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Freitag, 23. Dezember 1988


Erste Eindrücke von Cebu


Erste Nacht in Cebu. Nach anfänglichen Problemen mit Stechmücken habe ich mir mein langärmeliges Unterhemd, lange Unterhosen und Socken angezogen. Alles, was noch rausschaut, habe ich mit Autan eingeschmiert. Trotz der Hauptstraße direkt vorm Fenster habe ich geschlafen wie ein Stein. Ich fühle mich hier in Cebu richtig wohl.

Erste Schritte in Cebu City

Nach dem Duschen gehe ich um halb neun frühstücken. Danach kaufe ich beim Philippine-Airlines-Jones-Ticket-Office, gerade mal 15 Minuten zu Fuß in der gleichen Straße wie der Frankfurter Hof, Tickets für die Flüge nach Davao und Legazpi. In der Philippine National Bank, praktisch genau gegenüber vom Frankfurter Hof, tausch ich dann auch noch Traveller Schecks um. Das ist sowas von einfach, man muss nur die Schecks hinlegen und seinen Reisepass dazu, dann gibt’s, man muss noch nicht mal Englisch oder Philippinisch sprechen, Scheine.

10:00 Uhr: So, das auch im Urlaub „Unverzichtbare“ – ich hab’ Flüge, ich hab’ Geld – hat super geklappt, dann kann ich ja mal losgehen, die Stadt zu erkunden. Ich bin der Überzeugung, dass man ein Land oder eine Stadt nur dann wirklich erleben kann, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Deshalb gehe ich die zwei Kilometer bis zur Basilica Minore del Santo Niño eben auch zu Fuß, den ganzen Osmena Blvd. runter.

An heiligen Stätten

Basilica Minore del Santo Niño


Was ich dort erlebe, ist einfach verrückt. Ich lande nämlich – ohne es zu wissen – mitten in der „Misa de Gallo“, die Hahnen-Messe rein. Diese neuntägige Messe, die vom 16. bis 24. Dezember gefeiert wird, hat ihren Ursprung in der Römerzeit und soll mit einem Hahnenruf den Beginn der Weihnachtszeit markieren. Dabei soll die Basilica Minore del Santo Niño, die älteste katholische Kirche der Philippinen, eine zentrale Rolle spielen.

„Tausende“ Gläubige stehen in einer riesigen Schlange, bewacht von Sicherheitskräften, und warten stundenlang, um in der Kirche eine Glasvitrine mit einer kleinen Holzfigur – dem Santo Niño – zu berühren. Der Legende nach schenkte Magellan genau diese Statue 1521 der Königin Juana von Cebu, als sie zum Christentum übertrat. Fast 500 Jahre später stehen nun Menschen davor, mit verklärten Augen, und flennen.

Diese naive Verehrung könnte mit den Ereignissen vor etwa 3 Jahren zusammenhängen. Als Ferdinand Marcos sich vor etwa drei Jahren nach einer umstrittenen Wahl zum Sieger erklärte, gingen Hunderttausende in Manila auf die Straße, unterstützt von Nonnen und Priestern. Soldaten, weigerten sich, auf die Menge zu schießen. Das war, aus Sicht vieler Gläubiger nur möglich, weil Gott, Maria und eben Santo Niño ihre Hand im Spiel hatten.

Vor der Kirche werden Plastikkopien des Santo Niño verkauft – weiße Mäntelchen sind günstig, rote teurer, da sie angeblich geweiht sind. Doch am Ende werden vor allem die Gläubigen „geweiht“ – oder doch eher „gehörnt“.

Hier kann man eine Aufzeichnung der Messe vom 23. Dezember 2023 sehen.

Magellan’s Cross


Ich verlasse die Kirche und gehe ein paar Schritte weiter zur Magellanes Street. Dort geht der Schmarrn mit dem „Glauben“ gerade so weiter. In einem kleinen Pavillon steht das Magellan’s Cross, das Kreuz, das Magellan angeblich 1521 nach der ersten katholischen Messe auf Cebu aufgestellt hat. Wer jetzt ein verwittertes Kreuz erwartet, der wird enttäuscht werden. Das Original-Kreuz befindet sich nämlich im Innern des schwarzen kreuzförmigen Gehäuses, welches im Zentrum des Pavillons steht und das Original, wie ein Etui ein Schmuckstück, vor allen äußeren Einflüssen – auch den Blicken der Besucher? – schützt. In Sichtweite des Pavillons steht dann vor der City Hall noch ein Denkmal, das José Rizal beim Schreiben seines berühmten Abschiedsgedichts zeigt. Mann, war gut angezogen, der Junge – im Knast. Jetzt reicht es dann aber langsam mit diesen irrationalen Überzeugungen.

