserer Modellbahn
Als ich älter wurde und zur Schule ging, wollte ich die „primitive Acht“, die mein Vater gebaut hatte, umbauen. In meinen geistigen Höhenflügen glaubte ich, alles besser zu können. Ich wollte mehr Züge, fünf übereinanderliegende Brücken und alles viel komplexer gestalten. Doch am Ende sah die Platte aus wie „Schweizer Käse“. Die Steigungen waren so steil, dass kein Zug sie bewältigen konnte, und die D-Züge auf engen Industrie-Radien wirkten wie ein halb aufgeklappter Zollstock. Es war die Zeit der Misserfolge: Die Eisenbahn meines Vaters war zerstört, und meine „Fantasie-Eisenbahn“ war eine Katastrophe. Schließlich legte ich das Thema Modellbau „zu den Akten“.
Viele Jahre später, während meines Studiums in Berlin, kehrte der „Eisenbahnvirus“ plötzlich zurück. Als Student hatte ich wenig Geld für andere Aktivitäten, wollte aber trotzdem unter Leute. Deshalb nutzte ich meine günstige Netzkarte voll aus. Ich kannte jede U-Bahn-Linie Berlins und jede Haltestelle. Besonders faszinierte mich die „Linie 1“, die von Schlesischem Tor (Kreuzberg) bis Ruhleben fuhr. Auf nur 15 Kilometern durchquerte man fast alle Berliner Bezirke und begegnete interessanten Menschen – manche, mit denen man ins Gespräch kommen wollte, und andere, mit denen man lieber keinen Kontakt gehabt hätte.
Damals wohnte ich in Neukölln und musste für die Uni immer an der Möckernbrücke umsteigen – von der Linie 7 zur Linie 1.