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Montag, 26. Dezember 1988


Eine Nacht ohne Privatsphäre


Besonders gut geschlafen habe ich nicht. Ich fühl mich in so einem Schlafsaal – trotz abgegrenzten Privat-Bereichen – immer irgendwie beobachtet. Auch hört man aus den anderen Zimmern jedes noch so kleine Geräusch. Was meiner Laune aber am allerwenigsten zuträglich ist, ist die Tatsache, dass die Küche an den Feiertagen zu ist und es kein Frühstück gibt. Da kann man aber nichts machen.

So geh’ ich eben ohne Frühstück aus dem Haus, einen „Laden“ suchen, wo ich was zu frühstücken bekomm’. Gleichzeitig suche ich eine Post, weil ich für Bärbel die 28. oder 32, Postkarte einwerfen will. Endlich habe ich auch mal Glück. Gleich bei der Post, die sich im ersten Stock eines Haus an der V+Carlos-Garcai-Ave./Ecke Honotio-Grupo-Street befindet, ist auch das „Horizon“, wo man um diese Zeit frühstücken kann. Da geh ich rein. An der Wand sehe ich eine Spruch, der mir irgendwie zusagt: „You cannot think well, love well or sleep well if you haven’t dined well.“ Wie wahr. Das Frühstück hat super geschmeckt, das Wetter wird immer besser und jetzt erzählt mir auch noch einer, dass um 9:30 Uhr, also in 40 Minuten der Bus nach Carmen abgeht.

Carmen liegt gleich bei den „Chocolat Hills“. Meine Stimmung steigt und steigt, warum also die „Schokoladen-Hügel“ nicht gleich besuchen?

Aufbruch zu den Chocolat Hills


Ich geh runter zum Platz vor der Kirche und da steht er auch schon, der Bus. So einen Bus habe ich allerdings noch nie gesehen: Sieht aber eher aus, wie ein umgebauter Pritschenwagen als wie ein Bus.

Fußweg zum Bus-Terminal

Auf der Pritsche, die ganz aus Holz ist, befinden sich hintereinander, von Wand zu Wand gehend, zwölf durchgehende Bankreihen auf denen jeweils sechs bis sieben Personen Platz finden. Also Platz für fast 80 Leute. Zugestiegen wird – direkt in die Bankreihen – von rechts. Ich hab einen Platz außen, sozusagen einen Fensterplatz, nur eben, dass es hier gar keine Fenster gibt. Da sitz ich also, halte mich an der hölzernen Lehne fest, und spüre den warmen Wind durch das fensterlose Loch hereinwehen. So warte gespannt auf den Beginn eines weiteren Abenteuers.

Busfahrt von Tagbilaran nach Carmen

Drei Kilometer östlich von Tagbilaran, im Dorf Bo-ol, steht ein Gedenkstein für des Blood Compact zwischen Legazpi und Sikatuna. Drei Kilometer weiter in Baclayon eine der ältesten Kirchen der Philippinen. Sie erinnert mich an mittelalterliche Festung. Wir sind jetzt eine halbe Stunde gefahren und durchgeschüttelt worden, und halten für einen Zwischenstopp in Loay. Kaum steht das Gefährt, stürmen auch schon wieder die fliegenden Händler ins Innere. „Mani, Mani“, rufen. Wollen sie Geld? Das wahrscheinlich auch, aber Mani ist nicht irgendwie verballhornt „money“ (Geld) sondern der philippinische Ausdruck für „Erdnuss“.

Unweit der Chocolat Hills

Die Pause ist vorbei. Nach Loay steigt die Straße steil bergan. Da qualmt der Auspuff aber schon gewaltig. Wie die Maschine das bloß aushält? Nach ca. dreistündiger Fahrt hält der Bus neben einem Kiosk. „Chocolat Hills“ sagen meine Begleiter. Der Junge vom Bus nimmt mir 15 ₱ ab. 15 ₱ für zwei Stunden Fahrt, das ist okay. Auf einer riesigen gelben Tafel steht: „Chocolat Hills“. Die Sonne sticht erbärmlich. Es hat über 40°C. Kein Schatten, kein Hut, keine Sonnencreme. Das wird bestimmt ein Sonnenbrand. Egal, da muss ich jetzt durch. Aber vorher unbedingt noch was trinken!