Kultur & Shopping in Cebu City

Carbon Market


Langsam habe ich genug von Scheinwelten, Oberflächlichkeiten und vielleicht sogar bewussten Unwahrheiten. Es wird Zeit, zurück ins Hier und Jetzt zu kommen. Also mache ich mich auf den Weg zum Carbon Market – über die Briones Street gerade mal zehn Minuten zu Fuß.

Der Carbon Market ist der größte und älteste Markt in Cebu City. Hier gibt es alles, und das zu unschlagbar günstigen Preisen. Am Abend vor Weihnachten ist die Feststimmung deutlich spürbar. Überall sind bunte Lichter, Weihnachtsschmuck und Musik. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass dies eine Gegend ist, in der man nach Einbruch der Dunkelheit besser nicht alleine unterwegs ist.

Hier begegnet man vielen bettelnden Kindern und Obdachlosen. Es ist ein ziemlich blödes Gefühl, als vermeintlich Reicher durch diese Straßen zu gehen, während sich andere kaum etwas leisten können. Aber genau das sind die Philippinen – echt und ungeschönt. Meine Kamera lasse ich sicherheitshalber in der Tasche, auch wenn sie nur eine Billigknipse ist.

Was den Markt angeht, darf man keine westlichen Maßstäbe anlegen, vor allem nicht, was Sauberkeit und Hygiene anbelangt. Dafür gibt es hier jede Menge frische tropische Früchte wie Mango, Ananas und Papaya – nichts Neues für mich. Aber die typisch philippinischen Weihnachtsspezialitäten kenne ich noch nicht. Ich probiere ein Bibingka, eine Art süßen Kuchen, der ein bisschen wie eine Mischung aus Donut und Berliner aussieht und mit Käse und Ei belegt ist. Durch das Bananenblatt, auf dem es gebacken wird, bekommt es einen leicht rauchigen Geschmack.

Neben Essen gibt es auf dem Markt auch eine große Auswahl an Handwerkswaren – von traditionellen Stoffen über handgefertigten Schmuck bis zu kleinen Kunstwerken. Perfekte Mitbringsel für die Familie zu Hause.

Fazit: Der Carbon Market am Vorabend von Weihnachten gibt einem einen echten Einblick ins Leben auf den Philippinen. Für Globetrotter absolut spannend, für Pauschaltouristen wohl eher nicht zu empfehlen.

Fuerte de San Pedro


Nach dem Essen am Carbon Market gehe ich am Hafen entlang zum Fort San Pedro. Die dreieckige Festung wurde vor über 400 Jahren auf Befehl des spanischen Eroberers Miguel López de Legazpi erbaut, um die Soldaten vor Piraten zu schützen. Heute ist die Festung ein Museum.

Schon beim Durchgang durch das große Steintor fühlt es sich an, als wäre man in einer anderen Welt. Über dem Eingang hängen Steintafeln, die von der Geschichte der Festung erzählen. Im Innenhof gibt es gepflegte Grünflächen und tropische Pflanzen, die die alten Steinmauern auflockern. In der Mitte weht die philippinische Flagge, umgeben von alten Kanonen, die aufs Meer zeigen. Die Festung ist fast leer, und ich genieße die Ruhe. Es fühlt sich an, als wären der Carbon Market und die ganze Stadt weit, weit weg, dabei sind es nur ein paar Schritte. Der vom Meer her wehende Wind ist salzig. Ich steige auf die Mauern und genieße den Blick auf den Hafen und die Stadt.

Trotzdem frage ich mich, warum die Philippiner diese Festung derart verehren, obwohl die Spanier doch Unterdrückung, Zwangsarbeit brachten und den Philippinos die spanische Lebensweise aufzwangen. Das kann nicht im Sinne der Eroberten gewesen sein. Dieser Gedanke beschäftigt mich, ich kann damit nicht umgehen, deshalb gehe ich zurück zum Eingang.

Colon Street


Ich glaube, ich habe heute genug gesehen von Cebu, Kirche, Armut, Spanische Eroberung. Über die Legazpi Street – die haben sogar die Straße nach dem Eroberer benannt – lauf wieder zurück Richtung In der Zamora Street kann man links rüber gucken zur Basilica Minore del Santo Niño, da steh’n sie immer noch Schlange. Ich geh weiter und komme fünf Minuten später in die Colon Street. Hier gibt es Kaufhäuser und Supermärkte wie wohl in keiner anderen Stadt der Philippinen. Ich kauf mir neue T-Shirts – die gibt’s hier recht günstig. eine Tonbandcassette und AAA Batterien. Die Einkäufe bringe ich jetzt erst mal „nach Hause“.

