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… und hinterher nach Sansibar



Mittwoch, 26.8.2009 (4/5)

Jambiani – Die Wüste Sansibars


Inzwischen ist es halb zwei und ich hab immer noch nichts gegessen oder getrunken. Ganz nebenbei, Jambiani hat u. a. den Spitznamen „Wüste Sansibars“. Am Strand, bei ständigem Südwind, merkt man nichts davon, im Ort aber, wo die Häuser den Wind weitgehend abhalten, ist es wie im „Backofen“. Insofern ist es nicht die schlechteste Idee, den Rückweg wieder über den Strand anzutreten. Das hat nicht nur diesen Vorteil, sondern mindestens noch drei weitere: Erstens kann man dort weitaus besser gehen, als auf den Sandwegen im Dorf, zweitens komm ich am Strand entlang auch 100 % sicher wieder am Blue Oyster an und drittens gibt’s dort, wenn überhaupt irgendwo hier, vielleicht was zu trinken. Ich glaube, ich hab vorher auf dem Weg runter Bars gesehen. Die Palmen und das dahinter liegende türkisblaue Meer tun außerdem ihr Übriges. Also geh ich rüber.

Einfach nur dasitzen und träumen


Ich bin also wieder am Strand und geh jetzt links hoch Richtung Hotel. Gar nicht weit, da springt mich das Schild einer Strandbar an. Hier kann ich mich endlich hinsetzen und ´ne Cola ordern und gleich drauf noch ne zweite. Die erste kam gar nicht unten an. So aufgeheizt wie ich bin, verdampft die bereits im Hals. Wie muss es da den fastenden Moslems gehen, bei der Hitze? Die essen ja nicht nur nichts, die trinken auch nichts. Noch nicht mal Wasser! Ganz besonders Gläubige sollen ja noch nicht mal ihre Spucke runterschlucken. Zum Glück muss ich beim Fasten nicht mitmachen.

Da hock ich nun mutterseelenallein vor einer Kneipe und lass meinen Blick nach Osten schweifen. So einen Platz gibt es wohl nirgendwo mehr auf der Welt. Irgendwo dort drüben ist Sumatra, dahinter Singapur und zwischen hier und Sumatra nichts als 6½ tausend Kilometer Wasser. Okay, jetzt grad vielleicht etwas weniger, denn die Ebbe hat die Küstenlinie ganz schön weit nach draußen geschoben.

Die Gezeiten, das ist es auch, was viele Portale und Reiseführer Jambiani ankreiden. Man kann halt nicht immer und jederzeit baden. Aber „da sitzen“ und träumen kann man, wie seinerzeit Freddy vom „weißen Schiff“ und der „Sehnsucht nach der Ferne“. Ja, die Jugendträume. Jetzt hock ich selbst in der Ferne, freu mich einesteils, frag aber auch, was wohl jetzt zuhause abgeht.

Eine Stunde hock ich jetzt schon hier, träume und sinniere. Es wird Zeit, dass ich mich anschicke, weiter zu gehen. Ich ruf den Boy und der sagt „Two“. Jetzt kannst Du zeigen, ob du ein wahrer Tansania-Kenner bist oder nicht. „Two“ können hier nämlich 2000 Schillinge sein oder eben 2 $. Das nimmt man nicht so genau, 1000 TSh = 1 $ lässt sich einfach leichter rechnen. Wenn ich aber zurückdenke, dass ich letzte Woche in Arusha für 50 $ 66.000 TSh bekommen habe, dann ist das doch ein erheblicher Unterschied: 33 %!

Hinein ins Watt…


Nach der Pause geh ich nun weiter Richtung Norden und weil mich die Wattlandschaft fasziniert, geh ich jetzt ein bisschen weiter draußen – wasserfreien Meeresboden habe ich nämlich noch nie gesehen. In kleinen Kuhlen liegen Schnecken und anderes interessantes Glibberzeug. Toll zu gucken und auch toll zu fotografieren. Meine Trekking-Sandalen machen sich jetzt richtig bezahlt. Es wäre sicher nicht angenehm, barfuß auf dem glitschigen Zeug zu gehen oder gar auf einen Seeigel zu treten.

So ne Wattwanderung hat allerdings auch Nachteile: Immer wieder muss ich umkehren, weil mir der direkte Weg durch zu tiefe Kuhlen versperrt wird. Die Kamera muss ich mir hier nicht ruinieren, da war ich heute früh bei der Delfintour schon dicht genug dran. So geh ich eben wieder raus aus dem Schlick und pendel zwischen Watt und Sandstrand hin und her. Alles hat seinen Reiz und ich kann mich nicht wirklich entscheiden.

… und wieder zurück


War’s vorhin noch das Watt, ist jetzt der Strand wieder interessanter. Was sind denn das für Pflanzen? Solche hab ich auch noch nie gesehen. Sicher irgendwas Sukkulentes. Und Hühner gibt’s jetzt auch und Junge dazu. Da geht doch gleich wieder der Safari-Fotograf mit mir durch.

Es hat sich echt gelohnt, vom Strand wegzugehen. Dieses Panorama über den Fußballplatz von Baghani hinweg, wär’ mir sonst entgangen. Heute ist das „Lattengerüst“ noch Fotomotiv für mich, morgen schon ein Fußballtor und übermorgen vielleicht ein Beachvolleyballnetz. In Afrika sind die Dinge recht variabel einsetzbar. Man denke nur an das Seil, mit dem Lazaro an Ngorongoro Krater die Anhängerkupplung der Belgier „geschweißt“ hat.