Berge wie aus Schokolade


Nachdem ich im Kiosk ein Cola getrunken hab, geht’s los. Einfach dem Weg lang, es gibt keinen anderen. Die ersten 300 m ist es ja noch größtenteils flach, sodass es – trotz der Hitze – einigermaßen geht. Aber dann steigt der Weg an, mindestens 10% Steigung. Ich keuche wie das „Halb-Achter-Zügle“, aber es wird noch steiler (14%). Anschließende lässt die Steigung wieder etwas nach und ist etwa so wie am Anfang. Ich lauf jetzt schon ‘ne Viertel stunde und bin immer noch nicht oben. Noch einmal im Uhrzeigersinn um den Hügel rum, dann erreich’ ich einen Platz, kleiner als ein halbes Fußballfeld.

Von hier kann man die „Chocolat Hills“ zwar sehen, aber nur deren Spitzen. Leider nicht so, wie in den Prospekten immer abgebildet.

Will man die Hügel richtig sehen, muss man noch ein Stückchen höher. Nach etwa 100 Metern auf einem Trampelpfad kommt man auf eine nur wenige Quadratmeter großen Aussichtsplattform. Hier bietet sich ein wundervolles, ein einmaliges Panorama. Den überwältigendsten Eindruck hat man – so zumindest mein Empfinden – wenn man von dort Richtung Süden blickt.

Dort sieht man – zum Greifen nah – Hunderte gleichförmiger, zwischen 30 und 40 Meter hohe Kegel. Die Hügel sind bewachsen mit niedrigen Büschen und Gras. Jetzt sind die Hügel noch grün, aber wenn zum Ende der Trockenzeit das Zeug vertrocknet und sich braun färbt, braucht man über den Namen nicht mehr zu grübeln. Grübeln tun aber die Geologen, weil sie nicht wissen, wie die Hügel dahin kommen.

Ich bleib’ noch ein Weilchen und schreib alles, was ich gelesen und anderweitig mitbekommen habe in mein Tagebuch, das mit den wissenschaftlichen Theorien und das vom unglücklich verliebten Arago.

Ständiger Begleiter – mein Tagebuch

Es gibt unterschiedlichste Meinungen dazu:

  • durch Vulkanausbruch an die Oberfläche gebrachter früherer Meeresboden
  • Verwitterungsform von Kalkstein

Ich halt’ mich da eher an die Legende:
Arogo, ein junger und kräftiger Riese, liebte die gewöhnliche Sterbliche Aloya. Nach ihrem Tod weinte Arogo bitterlich. Der Beweis seiner Trauer sind die Chocolate Hills, denn die Tränen wurden in Ewigkeit zu Stein.

Rückkehr nach Tagbilaran


Glücklicherweise kommt nur wenige Minuten, nachdem ich wieder unten an der Straße bin, ein Bus Richtung Tagbilaran. Ein richtiger Bus, also nicht so ein „Pritschenwagen mit durchgehenden Bänken drauf“ wie heute Morgen, sondern ein richtiger Bus. Ich genieße den Komfort der Rückfahrt. Der Tag war heiß, aber sehr schön, und ich freue mich, dass es nur noch 16 Tage sind, bis ich wieder Bärbel in den Arm nehmen kann.

Über Balihan zurück nach Tagbilaran

Auch bekomm’ ich einen guten Sitzplatz auf der letzten Bank. Prima gepolstert. Und jetzt kommt der Schuss. Die Fahrt nach Tagbilaran kostet nur 8 ₱. Also grad die Hälfte dessen, was ich heute Morgen auf dem Pritschenwagen hab löhnen müssen. – Aber warum hält der jetzt in Balihan an und fährt nicht mehr weiter? Wie es aussieht, hat der Busfahrer einfach Hunger, denn er holt sich am einer Bude was zu essen. Trotz der Pause und dem offensichtlich anderen Weg kommen wir aber gegen 16:00 Uhr nach Tagbilaran zurück. Und da ist ja auch die Post – und das „Horizon“.

Überschwänglich – vielleicht auch ei bisschen balla-balla – schreib ich Bärbel und meiner Mutter eine Postkarte – allerdings eine sehr spezielle: Ich reiß die Postkarte, nachdem ich sie in Kleinstschrift beschrieben habe, einfach in der Mitte durch und versehen jede Hälfte mit eigener Adresse und Briefmarke, so müssen sich Bärbel und meine Mutter unbedingt treffen, wenn sie wissen wollen, was auf der Karte steht.

Der Abend klingt, wie auch gestern schon – heute allerdings ohne Eike und Wolfgang – im „Gie Garden“ aus. Und auch wenn man alleine isst, ist das „Gie Garden“ überwältigend: Das Essen spitze, die Bedienung äußerst zuvorkommen und das Ganze einfach nur grandios. Glücklich beschließ ich den Zweiten Weihnachtsfeiertag, den es hier in dem Sinn ja gar nicht gibt.


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