Inzwischen wird es dunkel geworden und ich hab wieder meinen melancholischen. Morgen ist Heilig Abend und Bärbel so weit weg. Wenigstens kann ich ihr eine Karte schreiben und sie nachher gleich einwerfen.

Begegnungen beim Parol Festival


Auf dem Weg zur Post seh ich ganz oben an der Straße das Capitol hell erleuchtet. Dort muss irgend was sein. Mal sehen, was dort ist. Es ist das Christmas-Lantern- oder auch Parol-Festival, ein Weihnachtswettbewerb von Schulen, Gemeinden und Organisationen. Wer hat die schönste und kreativste Parol?

Capitol Building Cebu

Parols sind sternförmige Laternen, die traditionell aus Bambusstäben und bunt gefärbtem Papier hergestellt werden und den Stern von Bethlehem darstellen sollen. Manche davon sind aber auch ganz anders: Riesig, mit aufwendiger Beleuchtung und manchmal sogar mit motorgesteuerten beweglichen Elementen. Hier vor dem Capitol in Cebu präsentieren sich die Besten, begleitet von Musik, begeistertem Applaus der Zuschauer und einem bunten Rahmenprogramm. Der Allerbeste wird später, so gegen 20:00 Uhr, in einer feierlichen Zeremonie geehrt und einen Preis erhalten.

Die selbstgebastelten Laternen sind phantastisch, die Stimmung asiatisch weihnachtlich. Ich lass’ mich von dem angenehmen Gefühl anstecken. Überhaupt genieße ich das Leben in Cebu. Die Stadt lässt keinen Vergleich zu mit irgend was anderem, das ich auf den Philippinen kennengelernt hab. Es ist schön hier. Fehlt nur Bärbel.

Nach der Preisverleihung, gegen 21:00 Uhr ist mir was passiert, was mir in Deutschland nie passieren würde. An die zehn Mädchen haben mich „überfallen“ und steif und fest behauptet, dass ich ihr Traummann sei. Keine Ahnung, was für einen Spaß sie sich da mit mir erlauben wollten.

Auch wenn das absolut irrsinnig war, ein bisschen schmeichelhaft für mich war das schon. Rossini, die mit ihren dunklen Haaren und dem Kater-Felix-T-Shirt sah wirklich hinreißend aus. Und Estrella stand ihr in nichts nach. Damit das auch wirklich was wird mit uns haben mir sogar ihre Adressen ausgeschrieben.

Rossini B. Rue das, Insiag Gariong Hills, Banawa Salvador Ext., Cebu City, Philippines
Estrella D. Lantiese, Bago, Argao, Cebu, 6021 Philippines

Freundlich aber bestimmt versuche ich sie abzuwimmeln: „Girls, that’s very nice of you, but I’m married.“ Ich hole ein Foto von Bärbel und ihrem Patenkind Marc aus der Tasche und zeig es ihnen. Okay, es ist nicht ganz korrekt, aber ich hab’ die beiden kurzerhand zu meiner Familie erklärt. Das scheint tatsächlich gewirkt zu haben, denn plötzlich ist die Luft raus. Sie lassen mich in Ruhe und lachen sich beim Weggehen halb tot wegen ihres Jokes.

Nach diesem Ereignis muss ich erst mal wieder runterkommen. Ich geh’ ich in den Frankfurter Hof und bestell’ Würstchen mit Kartoffelsalat und dazu – weil ich so ein „toller Hecht“ bin – einen Remy Martin. Dazu les’ ich die Ausgabe des Stern vom 8.12.1988, den irgendein Tourist aus Deutschland mitgebracht und hier zum Lesen ausgelegt hat. In der Titelstory ging es um Biblis und die „Minuten bis zum GAU“, im Fernsehteil um Frank Elstners neue Show „Nase vorn“, bei der Politik um Ausländer die Deutschland bereichern und wie CDU-Leute vor Übervölkerung warnen. und auf den Klatsch-Spalten Um Gottfried von Bismarck, den man angeblich beim Koksen erwischt hat. Ihr glaubt nicht, was für ein Gefühl so ein Magazin in deutscher Sprache auslöst, wenn man bereits drei Wochen von Zuhause weg ist, auch dann, wenn mich die Artikel eigentlich gar nicht interessieren.


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Traum und Woche 1
2. Dez. -8. Dez. 1988
Woche 2
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