Freiwilligenarbeit auf Sansibar


Inzwischen bin ich wieder beim Blue Oyster angekommen. Rechts vor der Mauer grast ein einzelnes Rind. Links führt ein Sandweg zu einem weiß, blau, gelb gestrichenen Gebäude. „Millat Ibrahim Kindergarten“ steht an der Wand. Hier wuselt ein Rudel junger Weißer herum, was in Afrika, zumal auf dem Land, natürlich sofort auffällt.

Die jungen Leute sind sogenannte „Volontäre“, die zwei, vier oder acht Wochen in Jambiani verbringen und dazu beitragen, „die Lebensumstände der lokalen Bevölkerung zu verbessern“. So steht’s zumindest im Katalog der Reiseveranstalter, bei denen die Jugendlichen so eine „Freiwilligenarbeit-auf-Sansibar-Reise“ buchen können und offensichtlich auch gebucht haben.

Derartige „Reisen“ kann man auch in Deutschland bei allen möglichen Reisebüros buchen. Letztendlich kommt man dann aber immer wieder auf die Homepage einer „familiär geführte Organisation, die mit Leidenschaft und Stolz aufgebaut wurde“. Dort steht u. a., dass man als ehrenamtlicher Volontär in Afrika nicht nur den Menschen vor Ort hilft, sondern auch viel mehr von Land und Leuten mitbekommt, als der Durchschnittstourist. Zusätzlich gibt’s nach der Rückkehr ja auch ein Zertifikat! Dafür zahlen die jungen Leute dann aber auch 970 € für zwei Wochen, 1450 € für vier Wochen oder 2590 € für acht Wochen. Die Kosten für Hin- und Rückreise, Visum, Impfungen, Reiseversicherung und persönliche Ausgaben sind da natürlich nicht dabei, die kommen noch extra dazu. Da frag ich mich doch gleich: Wer profitiert letztendlich finanziell davon? Für die „Volontäre“ ist es sicher ’ne tolle Sache. Den Menschen hier vor Ort wird auch geholfen, das sehe ich schon, aber ich werde aber das Gefühl nicht los, dass hier in erster Linie andere „Geld machen“ und der Charity-Gedanke nur Vorwand ist. Mag sein, dass ich mich irre, aber ganz koscher ist mir die Sache jedenfalls nicht. Ich frag mich, wenn es Charity ist, warum diese „Freiwilligenarbeit-auf-Sansibar“ dann nicht vom Auswärtigen Amt, vom THW, vom Roten Kreuz o. ä. angeboten wird, sondern von ganz gewöhnlichen Reisebüros?

Wenn nicht gerade Ramadan ist, wuseln im „Millat Ibrahim Kindergarten“ auch Kinder rum, 60, hab ich mir sagen lassen. Die „Volontäre“ singen und spielen mit ihnen und bringen ihnen nebenbei etwas Englisch, Rechnen und Naturwissenschaften bei. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass die einheimischen Lehrer ihr Englisch verbessern können. Das ist ansich lobenswert. Jetzt ist aber Ramadan und sämtliche Erziehungseinrichtungen sind geschlossen. In dieser Zeit werden die Freiwilligen dann zu handwerklichen Tätigkeiten herangezogen wie beispielsweise zum Anstreichen des Hauses oder zum Müllsammeln. Ich kann nicht verstehen, dass man für derartige Tätigkeiten junge Europäer und Amerikaner um die halbe Welt fliegen und bezahlen lässt, während viele Menschen in Sansibar arbeitslos sind.

Was hab ich bisher gesehen? Emsige „Volontäre“, ein paar Lehrer, eine Handvoll Kinder, ein paar Tiere und überschaubar wenige einheimische Erwachsene. Wo ist die einheimische Bevölkerung? Das erschließt sich mir nicht. Die Männer können doch nicht alle beim Fischen sein, jetzt bei Ebbe. Und Seegras erntende Frauen, die es (laut Reiseführer) bei Ebbe hier geben soll geben soll, habe ich auch keine gesehen. Ich hab nur eine denkbare Erklärung. Die Abwesenheit der Bevölkerung muss irgendwas mit dem Ramadan zu tun haben. Sei es, dass sie die Hitze und den Tag meiden oder dass sie vor dem Fernseher sitzen, wie die TAZ vor Jahren mal geschrieben hat. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass hier überhaupt jemand einen Fernseher besitzt. Antennen jedenfalls gibt’s keine. Allenfalls hat vielleicht irgendjemand ein Radio. Das könnte sein, denn als ich vorhin an den Häusern vorbeigegangen bin, hatte ich manchmal den Eindruck, es wäre Samstagnachmittag und im Radio liefen Sportübertragungen. Wo die Menschen jetzt aber wirklich sind? Ich weiß es nicht.

Auch wenn man eigentlich nichts tut, außer durch die Gegend zu schlendern und zu fotografieren ist so ein Spaziergang in der Hitze doch ganz schön anstrengend, vor allem, wenn dich die vielen, vielen neuen Eindrücke und Gedanken erschlagen. Im Hotelzimmer ist’s angenehm kühl. Kaum da, zieh ich die Schuhe aus, ebenso die langen Hosen und leg mich einfach mal für ne halbe Stunde flach und denk an gar nichts. Das tut richtig gut.


 

< Jambiani In der Schule von Jambiani >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA